Herr Wicke, wie konnte die Talanx-Gruppe trotz der makroökonomischen und geopolitischen Herausforderungen ein Rekordergebnis für 2023 erzielen?

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Wir haben eine hohe Qualität in unserem Ergebnis erzielt: Die gute Performance der Erstversicherung hat dabei wesentlich zu unserem Rekordergebnis beigetragen. Aber auch unser diversifiziertes Geschäftsmodell in internationalen B2B-Märkten wirkte positiv: 75 Prozent unseres Versicherungsumsatzes erwirtschaften wir in derzeit harten Märkten. Darüber hinaus profitieren wir von einem umsichtigen Kapitalanlage-Management mit einem qualitativ hochwertigen Anlageportfolio und einer durchschnittlichen Wiederanlagerendite von 4,6 Prozent. 2023 blieb zudem das Niveau von Großschäden im Rahmen des Großschadenbudgets.

Könnten Sie näher auf die Strategie der Talanx-Gruppe eingehen. Welche Schritte haben zu dem Wachstum geführt?

Wir setzen auf Dezentralität und Unternehmertum im Rahmen von definierten Risikobudgets. Die Geschäftsfelder haben hohe Freiheitsgrade in der Definition ihrer Strategien und verantworten deren Umsetzung eigenständig. Kostenführerschaft spielt bei fast allen Geschäftsfeldern eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit unserer starken Kundenorientierung konnten wir so nachhaltig und profitabel wachsen. Die Zahlen unterstreichen, dass sich unsere Strategie auszahlt.

Mit welchen Maßnahmen konnte die Resilienz der Versicherungsgruppe verstärkt werden?

Wir haben den sehr guten Geschäftsverlauf genutzt, um sowohl in der Erst- als auch in der Rückversicherung unsere Resilienz zu stärken. Ansatzpunkte waren sowohl eine vorsichtige Reservierung von Schäden, die auch in adversen Inflationsszenarien nachhaltig ist, als auch Realisationen von Buchverlusten in Bondportfolien, um zukünftig von den höheren Wiederanlagezinsen zu profitieren. In Bezug auf die Resilienz in unseren Schadenreservierungen veröffentlichen wir im Mai eine Einschätzung von externen Aktuaren. Ohne hier schon vorgreifen zu wollen, erwarten wir für Talanx Gruppe ein deutlich angestiegenes Resilienzniveau, das undiskontiert über 3,5 Mrd. EUR liegen sollte. Mit der gestärkten Resilienz sind wir für mögliche zukünftige Herausforderungen vorbereitet.

Welche Rolle spielten inflationsbedingte Beitragsanpassungen und Zinseffekte bei der Steigerung des versicherungstechnischen Ergebnisses?

Das versicherungstechnische Ergebnis wuchs im Geschäftsjahr 2023 um 32 Prozent auf 3,2 Mrd. EUR. Dieses konnten wir auch aufgrund von inflationsbedingten Preisanpassungen und Zinseffekten steigern. Aber auch andere Faktoren wie unsere operative Stärke sowie Großschadenleistungen, die innerhalb des veranschlagten Budgets lagen, trugen zu der Steigerung bei.

Der Zukauf von Liberty Mutual's Geschäft in Lateinamerika ist ein bedeutender Schritt. Wie passt diese Akquisition in die langfristige Strategie der Gruppe?

Die im Mai 2023 angekündigten Akquisitionen von Liberty Seguros in Brasilien, Chile, Kolumbien und Ecuador sind abgeschlossen. Talanx ist nun der zweitgrößte Schaden-/ und Unfallversicherer in Lateinamerika und erreicht im Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft Rang 2 in Brasilien, Rang 1 in Chile, Rang 7 in Kolumbien und Rang 15 in Ecuador. Im Jahr 2024 werden wir uns weiterhin im internationalen Geschäft mit Privat- und Firmenkunden auf profitables Wachstum in den Kernregionen in Europa und Lateinamerika konzentrieren. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Bereichen Nicht-Leben und Biometrie-Produkte.

Wie hat der Geschäftsbereich Industrieversicherung zur Stärkung der Position als weltweit tätiger Industrieversicherer beigetragen?

