Versicherungsbote: Kommen wir zur Blackbox Bestandskauf. Vielleicht kannst Du da noch genauer ins Detail gehen? Worauf achtest du, damit Dir nicht nochmal etwas passiert?

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Tino Scraback: Ja – wir lernen von jedem Verfahren. Wir hatten ein Verfahren, da wurde ich als Geschäftsführer mit verklagt, weil wir eine Firma verkauft hatten. Und in der Firma gab es nahezu keine Beratungsdokumentation. Im Kaufvertrag stand diesbezüglich zwar nicht viel drin. Aber der Käufer verklagte mich: Nach Richtlinien hätte das so sein müssen.

Das ging dann vor Gericht – und der Käufer bekam zu einem Teil recht. Im Nachgang gab es eine Kaufpreisreduzierung. Jetzt kann man sagen: ok, nachvollziehbar. Umgekehrt hat die ZVO auch eine Maklerfirma vor einiger Zeit gekauft, für die im Kaufvertrag drin stand: Es gibt eine Beratungsdokumentation. Danach kam heraus: Nein, es gibt keine Beratungsdokumentation. Wir haben versucht, mit dem Verkäufer zu reden: „Hey, das geht so nicht!“ Dann mussten wir den Käufer verklagen – wir handelten also mit der Erfahrung, was mir damals passiert ist.

Allerdings war das vor einem ganz anderen Landgericht. Da wollten wir auch eine nachträgliche Kaufpreisreduzierung – ungefähr in der prozentualen Höhe, wie wir sie damals zwei Jahre zuvor hinnehmen mussten. Vor Kurzem gab es das Urteil: Nein, es gibt keine Kaufpreisminderung, da die Beratungsdokumentation nicht beim Makler zu sein hat, sondern beim Kunden – und wir konnten nicht nachweisen, dass alle Kunden keine Beratungsdokumentation hatten.

Das ist ja auch spannend: Ich wurde einmal auf etwas verklagt, das aus Vermittler-Sicht nachvollziehbar ist, weil ein Mangel reduziert werden musste. Jetzt passiert uns das Gleiche – wir reichen die gleiche Klage ein. Aber es folgt ein komplett anderes Urteil. Und es stimmt ja auch: Die Beratungsdokumentation muss beim Kunden liegen, nicht bei uns. Also müssen wir uns fragen: Worauf achtest Du jetzt?

Worauf muss man denn besonders achten? Beratungsdokumentation ist ja ganz wichtig. Hinzu kommt die Frage: Habe ich von allen einen Maklervertrag, eine Einverständniserklärung zum Datenschutz; das sind ja – ich weiß nicht – etwa sechs oder sieben Dokumente?

Ja, das ist so. Daniel und ich haben ja auch einen Videokurs angeboten und bieten immer noch einen an, den man auch kaufen kann: „Worauf achte ich beim Bestandskauf?“ Oder auch: „Worauf achte ich beim Verkauf?“ Da geben wir genau diese Hinweise. Und die Unterlagen aktualisieren wir alle zwei bis drei Jahre, die wir mit dem Videokurs heraus geben. Und die Aktualisierung richtet sich auch immer nach Sachen, die uns seitdem passiert sind – und bei denen wir selber sagen: „Da müssen wir was besser oder anders machen!“ Ich habe jetzt ungefähr vierzig oder fünfundvierzig Bestände in den letzten Jahren gekauft. Und mit den wenigsten gab es Ärger. Du hast zwar häufig nach dem Kauf eine Diskussion. Aber mit den meisten Käufern oder Verkäufern kriegt man das auch ordentlich hin.

Kannst Du auch etwas über diese Bestände erzählen? Was waren das denn für welche? War in den Beständen querbeet alles enthalten? Oder hast Du Dich auf etwas Besonderes spezialisiert und achtest auf besondere Spezialitäten?

