Wären das deutsche Schulsystem ein Schüler und müsste sich danach benoten lassen, wie es Wissen zu Finanzen vermittelt: Es wäre arg versetzungsgefährdet. So zumindest, wenn man einer repräsentativen Umfrage der Meinungsforscher INSA im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) Glauben schenkt. Das Think Thank der Deutschen Bank ließ danach fragen, ob die Bürger nach ihrer Meinung eine gute Finanzbildung in der Schule vermittelt bekamen. Das Urteil fiel vernichtend aus.

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75 Prozent sehen sich eher schlecht gebildet

Der Aussage „Ich habe eine gute Finanzbildung erhalten“ stimmte demnach nur etwa jeder achte Bürger (13 Prozent) zu. Die überwiegende Mehrheit aber (73 Prozent) sagte, sie „stimme nicht zu“. Weitere neun Prozent sagten „weiß nicht“, fünf Prozent machten keine Angabe. Die ablehnende Haltung zeigt sich durch alle Altersgruppen: in jeder der untersuchten Alterskohorten verneinen mindestens 70 Prozent der Befragten, dass sie eine gute Finanzbildung erhalten hätten.

Der Aussage „Finanzbildung wird in der Schule zu wenig oder schlecht betrieben“ stimmten 67 Prozent der Umfrageteilnehmer zu. Hier sind es vor allem die Jüngeren der Altersgruppe 18-24 Jahre, die besonders häufig (74 Prozent) zu dieser Einschätzung gelangen. Am seltensten stimmen der sehr kritischen Einschätzung die mittlere Altersklasse „35 bis 44 Jahre“ zu.

Noch auffälliger sei ein anderer Trend: Je mehr die Befragten verdienen, desto häufiger stimmen sie der Aussage zu, dass die Finanzbildung im Schulunterricht zu wenig oder nur schlecht vermittelt werde, heißt es in einem Pressetext des DIA. Wer ein Haushalts-Nettoeinkommen unter 1.000 Euro im Monat hat, stimmt zu 56 Prozent dieser Aussage zu, bei Einkommen zwischen 1.000 und 2.000 Euro 64 Prozent. Weit höher ist die Zustimmung bei Einkommen zwischen 2.000 und 3.000 Euro (74 Prozent), 3.000 bis 4.000 Euro (71 Prozent) und jenen Befragten mit 4.000 und höher (77 Prozent).

Dabei wird die Schule mehrheitlich als ein geeigneter Ort für die Finanzbildung von Jugendlichen angesehen. Rund die Hälfte der Befragten (54 Prozent) findet das. In den letzten Jahren wurde die Forderung nach einem extra Schulfach für Finanzbildung laut, welches aktuell zumindest in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg angeboten wird (der Versicherungsbote berichtete).

Auch Deutsche Bank drängt in die Schulen

Spricht das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) auch ein wichtiges Thema an: die mangelnde Finanzbildung in deutschen Schulen, lässt sich am eigenen Beispiel auch die Schwierigkeit daran aufzeigen. Nämlich die Frage, wer dieses Finanzwissen vermitteln soll und mit welchen Mitteln. So warnte Dorothea Schäfer, Vorsitzende der Lehrer-Gewerkschaft GEW im letzten Jahr, die Schule könne zu einer "Arena der Lobbyisten" werden.

Der Hintergrund: Immer mehr Finanzdienstleister und Banken drängen in die Schulen, wo sie kostenloses Info- und Anschauungsmaterial zur Verfügung stellen, sogar Lehrer spielen. So auch die Deutsche Bank, die das DIA wesentlich mit finanziert. „Initiative Finanzielle Allgemeinbildung“ (FAB) heißt das Projekt, bei dem Deutsche-Bank-Experten in die Schule gehen, mit Schülern diskutieren und finanzielles Know-how vermitteln: so zumindest in der Eigendarstellung. Bereits seit mehreren Jahren ist der Platzhirsch unter den deutschen Banken derart aktiv.

Schnell drängt sich aber der Verdacht auf, die Schüler sollen auch für die eigenen Finanzprodukte geworben werden. „1.320 Mitarbeiter der Deutschen Bank stehen als Referenten in über 770 Filialen in Deutschland bereit. Sie gestalten Unterrichtseinheiten, diskutieren mit den Schülern aktuelle Finanz- und Wirtschaftsthemen und schildern Situationen aus ihrem Bankalltag“, heißt es auf der Webseite. Brisant: Explizit soll dabei auch über die "Ursachen der Finanzkrise" von 2008 gesprochen werden. Ob dabei die eigene Rolle thematisiert wird, wäre zu klären: War doch gerade die Deutsche Bank in zahlreiche Skandale verwickelt und musste Milliardenstrafen für ihre Verfehlungen zahlen.

Bildungsexperten sehen das Engagement der Banken kritisch. “Es spricht zunächst nichts dagegen, Experten in Schulen zu schicken. Doch gerade Banker haben dort derzeit nichts zu suchen", sagt Professor Reinhold Hedtke, Bildungssoziologe an der Uni Bielefeld, der „Kontext Wochenzeitung“. Angesichts der Rolle der Banken bei Finanzspekulation und Steuerbetrug müssten sich "diese Institutionen zunächst erst selbst resozialisieren“, sagt Hedtke. Hier wäre einzuschränken: Zumindest müsste gewährleistet sein, dass eine offene und kritische Diskussion stattfinden kann.

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Hintergrundinformationen: Die Umfrage wurde als Online-Befragung in der Zeit vom 08. bis zum 11. März 2019 durchgeführt. Daran nahmen 2.005 Personen aus ganz Deutschland ab 18 Jahren teil.

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