China kommt. Schon seit langem wissen wir, dass der Großteil unserer Waren im Reich der Mitte produziert wird. Das betrifft vor allem Elektronik, aber auch Bekleidung oder andere Alltagsartikel. Es ist uns als Verbrauchern bekannt und bewusst, dass all diese Produkte überwiegend aus Asien stammen. Doch die Zeiten, in denen speziell China nur als verlängerte Werkbank des Westens galt, sind vorbei. Und so zeigt die chinesische Volkswirtschaft zunehmend auch in anderen Bereichen ihre Lern- und Leistungsfähigkeit. Mehr und mehr werden Märkte und Produktgruppen erschlossen, die deutlich über Konsumgüterproduktion hinausgehen. Dazu gehört beispielsweise Photovoltaik oder die Produktion von Hochgeschwindigkeitszügen ebenso wie bestimmte Dienstleistungen rund um die Genom-Analyse für Mediziner oder auch die chinesischen Raumfahrtambitionen.

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Stephen Voss, Vorstand und Gründer der Neodigital Versicherung AG mit Sitz in Neunkirchen im Saarland.Neodigital

Künftig wird ein weiterer Dienstleistungsbereich dazugehören, den wir Europäer meist regional verorten: Versicherung. Mit Asien oder China wurde diese Branche bisher in Europa eher selten in Verbindung gebracht. Natürlich gibt es auch in Asien große Versicherer, beispielsweise die 1918 gegründete Fuji Marine, aber in Europa wurden bisher nur die globalen Ansätze westlicher Unternehmen registriert. AIG, Allianz, AXA, Generali, HDI, Zürich – um nur einige zu nennen, sind global aufgestellte, bekannte Versicherungskonzerne. Und jetzt kommt China!

Die chinesischen Dimensionen

Der chinesische Vorzeigekonzern für Versicherungen ist Ping An Insurance. Verglichen mit den genannten globalen Unternehmen ist dieser Versicherer ein Jungspund. Gegründet 1988 und damit gerade mal etwas über 30 Jahre alt. Zu jung, um eine globale Rolle zu spielen? Mitnichten! Die aktuelle Konzernbilanz aus 2018 liest sich beeindruckend. 141 Mrd. Dollar Umsatz und 13,9 Mrd. Dollar Gewinn. Damit gehört Ping An zu den weltweit zehn größten Unternehmen. Vergleicht man das mit dem 120 Jahre alten Allianz Konzern, dann sind die Chinesen 50 Prozent besser! Denn die Bilanz der Allianz Group SE weist für das Jahr 2018 einen Umsatz von 149 Mrd. Dollar und einen Gewinn von 8,65 Mrd. Dollar aus.

Angesichts dieser Zahlen entsteht automatisch die Frage danach, was das chinesische Unternehmen besser macht als die etablierten Player und welche Eigenschaften es mitbringt, um auch auf globaler Ebene erfolgreich zu werden.

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Der chinesische Weg

Das beginnt schon mit der Mentalität, dem grundsätzlichen Ansatz. Ganz gleich, welche Branche man betrachtet, die Unterschiede sind fundamental. In Europa wird gern beim perfekten Produkt gestartet, das möglichst allen Ansprüchen gerecht werden soll. In Asien steht dagegen oft das Massenbedürfnis im Vordergrund: Produkte sollen und müssen zunächst massentauglich sein. Dieser Ansatz hat eine jahrtausendelange Tradition. Ein Beispiel: Der Bau der Großen Mauer wurde nur durch effiziente Massenfertigung der Tonziegel möglich. Automation, Logistik und Struktur, aber auch hohe Umsetzungsgeschwindigkeit haben ein modernes Riesenreich geschaffen, das über einen gigantischen Binnenmarkt und enormes technisches Potenzial verfügt. Obwohl es gerade in China in der Vergangenheit auch lange Phasen der Abschottung gegeben hat, gehören seit dem 19. Jahrhundert Handel und Expansion ebenso dazu. Und gerade die jüngste Vergangenheit, die letzten 30 Jahre, zeigten eindrucksvoll wie sehr China daran interessiert ist, weltweit politisch und wirtschaftlich zu agieren.

