Mit Verlaub: Was hat solch ein Hinweis in einer Meldung zu suchen, die ein gemeinnütziges Verbraucherportal an Redaktionen aussendet? Es ist im Zweifel dreiste Werbung. Nicht einmal wird im Pressetext begründet, weshalb der Verbraucher auf diese Quellen zurückgreifen soll. Mehrere Regionalzeitungen haben die Empfehlung dennoch einfach übernommen. Wieder stellt sich die Frage: Warum empfiehlt "Finanztip" ausgerechnet diese drei Anbieter? Alle zahlen für einen Link auf Tenhagens Webseite.

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PR-Journalismus?

Um das Bisherige zusammenzufassen: Ich habe den Eindruck, Hermann-Josef Tenhagen versteht es gar virtuos, PR mit Journalismus und vermeintlichen Verbraucherschutz zu verbinden. Doch wie die Empfehlungen auf "Finanztip" und in seinen Artikeln zustande kommen, bleibt intransparent und kann kaum zurückverfolgt werden. Der Versicherungsbote hat Tenhagen 2015 in einem Interview mit ebendiesen Vorwürfen konfrontiert. Seine Antworten schienen mir teils nichtssagend und ausweichend.

Tenhagen betonte, dass redaktionelle Arbeit und das Anwerben von Geldgebern bei Finanztip voneinander getrennt seien. "Welche Angebote wir empfehlen, entscheidet die Redaktion auf Basis gründlicher Recherchen und Tests – nach einem strengen Redaktionskodex, unabhängig und nur im Interesse der Verbraucher", sagte er im Interview. Der Verbraucher hat aber keine Chance, diese vermeintlich saubere Recherche nachzuvollziehen und ihre Korrektheit zu überprüfen. Wir als Fachredaktion haben es auch nicht. Vieles bleibt im Dunklen.

"Reporter ohne Grenzen" hat es als eine der größten Bedrohungen für die Pressefreiheit in Deutschland gewertet, dass Journalismus und Werbung immer mehr vermischt werden, ohne dass der Leser dies erkennen kann. Ich habe den Verdacht, dies ist in einigen Texten von Tenhagen der Fall. Und ich frage mich, wie weit das gehen darf. Ich frage mich, ob und wie "Spiegel Online", "n-tv" und all die anderen prüfen, auf welcher Grundlage er seine Empfehlungen gibt - und ob sich Werbung einschleicht.

Wenn alle im Glashaus sitzen, muss einer mit Steinen werfen

Um nicht missverstanden zu werden: Auch der Versicherungsbote ist eine werbefinanzierte Nachrichtenseite. Auch wir kennen die Konflikte, die es bedeuten kann, wenn Medien kritisch über Anzeigenkunden berichten. Etwa, wenn ein Versicherer eine Anzeige für ein neues Altersvorsorgeprodukt schaltet - und wir wenige Tage später dieses regelrecht verreißen, zum Beispiel wegen intransparenter Vertragsbedingungen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Pressesprecher dann in der Redaktion durchgeklingelt hat und sich über die Berichterstattung beschwerte. Es ist nicht immer leicht, dann das Recht auf unabhängigen Journalismus zu verteidigen. Spätestens, wenn mehrere Firmen drohen keine Anzeigen mehr zu schalten, geht es im Zweifel um die Existenz eines Verlages.

Doch genau aus diesem Grund muss die Frage nach journalistischer Unabhängigkeit immer wieder neu gestellt werden. Je mehr sich die Medien abhängig machen vom Anzeigengeschäft, desto mehr sind sie beeinflussbar. Auch wir sind an journalistische Standards gebunden, die gut, wichtig und richtig sind. Findet sich Schleichwerbung in unseren Texten, können wir dafür abgemahnt werden. Ist ein Advertorial nicht als Advertorial gekennzeichnet, können wir abgemahnt werden. Und das ist gut so. Ein Journalismus, der seine Unabhängigkeit aufgibt, ist kein Journalismus mehr. Es ist PR.

Mit Sorge beobachte ich, dass große Medienhäuser Konzerntöchter gegründet haben, die ein Ziel haben: Journalismus und Marketing zu verbinden, möglichst unauffällig für Redaktionen und Leser. „Intelligence in Communication and Marketing“, wirbt zum Beispiel das F.A.Z. Institut und bietet „Corporate Publishing“ an. Fast täglich erhält der Versicherungsbote eine Vielzahl von Studien und Produkt-Rankings ins Mailpostfach, die aus solchen Medienhäusern kommen. Wir werden regelrecht damit zugespammt. Oft durchgeführt von privaten Marktforschern, die sich ebenfalls wie Verbraucherschützer gerieren. Oft sind diese Produktvergleiche intransparent. Oft wird nicht deutlich, warum dieser oder jener Anbieter auf den vorderen Plätzen landet. Und trotzdem - auch wir haben derartige Studien schon aufgegriffen und darüber berichtet.

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Es ist längst ein eigener Markt für vermeintlichen Verbraucherschutz entstanden, der selbst undurchsichtig ist. Darüber müssen wir reden.

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