In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hat Giovanni Liverani, Deutschland-Chef der Generali, erneut den Verkauf hochverzinster Lebensversicherungen an einen externen Dienstleister verteidigt. Auf die Frage, ob er froh sei in Niedrigzinszeiten nicht mehr drei Prozent Garantiezins zahlen zu müssen, antwortete der Italiener:

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“Klassische Policen mit einem Garantiezins von drei Prozent sind in einer Welt von Negativzinsen nicht mehr zeitgemäß. Sie werden früher oder später für die gesamte Branche toxisch. Das ist kein spezielles Problem von Generali, sondern für alle Lebensversicherer in Deutschland. Aber wir hatten den Mut, das große finanzielle Risiko der hohen Zinsen aus unseren Bilanzen zu nehmen“, so Liverani.

Der Generali-Vorstand wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, der Verkauf von Altverträgen bedeute „Betrug am Kunden“. Ganz im Gegenteil sei dies „eine verantwortungsvolle Lösung“, sagte der Manager. „Zum einen für die Kunden, die sicher sein können, ihre Verträge bis zum Ende zu behalten. Zum anderen für unsere Aktionäre, weil wir viel Kapital freigesetzt haben, das zuvor in einem schwarzen Loch verborgen war. Und drittens ist unser Vorgehen nützlich für jedes andere Versicherungs-Unternehmen, das in Zukunft ähnlich handeln will wie wir“, sagte Liverani. Die Finanzaufsicht BaFin habe "jedes Detail der Transaktion geprüft, weil sie sicherstellen wollte, dass unsere Lösung auch den Kunden dient".

“Der andere Teil ist profitabel"

Die Generali hatte ihre Deutschland-Tochter Generali Leben an den Run-off-Dienstleister Viridium mit Sitz in Neu-Isenburg verkauft. Betroffen waren rund vier Millionen Verträge. Der Versicherer besitzt nur noch eine Minderheitenbeteiligung von 10,1 Prozent am Unternehmen und ist juristisch nicht mehr für die Policen verantwortlich. Im Oktober wurde die frühere Generali-Tochter in „Proxalto“ umbenannt (der Versicherungsbote berichtete).

Giovanni Liverani hebt nun im Interview hervor, dass man sich nicht vom ganzen Leben-Geschäft getrennt habe. Der abgestoßene Bestand habe ein Drittel aller Lebensversicherungen ausgemacht. „Der andere Teil ist profitabel, ihn werden wir behalten und weiterentwickeln“.

Viele Kunden und Versicherer werten einen solchen Verkauf als Vertrauensbruch

Liveranis Argumentation im FAS-Interview ist durchaus riskant. Laut einer INSA-Umfrage von 2017 werten es mehr als die Hälfte aller Verbraucher als klaren Vertrauensbruch, wenn Versicherer ihre Bestände an externe Abwickler geben. Nun erklärt der gebürtige Udinenser indirekt, dass die Generali durchaus bereit sei sich von Altersvorsorge-Verträgen zu trennen, wenn sie die Bilanz belasten und das Wachstum hemmen. Eine Botschaft, die auch künftig das Image des Versicherers belasten könnte.

Überraschend ist nun Liveranis Argument, der Verkauf sei auch im Sinne der Kunden eine „verantwortungsvolle Lösung“ gewesen — weil sie sicher sein könnten, dass sie ihre Verträge bis zum Ende behalten. Was spräche dagegen? Laut Versicherungsvertragsrecht hätte die Generali die Verträge nicht aufkündigen dürfen, wie auch ein Sprecher des Versichererverbandes GDV in einem ähnlichen Fall bestätigt hat: „Lebens- und Rentenversicherungen sind vom Versicherer nicht einseitig kündbar“. Lediglich im Falle einer wirtschaftlichen Schieflage ist es den Anbietern erlaubt, Gelder unter bestimmten Voraussetzungen zu kürzen. Dann muss jedoch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin zustimmen.

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Die Versicherungsbranche selbst zeigt sich beim Thema externer Run-off gespalten. Eine Umfrage aus dem Hause Amundi ergab, dass 46 Prozent der Entscheider bei den Gesellschaften der Ansicht sind, ein solcher Verkauf an Bestandsabwickler schade dem Ruf der Branche (der Versicherungsbote berichtete).

"Wir haben uns entschieden, den Kunden die Wahrheit zu sagen"

Auch im Vertrieb ist der Verkauf von Altbeständen umstritten. Der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) als Interessenverband von Maklern appellierte im August gemeinsam mit dem Bund der Versicherten (BdV) an den Gesetzgeber, die Rechte der Kunden in einem solchen Fall zu stärken. Die Sparer sollen ein außerordentliches Wechsel- und Kündigungsrecht erhalten, wenn ein Versicherer den Bestand abstößt. Anlass für den Vorstoß war ebenfalls der Unmut über die Generali (der Versicherungsbote berichtete).

„Verbraucherinnen und Verbraucher haben ihre Lebensversicherungen regelmäßig im Vertrauen auf die Stabilität der gewählten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen und werden jetzt reihenweise enttäuscht“, positionierte sich AfW-Vorstand und Fachanwalt Norman Wirth. Er machte auf die Tragweite solcher strategischen Entscheidungen aufmerksam: „Wie schon der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag Ralph Brinkhaus treffend bemerkte, schadet das der ganzen Versicherungsbranche, auch wenn es bisher nur einzelne Versicherer sind, die diesen Weg gehen.“

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“Wir haben uns entschieden, den Kunden die Wahrheit zu sagen“

Giovanni Liverani lässt nun in dem Interview durchblicken, dass das Abtreten der Verträge auch aus einer gewissen Not heraus erfolgte. So vermutet er, dass weitere Lebensversicherer dem Beispiel der Generali folgen und Verträge in den externen Run-off überführen werden. “Es ist für einen aktiven Lebensversicherer in diesem Umfeld unmöglich, sein Portfolio so nachhaltig zu managen, wie es nötig wäre. Dafür bedarf es eines spezialisierten Geschäftsmodells“, begründete dies der Manager. Zudem sei Kapital freigesetzt worden, um neue Produkte und Services zu entwickeln, „so zum Beispiel für neue Generationen, über die niemand spricht“.

Liveranis Prognose für die Branche ist eher pessimistisch. In Deutschland gebe es viele Lebensversicherer, die sich schwer tun ausreichend Kapital für ihr Geschäft zu erzielen. „Früher oder später werden sie ihr Versprechen nicht einhalten können. Wir haben uns entschieden, den Kunden die Wahrheit zu sagen. Wir wollen ein Partner fürs Leben sein. Wenn ich einem Partner nicht die Wahrheit sage, verlässt er mich“. Nun hat die Generali den ersten Schritt getan.

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Gleichwohl sieht Liverani für die Lebensversicherung eine "glänzende Zukunft". Denn "tot, zumindest schwer erkrankt, sind nur die klassische Policen mit einer hohen Zinsgarantie". Entsprechend wolle man auch mit den neuen Produkten der Cosmos Direkt und der früheren AachenMünchener Leben wachsen, die führend seien in der fondsgebundenen Lebensversicherung.

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