Naja, das ist auch etwas, das zum Thema „Lernen durch Scheitern“ passt. In der Vergangenheit habe ich gern alles gekauft aus den drei Bereichen: Industriegeschäft, kleine und mittlere Bestände und „Online-Geschäft“ – das Steckenpferd der ZVO. Und dann war meine Idee, noch einen Gewerbemakler aufzubauen. Aber der Gewerbemakler ist richtig gescheitert. Mich ärgert auch im Nachgang, dass das nicht funktioniert hat. Meine Idee war: Zusammen mit dem Daniel (Seeger) baue ich eine Zwei-Marken-Strategie auf; einmal die ZVO als Online-Makler sowie ein Geschäft mit Gewerbemaklern. Dazu hatten wir zwei Gewerbemakler aufgekauft – der eine hatte etwa eine Millionen Euro an Einnahmen und der andere hatte etwa 500.000 Euro an Einnahmen. Also der Umfang war beachtlich. Da war die Idee, diese beiden Firmen zusammen zu tun und dafür in anderen Städten weitere Gewerbemakler aufzukaufen. Es war aber klar, dass Daniel und ich das zu zweit nicht hinbekommen. Weil: Daniels Stärke ist der Online-Bereich. Ich bin zudem nicht derjenige, der richtig gut ist, eine Firma zu führen – sondern meine Stärke war schon immer der Vertrieb, ist Kundengewinnung oder auch Maklerbestände-Gewinnung. Deswegen war die Idee, uns extra einen externen Geschäftsführer einzustellen. Dessen Aufgabe sollte sein, die Gewerbemakler zusammen zu führen und weiter aufzubauen.

Daniel und ich, wir haben uns 2021 dann auch mehr zurück gezogen mit den Aufgaben, von denen wir der Meinung waren: da sind wir gut drin. Daniel konzentrierte sich auf das Marketing im Online-Bereich. Und bei mir ging es mehr um vertriebliche Themen. Aber das war ein absoluter Reinfall. Ich würde sogar sagen: Bis heute war es mein teuerster und größter Fehler, nach fünf bis sechs Jahren schon die Verantwortung der Geschäftsleitung aus der Hand zu geben und an jemand externes zu geben – das ging komplett schief.

Aber 2022 war eh ein schwieriges Jahr. Bei der ZVO ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte – auch die Idee, diese zwei Makler zusammenzuführen, war ein Desaster. Vor Ort bei den Mitarbeitern hieß es: also was passiert denn jetzt eigentlich gerade bei der ZVO? Und da haben Daniel und ich die Reißleine gezogen und haben gesagt: „O.K., wir können es nicht – wir können nicht diese Zwei-Marken-Strategie fahren.“ Und dann haben wir uns dazu entschlossen, nur noch die ZVO aufzubauen. Wir werden uns nur noch auf Online konzentrieren. Und die beiden Tochterfirmen sollten wieder verkauft werden.

Die Entscheidung fiel nicht leicht. Weil – die eine Firma hatten wir erst seit einem Jahr, die andere seit drei Jahren. Vor Ort bei den Mitarbeitern war die Enttäuschung natürlich erst einmal groß. Wir mussten uns einfach eingestehen, dass wir nicht in der Lage sind, eine Zwei-Marken-Strategie aufzubauen.

Und vor allem ist für mich die wichtigste Erkenntnis: Die Verantwortung über die Firma geben wir nicht mehr aus der Hand. Daniel und ich halten mehr als drei Viertel der Firmenanteile. Solange es eine junge, eine kleine Firma ist, die sich noch im Aufbau befindet, geben wir die Verantwortung nicht mehr aus der Hand.

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„Immer, wenn die Rendite zu hoch ist, kann es blöd werden“

Habt Ihr die Gewerbe-Firmen mit Verlust verkauft?

Naja: Ich bin gut in dem Thema Bestandsverkauf und -kauf, da hat sich der Markt schon verändert. Wenn Du nur auf den Verkaufspreis schaust, dann war es schon ok. Dann haben wir die beiden schon mit leichtem Plus verkauft. Man darf aber nicht auf die Arbeitszeit für die zurückliegenden Jahre schauen. Ich muss außerdem sagen: Der Verkauf war durch die Verluste im vorigen Jahr notwendig gewesen. Hätten wir so weiter gemacht, dann wäre schon mal jemand aufgetaucht und hätte gefragt: was machen eure Zahlen? Durch den Verkauf konnten aber die Verluste der letzten Jahre ausgeglichen werden.

