Die Generali Deutschland will die Mehrheitsanteile von rund vier Millionen hochverzinsten Lebensversicherungen an einen externen Run-off-Dienstleister verkaufen: die Viridium Gruppe. An einen Versicherer also, der nichts anderes macht, als Altbestände aufzukaufen und abzuwickeln. Das nährt Befürchtungen bei Verbraucherschützern und auch Vermittlern, dass den betroffenen Kunden dadurch Nachteile entstehen können.

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Doch bevor der Verkauf über die Bühne geht, muss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Geschäft prüfen und zustimmen. Die Generali-Schlagzeilen der letzten Wochen nimmt die Behörde zum Anlass, im aktuellen BaFin-Journal 07/2018 noch einmal genau zu erklären, was sie bei solch einem Run-off-Geschäft unter die Lupe nimmt. Und die mitunter hitzig geführte Debatte auch ein wenig zu versachlichen.

Strenge Anforderungen…und Wahrung der Kundenrechte

An den Verkauf eines Versicherungsunternehmens seien strenge gesetzliche Anforderungen geknüpft, schreibt die BaFin. Diese hätten die „Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer“ zum Ziel, heißt es etwas umständlich. Was das bedeutet, fasst Frank Grund zusammen, Chef der Versicherungsaufsicht: „Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden“. Dies werde bei Bedarf durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, versichert Grund. Sollte die BaFin Zweifel daran haben, könne sie einen Verkauf untersagen.

Auch nach dem Verkauf „unterliegt das betroffene Versicherungsunternehmen der vollständigen Versicherungsaufsicht durch die BaFin“, heißt es weiter im Text. Vertragliche Garantien blieben weiter bestehen. „Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung sind weiterhin die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, die sich unter anderem aus der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ergeben“, heißt es weiter. Bei Hinweisen auf Missstände könne sich die Finanzaufsicht umfassende Informationen beschaffen und darauf reagieren.

Debatte um Überschussbeteiligung

Gerade mit Blick auf die Überschussbeteiligung der Kunden hatte der Verbraucherschutz Bedenken angemeldet. Seit Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) 2014 dürfen Versicherer bei den Bewertungsreserven kürzen, wenn ihnen sonst Probleme drohen. Auch dies muss von der BaFin bewilligt werden. Doch nach welchen Kriterien gekürzt wird, ist nicht immer transparent. So liegen aktuell keine Zahlen vor, in welchem Umfang die Versicherer bereits den Rotstift angesetzt haben, so musste die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag eingestehen.

Die Verbraucherorganisation Bund der Versicherten (BdV) befürchtet, dass genau hier die Versicherungen tricksen können. Konkret, dass bei solchen Bestandsübertragungen Gelder nicht mitgegeben werden, die eigentlich den betroffenen Kundinnen und Kunden gehören. Dazu zählen etwa Bewertungsreserven, Zinszusatzreserven, kollektive Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB), freie RfB oder Mittel aus dem Schlussüberschussanteilfonds, wie der Verbraucherverband in einem Pressetext erklärt. „Das Problem ist hier die große Intransparenz“, erklärt Vorstandssprecher Axel Kleinlein: „Es ist für Versicherte nicht nachvollziehbar, ob sie fair an diesen Geldern beteiligt werden.“

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BaFin kontrolliert auch neuen Inhaber

Doch nicht nur bei den vertraglichen Garantien und der Überschussbeteiligung schaut die BaFin hin. Die Aufsichtsbehörde prüft auch den Käufer mit einem sogenannten Inhaberkontrollverfahren. Hier wird nicht nur beleuchtet, ob der Run-off-Dienstleister zuverlässig ist. Auch sein Geschäftsmodell und die Strukturen werden geprüft, erklärt die BaFin. Der Erwerber müsse insbesondere über ein effektives Risikomanagement verfügen und umfangreiche Berichtspflichten erfüllen.

Strukturen des neuen Anbieters werden beleuchtet

Wird der neue Inhaber der Run-off-Bestände geprüft, achtet die BaFin auch darauf, ob er in der Lage ist, den übernommenen Bestand angemessen zu verwalten. "Ein Prüfungsschwerpunkt liegt daher auf der technischen und betrieblichen Umsetzbarkeit der Transaktion“, erklärt die Finanzaufsicht im aktuellen BaFin-Journal. Das umfasse auch die Frage, ob bestehende Systeme und Mitarbeiter übernommen würden. Die BaFin könne verlangen, dass der Anbieter notfalls Strukturen ausbaue oder outsource, wenn die aktuellen Ressourcen nicht ausreichen.

Bonität und Risikofähigkeit beleuchtet

Darüber hinaus prüft die BaFin die Bonität des Erwerbers und dessen Fähigkeit, den Versicherer ausreichend zu kapitalisieren, so erklärt die Finanzaufsicht. Das beinhaltet auch, ob der Versicherer auf Krisensituationen vorbereitet ist und ein in Not geratenes Unternehmen aufzufangen.

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„In der aufnehmenden Gruppe liegen in der Regel andere Verhältnisse vor als in der abgebenden Gruppe, was aus Kundensicht ein höheres oder niedrigeres Maß an Sicherheit bedeuten kann“, sagt Aufsichtschef Frank Grund. „Ist weniger Sicherheit zu befürchten, verlangen wir Absicherungsmaßnahmen.“ So müsse der Erwerber unter anderem eine ausreichende Kapitalausstattung nachweisen oder zusätzliche finanzielle Mittel im Rahmen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) hinterlegen, wenn dies als notwendig erachtet werde.

Allein das Inhaberkontrollverfahren sei so umfangreich, dass für das Zusammenstellen der notwendigen Unterlagen bei größeren Käufen mehrere Monate eingeplant werden müssten, versucht die BaFin Kritiker von Run-off-Verkäufen zu beschwichtigen. Entsprechend lange dauere auch die Genehmigung. Unter anderem war im Vorfeld des Generali-Deals kritisiert worden, dass mögliche Investoren im Ausland sitzen und ihre Konzernstruktur wenig transparent machen müssten, wodurch Kundinnen und Kunden ein Risiko entstehen könnte.

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