Es werden drei europäische Aufsichtsbehörden eingerichtet. Sie lösen die bisherigen Kontrollgremien ab. Die Kompetenzen der neuen Behörden sind sehr viel größer als der beratende Charakter des bisherigen Systems. Außerdem haben sie das Potenzial, weitere Kompetenzen hinzu zu gewinnen, da dank einer starken Bewertungsklausel neu verhandelt werden kann. Zudem wird ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) eingerichtet. Dieser ESRB soll die Finanzmärkte beobachten und frühzeitig vor dem allgemeinen Risikoaufbau für die EU-Wirtschaft warnen.

Dieses neue System soll besser davor schützen, dass es nochmals zu einem dramatischen Fortis Bank-Wochenende komme, dass Deutschland einseitig ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen beschließe oder dass Kunden in Großbritannien, in Irland und in Deutschland Verluste durch die Pleite der Lebensversicherung Equitable Life ertragen müssen. Zugleich soll es den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen stärken und einen besseren Schutz für Investoren bieten.

Kosmetische Korrekturen oder grundlegende Reform

Einige Mitgliedstaaten, vor allem solche mit großen Finanzzentren, favorisierten einen begrenzten Reformansatz. Das führte dazu, dass der Vorschlag der Kommission, der dem Parlament nicht weit genug ging, erheblich abgeschwächt wurde. Die Berichterstatter im Europäischen Parlament haben von Beginn an deutlich gemacht, dass es einer ernsthaften Systemreform bedürfe, damit die Risiken besser verstanden würden, vor allem durch eine erheblich verbesserte Kommunikation zwischen den nationalen Aufsichten.

Der letztlich erzielte Kompromiss verwandelt die beratenden Aufsichtsgremien in Wachhunde mit scharfen Zähnen. Die europäischen Finanzaufsichtsbehörden werden mit neuen, starken Kompetenzen ausgestattet, um Streitigkeiten zwischen nationalen Finanzaufsichten zu schlichten. Sie können riskante Finanzprodukte und Finanzaktivitäten sogar zeitlich befristet verbieten.
Falls die nationalen Aufsichtsbehörden nicht handeln, erhalten die europäischen Aufsichtsbehörden ein direktes Durchgriffsrecht auf Finanzinstitute, wie etwa Banken, um Verstöße gegen EU-Recht zu verhindern. Im Tagesgeschäft werden die europäischen Aufsichtsbehörden die Arbeit der nationalen Aufseher bezüglich grenzüberschreitender Finanzinstitute koordinieren.

Aufsichtsbehörden als Feuerlöscher

Falls sich die nationalen Aufseher nicht einigen können, kann die EU-Behörde ein rechtlich verbindliches Vermittlungsverfahren anordnen. Falls auch dabei keine Einigung zwischen den betroffenen nationalen Aufseher erreicht wird, so kann die EU-Behörde dem betroffenen Finanzinstitut direkte Anweisung geben. Die EU-Aufsichtsbehörden können nach eigenem Ermessen als Vermittler eingreifen, müssen also nicht auf eine Anfrage einer nationalen Behörde warten.

Die EU-Behörden werden kontrollieren können, wie die nationalen Aufsichtsbehörden die Vorschriften der EU-Gesetze umsetzen. Falls diese EU-Vorschriften nicht korrekt umgesetzt werden, können die EU-Behörden den betroffenen nationalen Aufsehern Anweisungen geben. Falls diese nicht beachtet werden, können die EU-Behörden direkte Weisungen an ein Finanzinstitut geben, um jegliche Verstöße gegen EU-Gesetze zu vermeiden.

Verbraucherschutz als zentrales Anliegen

Angesichts der immer komplexeren Welt der Finanzdienstleistungen haben sich die Europaabgeordneten erfolgreich dafür eingesetzt, den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt der Arbeit der neuen EU-Aufsichtsbehörden zu stellen.
Die EU-Behörden werden die Kompetenz erhalten, bestimmte Finanzinstitute, bestimmte Finanzprodukte wie etwa "Giftpapiere" oder bestimmte Finanzaktivitäten - wie etwa die ungedeckten Leerverkäufe, zu überprüfen. So sollen die Risiken für das Finanzsystem bewertet und - wenn nötig - Warnungen herausgegeben werden. Soweit es die besondere Finanzgesetzgebung vorsieht, können die EU-Behörden schädliche Finanzaktivitäten oder Finanzprodukte zeitlich befristet verbieten oder einschränken. Sie können zudem die Kommission bitten, Gesetze auf den Weg zu bringen, die solche Aktivitäten oder Produkte dauerhaft verbieten.

ESRB - Schnelle und bessere Warnung vor Risiken

Die Europaabgeordneten haben Bestimmungen durchgesetzt, damit der Europäischer Ausschuss für Systemrisiken schnell und deutlich kommunizieren kann.
Der ESRB wird ein gemeinsames Set an Indikatoren entwickeln, mit dem einheitliche Risiko-Ratings bestimmter grenzüberschreitender Finanzinstitutionen erstellt werden können. Damit sollen auch bestimmte Risikotypen dieser Institute künftig leichter identifiziert werden.
Der ESRB wird auch dafür verantwortlich sein, einen Farbcode auszuarbeiten, der die verschiedenen Risikoarten widerspiegelt. Wenn der ESRB Warnungen oder Empfehlungen zu aufkommenden Risiken ausspricht, wird er diesen Farbcode verwenden, um das Risikolevel anzuzeigen.

Damit der ESRB aufkommende Risiken noch besser vorhersagen kann, soll ein breites Spektrum an Erfahrungen und Kenntnissen, etwa von Wissenschaftlern, im Beratenden Wissenschaftlichen Ausschuss vertreten sein. Um die Sichtbarkeit und die Glaubwürdigkeit des ESRB hervorzuheben, wird der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) für die ersten fünf Jahre auch dem ESRB als Präsident vorstehen.

Mögliche Kompetenzerweiterungen

Sowohl die Finanzaufsichtbehörden als auch der ESRB können ihre Kompetenzen erweitern, wenn künftige Entwicklungen es erfordern sollten. Insbesondere für die Finanzaufsichtsbehörden haben die EU-Abgordneten sichergestellt, dass die Kommission alle drei Jahre Bericht erstatten wird, ob es erstrebenswert sei, die getrennten EU-Behörden für Banken, Versicherungen und Wertpapiergeschäfte zusammenzufassen und an einem Standort zu konzentrieren.
Außerdem soll die Kommission berichten, ob die Aufsichtsbehörden mit weiteren Aufsichtsrechten ausgestattet werden sollten, vor allem über europaweit agierende Finanzinstitute.

Die Rolle des Europäischen Parlaments

Die EU-Abgeordneten haben zugleich eine verbesserte demokratische Kontrolle des gesamten Aufsichtssystems durchgesetzt. So kann das Europäische Parlament sein Veto gegen den Chef einer Finanzaufsichtbehörde einlegen. Das Parlament erhält auch Mitspracherechte bei der Entwicklung der technischen Standards und der Umsetzungsmaßnahmen.
Außerdem wird der ESRB-Präsident den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses und seinen Stellvertreter über die ESRB-Aktivitäten in vertraulichen Gesprächen auf dem Laufenden halten.

Kommission, EU-Finanzaufsichtsbehörden und die ESRB können laut den neuen Gesetzestexten den Rat auffordern, den Notfall auszurufen. Auch das Parlament kann mittels Entschließungen und Anfragen den Rat auffordern, den Notfall auszurufen, so wie das Parlament bei jedem anderen Thema das Recht hat, Forderungen an den Rat und die Kommission zu stellen.

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