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Die Verluste kamen durch Corona zustande. Oder?

Nein – Gott! – letztes Jahr gab es kaum noch Auswirkungen durch Corona. Woher kamen die Verluste? Ich versuche mal, es allgemein zu erklären: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hatten wir immer zwei Sachen, die unsere Hauptprodukte waren: Zahnzusatzversicherungen und Immobilien. Damit haben wir richtig Geld verdient. Im Bereich der Immobilien bin ich stark tätig, wir verkaufen diese auch als Kapitalanlage, da bin ich gut im Vertrieb. Und Du hast ja mitbekommen, was im letzten Jahr auf dem Zinsmarkt passiert ist, seit Russland in die Ukraine einmarschiert ist. Also ich habe die ersten Finanzierungen im letzten Jahr, im ersten Quartal, noch mit 1,48 Prozent abgeschlossen. Das war die erste Finanzierung 2022 von einem Kunden. Die letzte Finanzierung, die ich 2022 gemacht habe, war nur etwas Kleines – da war bei den Zinsen schon die „Fünf“ davor. Das heißt aber auch: Das erste Quartal war bei uns noch ganz O.K. Und dann war klar: Es geht bei uns kein Geld mehr in die Immobilienumsätze. Die Immobilien- und Finanzierungsumsätze sind um mehr als 80 Prozent eingebrochen.

Und bei der Zahnzusatzversicherung?

Im Zahnbereich ging es im letzten Jahr auch runter. Die Leute haben nicht gewusst: wie sieht die nächste Stromrechnung oder die nächste Gasrechnung aus? Die Zahnzusatzversicherung ist ja ein Produkt, das eigentlich gut gekauft wird. Die Leute interessieren sich, sie suchen im Internet. Zahnzusatz ist aber zugleich auch ein Luxusprodukt. Da gingen auch die Anfragen zwanzig Prozent bis dreißig Prozent runter. Das war aber absehbar.

In so einer Situation musst du aber als Geschäftsführer reagieren und die richtigen Entscheidungen treffen. Da musst du sagen: „Hey, wir müssen die Abteilungen umbauen und dies und das tun!" Bei der ZVO hat man das aber anders gesehen. Da wurde eher gesagt: „Oh, da ist jemand im Vertrieb, der hat nichts zu tun, den nehmen wir in den Innendienst.“ Oder: „Oh, wir haben einen neuen Prokuristen, wir brauchen noch eine Assistenz.“ Oder: „Die Geschäftsleitung braucht noch eine Sekretärin.“ Also in Zeiten, wo die Umsätze runter gingen, wurde da ein richtiger Wasserkopf aufgebaut.

Das war ein Desaster, das muss man ganz ehrlich so sagen. Und Herr Seeger und ich, wir hatten uns – wie gesagt – vorher rausgezogen, bis wir gemerkt haben, da läuft etwas gehörig schief. Deswegen haben wir das Ganze zur Mitte des Jahres wieder übernommen – da stand auch schon der Plan, die zwei Firmen wieder zu verkaufen. Es war auch klar, dass wir das hinbekommen – die Firmen sind gut, ich hatte die GmbHs ja nicht ohne Grund damals gekauft. Das sind hervorragende Firmen, die stehen hervorragend da. Nur: sie passen nicht zur ZVO.

Die Firmen sind also verkauft worden. Und wir haben jetzt wieder etwas daraus gelernt: wir geben die Verantwortung nicht mehr aus der Hand. Daniel und ich machen das, womit wir uns auskennen. Das ist der Online-Bereich, das sind kleinere Bestandskäufe, wir machen nichts mehr links und rechts davon. Das wird uns nicht mehr passieren. Aber 2022 war ein furchtbares Jahr, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Zum Glück ist das Jahr ja jetzt vorbei. Ein anderes Thema hatten wir im Vorgespräch schon mal erwähnt: als Du diese Holding gekauft und aufgebaut hast mit vielen verschiedenen Firmen, da hast Du ja auch auf mehreren Hochzeiten getanzt – auch auf solchen, auf denen man als Ehemann nicht tanzen sollte. Den Rest sagst besser Du.

