Versicherungsbote: Erklären Sie doch bitte kurz unseren Lesern, was Scalable ist und was Ihr Unternehmen macht.

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Julius Weller: Wir sind eine führende digitale Investmentplattform in Europa. Wir verfolgen das Ziel, allen Menschen zu ermöglichen, zur Investorin oder zum Investor zu werden. Die Co-CEOs Erik Podzuweit und Florian Prucker haben das Fintech im Jahr 2014 gegründet – damals als Robo-Advisor. 2020 kam ein Online Broker dazu. Und heute sind wir in sechs Ländern in Europa aktiv. Aktuell haben wir mehr als 15 Milliarden Euro von über 600.000 Kundinnen und Kunden auf unserer Plattform.

Scalable Capital ist populär speziell bei jungen Anlegerinnen und Anlegern, die „klassische“ Anlagewege (etwa über Bankhäuser) eher scheuen. Was machen Sie anders, sodass Sie diese Zielgruppe erreichen?

Wir sind komplett digital und im Vergleich zu anderen günstiger, schneller und einfacher. Gerade für jüngere Anlegerinnen und Anleger sind die sehr niedrigen Gebühren attraktiv, weil sie eben oft noch keine großen Beträge investieren können. Dadurch macht es einen umso größeren Unterschied, ob man 99 Cent oder bis zu 30 Euro für den Kauf einer Aktie oder eines ETFs zahlt. Bei hohen Kosten lohnt es sich kaum, zu investieren, weil potenzielle Renditen schnell zunichte gemacht werden.

Übrigens gilt das auch für erfahrene Anlegende mit größeren Vermögen. Denn auch sie wollen nicht, dass die Kosten die Rendite schmälern – und wählen lieber eine Trading Flatrate für weniger als fünf Euro pro Monat. Mit dem breiten Anlageuniversum von ETFs und Aktien bis hin zu Anleihen und Derivaten und dem derzeit höchsten Zinsangebot eines deutschen Brokers bieten wir ein umfassendes Angebot. Zusätzlich erwarten längst nicht mehr nur junge Menschen eine intuitive und moderne Benutzeroberfläche und die Option, neben dem PC auch auf dem Smartphone zu investieren.

Bei jungen Menschen erlebt Aktiensparen einen kleinen Boom: rund 600.000 Personen unter 30 wagten sich laut Deutschem Aktieninstitut 2022 aufs Börsenparkett. Trotzdem meiden vier von fünf Personen in der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre noch immer den Aktienmarkt. Was sind aus Ihrer Sicht Gründe für diese Zurückhaltung?

Erstmal ist es sehr positiv, dass die Zahlen von jungen Anlegerinnen und Anlegern stetig steigen. Das liegt erstens am steigenden ETF-Angebot, was viele Vorteile für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger bietet. Zweitens wird immer mehr Wissen zum Finanzmarkt von Medien und Finfluencern vermittelt. Und drittens haben Neobroker den Zugang zum Aktienmarkt vereinfacht.

Dennoch stimmt es, dass der Großteil der Menschen noch nicht investiert. Das muss sich ändern. Viele ziehen das Investieren gar nicht erst in Betracht und glauben, dass sie dafür viel Geld übrig haben müssen. Das stimmt aber gar nicht mehr: Dank Sparplänen ab einem Euro kann man auch mit einem kleinen Budget anlegen.

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Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung ist, dass zukünftige Themen wie eine Familiengründung und ein möglicher Hausbau oder sogar der Renteneintritt in jungen Jahren noch sehr weit weg scheinen. Doch eigentlich ist genau diese Langfristigkeit der größte Vorteil des Anlegens in jungen Jahren. Der Zinseszins-Effekt kommt über längere Zeiträume erst richtig zum Tragen. Daher können selbst kleine Sparraten einen riesigen Unterschied machen – wenn man früh beginnt.

„Wir haben von Beginn an auf Wissensvermittlung gesetzt“

…und was muss ein Finanzdienstleister aus Ihrer Sicht bieten, um junge Menschen für Aktien und Fonds zu gewinnen? (Sofern nicht bereits mit der vorherigen Frage beantwortet – Anmerk. Redaktion)

Um junge Anlegerinnen und Anleger zu gewinnen, versuchen wir einerseits, das Thema präsent in den Alltag zu integrieren – zum Beispiel mit Plakatkampagnen, Erklärvideos auf TikTok, Instagram und Co. oder mit Infoabenden. Andererseits möchten wir auch Medien und Politik auf die Thematik aufmerksam machen, damit auf unterschiedlichen Ebenen – beispielsweise in der Schule – immer mehr Aufklärung stattfindet und Hürden beim Investieren fallen.