Vorteil sind offensichtlich

Kombiniert man die historische Entwicklung mit dem massenzentrierten Ansatz, dann wird deutlich, dass hier größer und längerfristig gedacht wird.

Und so tritt auch Ping An beharrlich in die internationalen Märkte ein. Überall auf der Welt werden strategische Investitionen betrieben. Das muss nicht immer auf ganzer Breite passieren, wie das deutsche Beispiel zeigt. Hier wurde in den deutschen fintech builder finleap investiert. Das Start Up erhielt 2018 immerhin 41,5 Millionen Euro von Ping An, um in aussichtsreiche Unternehmen der Fintech- und Insurtech-Branche zu investieren. Daran wird auch das „Ping An-Prinzip“ deutlich: Investiert wird gezielt in Unternehmen, die im lokalen Markt genauso agil und effizient arbeiten wie man selbst. Das zahlt auf die eigene Philosophie ein und die Chancen stehen gut, dass sich solche Unternehmen auch langfristig erfolgreich in einen weltweiten Konzern integrieren lassen. Das ist durchaus clever, denn so schafft Ping An den Spagat zwischen lokaler Mentalität, Effizienz und globaler Expansion. Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Ein Unternehmen wie Ping An hat durch seine Größe und eine konsequent auf Effizienz getrimmte digitale Struktur keine Angst vor großen Datenmengen. Konsequent werden die vorhandenen Daten genutzt, um eigene Produkte zu verbessern oder neue Services anzubieten. Daten werden sogar hinzugekauft, um die eigenen Produkte anzureichern. So lassen sich Anwendungsbereiche erschließen, die hierzulande (noch) nicht denkbar wären. Zum Beispiel im Bereich der Krankenversicherung. Schon jetzt ist man in der Lage, große Datenmengen mit künstlicher Intelligenz zu verbinden, auszuwerten und durch einen digitalen, KI-gestützten Arzt schnell Arzneimittel per Automaten an Patienten auszugeben.

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Die digitale Denkweise als Erfolgsmodell

Das wäre in Europa unmöglich, Bedenken allerorten.

Natürlich kann der künstliche Arzt aus dem Beispiel nicht alle Krankheiten behandeln und es fehlt ihm auch an Empathie, um psychosomatische Verbindungen zu erkennen. Aber darum geht hier auch gar nicht. Wir wollen, dass vielen Menschen schnell geholfen werden kann. Und genau dafür bietet dieser asiatische Ansatz eine Lösung. Denn der KI-gestützte virtuelle Arzt kann die gängigsten Krankheiten mittlerweile präziser diagnostizieren als seine echten Kollegen. In Sekundenbruchteilen kann er die Symptome analysieren und mit einer Unmenge an vorhandenen Daten vergleichen. Und damit sind wir wieder beim massenorientierten Ansatz, der hier eben auch der Masse der Versicherten zugutekäme. Denn der einzelne Versicherte hätte dadurch einige Vorteile: Er müsste wegen einer Erkältung nicht zum Arzt, nicht Stunden im Wartezimmer verbringen, um dann schließlich zur Apotheke zu fahren. Er hätte seine Sprechstunde zuhause und bekäme vor Ort aus dem Automaten die passende Medikation.

Finden Sie das beängstigend? Ich finde das effizient und wäre ich der Erkrankte in diesem Beispiel, würde es mir helfen, schneller wieder gesund zu werden. Wenn man das auf andere Versicherungszweige überträgt, wird der Vorteil offensichtlich: schnelle Erledigung der Versicherungsfälle nützt dem Unternehmen, vor allem aber dem Kunden.

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Ver(un)sicherungen aus Asien? Es kommt ganz klar auf den Blickwinkel an!

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