Den Rest sage ich. Naja: meine Frau weiß ja zum Glück über mein ganzes Leben Bescheid. Deswegen ist sie mit mir verheiratet. Außerdem war es schon etwas her. Ich hatte gerade meine Firma verkauft, ich hatte immer gut verdient. Aber ich hatte auch immer gern Geld ausgegeben und nie Geld „auf der Seite“. Aber durch den Firmenverkauf hatte ich plötzlich wirklich Geld – einen siebenstelligen Betrag. Und da habe ich mich gefühlt wie der Größte. Das lief alles super. Ich hatte mit Daniel schon die ZVO gekauft, mit unserer Beteiligungsfirma. Aber Daniel machte damals erst einmal viel allein als alleiniger Geschäftsführer. Und ich kam auf die Idee: Ich mache jetzt alles, was mir Spaß macht – und was ich glaubte, zu können.

Ich kaufte dann ein Restaurant – da war ein Hotel dabei und eine Kellerbar. Außerdem kaufte ich – das hat mich schon immer gereizt – ein Bordell. Meine damalige Firma hatte zuvor schon viele Bordelle versichert, da hatte ich Kontakte, rein beruflich. Und nun kaufte ich hier in der Gegend wirklich ein geiles Hotel; zusammen mit einer Geschäftspartnerin, die alles leitet. Das Establishment war sehr nobel. Und mit einem Freund, mit dem ich damals schon zusammen meine alte AG hatte, beteiligten wir uns noch mal an zehn bis fünfzehn Firmen.

Das klingt aber so, als hättest Du jetzt einige Träume verwirklichen können – mit Deinen spannenden Beteiligungen.

Ja! Und weißt Du was: Nichts davon hat funktioniert. Das Bordell war zuerst zahlungsunfähig. Wir gehen jetzt besser nicht darauf ein, warum. Das Hotel-Restaurant hat auch nicht funktioniert. Die ganzen anderen Beteiligungen, auch mit Daniel – ich hatte ja mit ihm auch mehrere Beteiligungen, die ZVO war nur eine von denen –, haben alle ebenfalls nicht funktioniert. Wir hatten uns auch an Start-ups beteiligt – mal hier eine Idee, mal da eine Idee –, das hat alles nicht funktioniert. Und da kann ich auch nur sagen, dass meine Erkenntnis war: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!"

Und wie viele Beteiligungen habe ich heute? Ich habe die Seeback -Beteiligung. Ich habe die ZVO. Und dann gibt es die Beteiligung an der One2mrktng GmbH, bei der ja auch Daniel Seeger der Geschäftsführer ist. One2mrktng – der größte Kunde ist die ZVO.

Also: ich mache nichts mehr links und rechts, sondern folge dem Spruch: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Es gibt ja noch einen anderen Spruch, den man in Deutschland häufig hört – „Mach, was dir Spaß macht!“ Und da muss ich sagen: „Nein!“ Also: Mein Bordell hat mir Spaß gemacht, mein Restaurant hat mir Spaß gemacht, meine Kellerbar hat mir Spaß gemacht. Die vielen Beteiligungen an den Startups haben mir Spaß gemacht. Aber wir haben kein Geld damit verdient. Deswegen lautet die Devise: „Mach immer erst das, was du wirklich kannst und worin du gut bist!" Das macht meistens auch Spaß – aber nicht immer. Ich habe echt schon viele Leute kennengelernt, denen Personalführung Spaß macht – aber sie konnten es nicht. Mach das, was du kannst. Wir sind so eine hedonistische Gesellschaft – es muss alles Spaß machen. Man kann aber auch Spaß und Beruf mal trennen. Mach das, worin du gut bist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass du erfolgreich wirst und dass du durch deine Erfolge auch mehr Spaß gewinnst.

Ich habe viele Freunde – darunter ist auch ein sehr guten Freund von mir – die tanzen auf vielen Hochzeiten und haben viele Beteiligungen und hier und da noch ein zweites Standbein. Ich kann nur warnen: Verzettel dich nicht. Lass dich nicht immer so ablenken, sondern konzentriere dich auf das Wesentliche. Mache nicht viele Sachen, sondern mache eine Sache richtig – und zwar die, die du kannst.