Im Geschäftsbereich Industrieversicherung wuchs der Versicherungsumsatz im Geschäftsjahr 2023 um 10 Prozent auf 9,1 Mrd. EUR. Damit zahlt sich die Strategie des Geschäftsbereichs deutlich aus, als weltweit tätiger Industrieversicherer Partner in der Transformation zu sein und exzellenten Service sowie profitables Underwriting zu bieten. Inzwischen verzeichnet die Industrieversicherung etwa drei Viertel ihres Versicherungsumsatzes außerhalb von Deutschland und führt mehr als 5.000 internationale Programme. Support erhalten Kunden des Geschäftsbereichs durch ein weltweites Netzwerk in mehr als 175 Ländern.

Können Sie die Bedeutung des starken Umsatz- und Ergebniswachstums im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung International erläutern?

Der Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung International ist ein wichtiger Wachstumsmotor für die Talanx-Gruppe. Wir sind in aufstrebenden Märkten aktiv, deren mit dem dortigen Wirtschaftswachstum fortschreitende Durchdringung mit Versicherungsdienstleistungen für uns großes Potential bietet. Der Versicherungsumsatz im Geschäftsbereich erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent auf 7,1 Mrd. EUR. Zum starken Wachstum haben sowohl die Schaden-/Unfallversicherung als auch die Lebensversicherung beigetragen. Rund zwei Drittel des Umsatzwachstums waren organisch. Diese Entwicklung unterstreicht die unverändert starke Wachstumsdynamik des Geschäftsbereichs. In Lateinamerika ist der Geschäftsbereich nach den Zukäufen von Liberty Mutual die Nummer 2 im Schaden-/Unfallgeschäft und steigert nach vollständiger Integration der Zukäufe von Liberty Mutual den Anteil des lateinamerikanischen Geschäfts am Versicherungsumsatz auf 50 (39) Prozent.

Wie bewerten Sie die verbesserte Profitabilität in der Bancassurance innerhalb des Segments Lebensversicherung?

Diese Verbesserung bewerten wir sehr positiv. Sie ist auf ein für die Bancassurance günstiges gesamtwirtschaftliches Umfeld zurückzuführen. Hier macht sich auch bezahlt, dass wir uns mit einer Kombination aus leistungsstarken Produkten, flexiblen Vorsorgelösungen und maßgeschneiderten Zielgruppenkonzepten bei Kooperationspartnern und Kunden als Innovator und Qualitätsanbieter im Vorsorgebereich etabliert haben. Wir betreiben Bancassurance als eigenständiges Geschäftsmodell und richten Produkte und Prozesse zielgerichtet an den Bedürfnissen unserer Kooperationspartner aus, was nachhaltig zu besseren Ergebnissen führt. Darüber hinaus beobachten wir die wirtschaftliche Entwicklung genau und entwickeln unsere Produkte und Services konsequent weiter.

Die Talanx hat eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um den Streubesitz zu erhöhen. Wie wirkt sich dies auf die Handelbarkeit der Aktie und die Position in Aktienindizes aus?

Die Kapitalerhöhung war ein voller Erfolg. Der Streubesitz der Talanx hat sich nach Abschluss der Transaktion von 21,1 Prozent auf 23,3 Prozent erhöht. Die Handelsliquidität, also der durchschnittliche tägliche Umsatz hat sich von rund 4 Mio. EUR auf ein Niveau zwischen 8 bis 10 Mio. EUR etwa verdoppelt. Der höhere Streubesitz hat also positive Effekte auf den täglichen Handel der Talanx-Aktie und festigt ihre Position in Aktienindizes. Die durch die Transaktion zugeflossenen Finanzmittel erhöhen zudem die bereits sehr gute Kapitalausstattung und Flexibilität für zukünftiges Wachstum.

Die Talanx hat ihr Gewinnziel für 2025 vorzeitig erreicht und plant, neue Ziele für den Zeitraum von 2025 bis 2027 vorzustellen. Können Sie einen Ausblick geben, welche strategischen Schwerpunkte die Gruppe in den kommenden Jahren setzen wird?

Die disziplinierte Umsetzung unserer Strategie unterstützt unser Wachstum und die entsprechenden Dividendenzahlungen. Wir werden unsere neuen finanziellen Ziele in Bezug auf Eigenkapitalrendite, Ergebnis und Dividende im Dezember auf unserem Capital Market Day vorstellen. Den nächsten Strategie-Zyklus präsentieren wir 2025.

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