Der Niedrigzins belastet die deutschen Lebensversicherer: besonders von Altverträgen mit hohen Garantien wollen sich viele Gesellschaften lieber heute als morgen trennen. Das belegt nun auch eine aktuelle Studie von Amundi Deutschland. 100 Entscheider hat das Fondshaus Anfang September befragt. Und das Ergebnis lässt aufhorchen.

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Demnach prüfen derzeit 30 Prozent der deutschen Versicherer ein Run-off für Altbestände: fast jeder dritte Versicherer. In den betroffenen Tarifen wird dann das Neugeschäft eingestellt und die bestehenden Verträge nur noch abgewickelt. Doch hier gilt es zu differenzieren: 17 Prozent planen einen internen Run-off, so dass die Lebensversicherungen im eigenen Firmenbund bleiben. Lediglich 13 Prozent der Befragten würden die Verträge an einen externen Dienstleister verkaufen, der sich auf die Abwicklung solcher Verträge spezialisiert hat.

Branche zeigt sich gespalten

Vor allem die Option, Altbestände an externe Run-off-Gesellschaften zu verkaufen, ist heftig umstritten. Das belegt auch diese Umfrage: immerhin 46 Prozent der befragten Entscheider geben demnach an, ein externer Run-off schade dem Image der Branche. Dem entgegen vertreten ebenfalls 46 Prozent die Meinung, die Belange der Versicherungsnehmer seien ausreichend geschützt.

Fakt ist: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wacht streng darüber, wenn Run-off-Bestände verkauft werden. Sie muss den Verkauf genehmigen, durchleuchtet unter anderem, ob der Aufkäufer finanziell solide ist und genug Eigenkapital hat.

„Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden“, positioniert sich Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht bei der BaFin. Auch nach dem Verkauf „unterliegt das betroffene Versicherungsunternehmen der vollständigen Versicherungsaufsicht durch die BaFin“. Die Botschaft: Kein Versicherter muss sich Sorgen machen. Die Verbraucher könnten sogar profitieren, da die Run-off-Versicherer die Bestände oft effektiver und kostengünstiger verwalten würden als die Altanbieter (der Versicherungsbote berichtete).

Kritiker sehen das anders. Der Verbraucherverband Bund der Versicherten (BdV) befürchtet, dass die Versicherer bei der Überschussbeteiligung tricksen. Konkret, dass bei solchen Bestandsübertragungen Gelder nicht mitgegeben werden, die eigentlich den betroffenen Kundinnen und Kunden gehören. Dazu zählen etwa Bewertungsreserven, Zinszusatzreserven, kollektive Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB), freie RfB oder Mittel aus dem Schlussüberschussanteilfonds, gibt der Verband in einem Pressetext zu bedenken. Das Problem sei hier die große Intransparenz der Berechnungen.

Viel Geld für die Aktionäre

Auch eine jüngst vorgestellte Studie des Kölner Vivit-Institutes nährt den Verdacht, dass die Run-off-Dienstleister nicht vordergründig das Wohl des Kunden im Blick haben. Demnach schütten die Gesellschaften im Schnitt weit mehr Geld an der Börse und an ihre Muttergesellschaften aus, als im Branchenschnitt üblich. Deutsche Versicherer gaben demnach 2017 im Schnitt von Bruttoüberschuss (vor Steuern) 17,13 Prozent an ihre Aktionäre, aber 70,92 Prozent an die Kunden. Bei Run-off-Gesellschaften ist das Verhältnis weit ungünstiger: 40,95 Prozent für Aktionäre und Konzernmütter, aber 49,69 Prozent für den Kunden (der Versicherungsbote berichtete).

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Relevanz erhält die Umfrage von Amundi dadurch, dass die Generali vier Millionen Lebensversicherungen an die Viridium Gruppe verkauft hat. Ein echtes Schwergewicht der Branche: die betroffene Generali Leben zählt zu den drei größten Lebensversicherern in Deutschland. Branchenbeobachter schätzen deshalb, dieser Verkauf könne einen Dammbruch auslösen, andere Versicherer dem Beispiel der Generali folgen. Bisher waren die Versicherer eher zurückhaltend. Zwar lagerten nach BaFin-Zahlen 2016 Brutto-Beiträge von 1,6 Milliarden Euro bei externen Abwicklern. Dies waren aber lediglich 1,2 Prozent des gesamten Bestandes.

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