Also würdest Du sagen: Hier sollte man nicht diversifizieren?

Ja, würde ich! Mache das, was du kannst, ganz. Hüte dich davor, dich zu verzetteln.

Aber beim Aktiengeschäft ist das Diversifizieren ja wichtig.

Ja, also: Aktiengeschäft! Da kann ich auch vom Scheitern erzählen! Darin bin ich auch nicht so gut! Oje – das machst Du jetzt mit Absicht, ja? Bei Hochwasser steigen alle Flüsse. Aber im Ernst: Zu den Aktien kam ich ja neu durch Corona. Als wegen Corona alles heruntergefahren wurde und mir langweilig war, habe ich auch mit Aktien angefangen – und zuerst auch gutes Geld verdient. Es gab noch nie so viele Depot-Eröffnungen wie in dem Corona-Jahr. Über die Folgen dieses Engagements habe ich im Buch auch sehr offen geschrieben.

Im Ergebnis habe ich 2019 und 2020 durch die Börse wirklich viel Geld verdient. Sogar mit den klassischen Kryptowährungen – Bitcoin, Ether – habe ich gutes Geld verdient. Und ich dachte schon: Geil, das wird noch mein passives Einkommen. Aber das, was ich in dieser Zeit für mich aufbauen konnte, habe ich in 2022 innerhalb von drei Monaten komplett wieder verloren. Das Depot war nicht gut. Viele Leute – auch bei Facebook – haben mich noch gewarnt: „Tino, du bist da zu schnell rein und zu schnell wieder raus ... und oje, deine Hebel!" Denn ich habe natürlich auch Hebelgeschäfte gemacht. Wir haben eine Bürogemeinschaft mit Davor Horvat, dem Honorar-Anlageberater, der kennt sich natürlich wirklich vorzüglich mit Aktien und Portfolios aus. Und der hat nur mit dem Kopf geschüttelt. Wenn Du ein Buch schreiben willst: „Welchen Fehler kann man machen beim Aktienkauf“ – auch hier gibt es keinen, den ich ausgelassen habe. Das war erneut ein Desaster.

Aber das hat auf der anderen Seite auch wieder Spaß gemacht – manchmal braucht man auch ein bisschen Bauchkribbeln. Ein Allianz-Depot – das ist jetzt nicht meine Welt. Weißt Du: Ich habe eine Firma, die einigermaßen gut läuft. Ich habe Immobilien. Und manchmal muss man halt auch schon ein bisschen mutiger sein. Ich traue mich aber, darüber zu schreiben – bei Facebook zum Beispiel. Ich habe nicht nur geschrieben, wenn alles gut lief, sondern auch über Verluste. Das gehört dazu. Aber wenn man seriös und solide etwas mit Aktien machen möchte – dann bitte nicht so, wie ich.

Das ist dann also Dein nächstes Buch, das kommt: „Vermeiden Sie diese 29 Fehler an der Börse“.

In der Tat. Oder man sollte hier einfach wirklich auf Profis hören. Also da gibt es wirklich Leute wie den Davor Horvat, der auf Honorarbasis berät – die kennen sich richtig gut aus. Wer etwas mit Aktien machen will, mit ETFs, der sollte zu solchen Profis gehen wie die Honorarfinanz AG. Und Experten wie Davor Horvat, die beraten wirklich ordentlich.

Ich muss aber auch dazu sagen: ich gebe auf diesem Gebiet keine Tipps. Mich haben Leute angeschrieben und wollten wissen: was halte ich von dieser oder jener Geldanlage. Da kann ich nur sagen: Lasst mich in Ruhe! Ich schreibe hier immer nur über meine Erlebnisse, meine Erfahrungen. Ich berate in diesem Bereich nicht. Womit ich glaube, mich auszukennen, das sind Immobilien. Da habe ich eine gewisse Erfahrung und da bin ich auch ein bisschen weniger gescheitert. Wobei: der Daniel Seeger schlägt mich jetzt bestimmt für diese Aussage. Wir hatten etwas vor im Osten – in Cottbus zum Beispiel. Wir haben ein Mehrfamilienhaus in Chemnitz gekauft – da kann man auch nur sagen: Oje! Aber auch hiervon kann man lernen: Immer, wenn die Rendite zu hoch ist, kann es blöd werden. So ist das auch bei Immobilien. Ich habe zwei Mal in meinem Leben ein Mehrfamilienhaus gekauft, wo die Rendite jeweils bei über zehn Prozent liegen sollte. Aber es gibt nichts, womit ich jemals mehr Geld verloren habe als mit diesen zwei Häusern.