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…legen junge Menschen nach Ihren Erfahrungen das Geld anders an? Setzen sie andere Schwerpunkte und bevorzugen sie andere Finanzprodukte als ältere? Oder ist das ein Klischee?

Stichwort “Schwerpunkte” - die setzen eher die älteren Anlegenden. Sie sind nämlich viel aktiver in Einzeltiteln, während gerade die jüngeren Kundinnen und Kunden überwiegend breit gestreut mittels ETFs investieren. Zwar legen auch immerhin 60 Prozent der über 65-Jährigen in ETFs an, in der Altersgruppe der 18- bis 26-Jährigen sind es aber sogar 75 Prozent.

Ansonsten liegt der größte Unterschied in den Beträgen, die unsere Kundinnen und Kunden investieren. Personen, die schon mehrere Jahrzehnte berufstätig sind, hatten mehr Zeit und hatten häufiger die Möglichkeit, größere Beträge zurückzulegen. Mit ihrer disziplinierten Anlage über Sparpläne können die jüngeren Anlegenden diese Lücke aber schnell schließen.

Oft wird in Deutschland die fehlende Finanzbildung der Bevölkerung beklagt. Jüngst stellte wieder eine Allianz-Studie fest, dass mehr als jeder Vierte nur eine „geringe Finanzkompetenz“ besitzt und Themen wie Inflation und Zinseszins nicht einordnen kann. Wie viel Kompetenz braucht es aus Ihrer Sicht, um Scalable Capital zu nutzen?

„Wir haben von Beginn an auf Wissensvermittlung gesetzt“ – und passen die Inhalte auf unsere Kundinnen und Kunden an. Auf TikTok erklären zum Beispiel kurze Beiträge, was ein ETF ist oder illustrieren die Geschichte eines am Aktienmarkt gelisteten Unternehmens. Unsere Blogartikel oder Youtube-Videos steigen hingegen tiefer ein – und erklären beispielsweise Anlagestrategien oder berichten über die jüngsten Marktentwicklungen.

Auch seriöse Finfluencer wie finanzfluss oder Fortunalista leisten einen großen Beitrag, Finanzwissen zu vermitteln. Um Ihre Frage zu beantworten: Die wichtigste Botschaft ist, dass es nicht so komplex ist, wie viele glauben. Genau das Wissen wollen wir verbreiten – und dabei Kundinnen und Kunden erkennen lassen, dass sie die nötigen Kompetenzen für eine intuitive App mit einfacher Bedienbarkeit in den allermeisten Fällen bereits haben. Und das gilt auch für Einsteigerinnen und Einsteiger, die gerade erst mit dem Investieren beginnen.

Was kann getan werden, um hier mehr Finanzkompetenz zu vermitteln?

Insgesamt lässt sich die eigene praktische Erfahrung am Finanzmarkt durch nichts ersetzen. Zwar wäre es sicherlich sinnvoll, in einem Schulfach “Geld” den Unterschied zwischen einem ausschüttenden und einem thesaurierenden ETF, die Besteuerung von Dividenden und vor allem ganz grundlegende Zusammenhänge von Risiko und Rendite zu lernen. Was dabei aber mit dem eigenen Geld passiert, erfährt man am besten, wenn man mit geringen Anlagebeträgen loslegt und es im eigenen Portfolio sieht. Wir begleiten die einzelnen Schritte des Investierens mit Anleitungen, Erklärungen und Hintergrundwissen.

Dabei gibt es ein paar einfache Grundregeln: Achte auf die Kosten, streue das Risiko und behalte im Blick, dass Risiko und Ertragschance immer in einem proportionalen Verhältnis zueinander stehen. Falle also nicht auf Angebote rein, die dir ein sicheres Vermögen in wenigen Tagen versprechen. Jede und jeder sollte im Laufe des Lebens ein eigenes Vermögen aufbauen – und je früher man damit beginnt, desto besser. Wenn die Schule solche Grundlagen vermitteln würde, wäre viel gewonnen. Medien, Influencer und auch wir tragen aber schon jetzt einen wichtigen Teil dazu bei.

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Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2023. Das Magazin kann auf der Webseite beim Versicherungsbote bestellt werden.

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