Hat es grundsätzlich etwas mit Investitionen im Osten zu tun, sind hier die Risiken besonders hoch?

Nein, das kann man so nicht sagen. Wir haben viele Immobilien im Osten. Und die meisten laufen super. Erfurt ist hier meine absolute Lieblingsstadt. Ich habe mit meiner Frau etwa fünfzehn bis sechzehn Einheiten in Erfurt. In Gotha habe ich Wohnungen, die laufen alle super. Auch in der Nähe von Dresden. Aber Gera, Chemnitz – da war die Gier wohl wieder zu groß. Da sollte es dreizehn Prozent Rendite geben oder sogar zwanzig Prozent – und zwar nachweislich schon, bevor ich Interesse angemeldet habe und gekauft habe. Das klingt erst mal super. Aber: Je höher die Rendite, desto höher die Gefahr. Dieser Grundsatz hat auch hier gestimmt und wird wohl immer so stimmen.

Zur Fehlerkultur in Deutschland: Wie würdest Du diese einschätzen? Wir hatten vorhin ja schon mal den Vergleich mit Amerika. In Deutschland redet man auch oft darüber, dass es eine neue Fehlerkultur braucht. Denkst Du, dass es hier eine Entwicklung gibt? Oder fehlt diese noch ganz?

Also: Fehler haben ja zwei Seiten, darüber habe ich auch in meinem Buch geschrieben – warum stehe ich da, wo ich heute stehe? Ich hatte in meinem Leben immer Vorbilder, an denen ich mich orientiert habe, die auch ehrlich waren, von denen ich auf meinem Weg viel mitbekommen habe. Mein erstes Vorbild war mein Vater, da habe ich viel Positives gelernt, aber auch mindestens genauso viel Negatives. Ich hoffe, das hört er nicht. Aber ich hab auch wirklich viel gelernt, wie es nicht geht durch meinen Vater. Und das Gleiche kann ich durch meinen ersten Geschäftspartner sagen, mit dem ich meine erste Maklerfirma gegründet habe. Da habe ich viel gelernt, wie es geht; aber auch, wie es nicht geht. Und daher ist es wichtig, dass man über Fehler redet. Dazu gehört zunächst, sich Fehler einzugestehen.

Das Problem ist einfach – wenn ich mich mit vielen Leuten unterhalte, sehen diese die Schuld an ihrem Scheitern immer bei den anderen. Das gehört auch zur typisch deutschen Fehlerkultur: zwar über Fehler reden, aber sich keine eingestehen. In der Tat verhält es sich in den USA ganz anders. Da kann man offen darüber reden, über sein Scheitern. Und dadurch gestehen sich die Leute vielleicht auch mehr ein. Ich habe mal bei einem Unternehmer gelesen, einem Milliardär: für jede Milliarde, die er machte, war er ein Mal insolvent.

Es gibt natürlich auch viele Menschen, die ebenfalls oft insolvent waren, aber keine Millionäre oder sogar Milliardäre werden. Was machen die denn falsch? Zu viele Fehler?

Naja: zum einen muss man ja überhaupt erst einmal Millionär werden wollen. Manchen ist vielleicht auch die Work Life Balance wichtiger, oder sie verfolgen andere Ziele. Also man muss schon eine gewisse Zielstrebigkeit entwickeln. Auf der anderen Seite darf man diese Ziele aber auch nicht zu radikal verfolgen, ein erfolgreicher Unternehmer braucht eine gewisse Gelassenheit.

Ich bin jetzt seit 20 Jahren Millionär, habe gerade ein Einfamilienhaus gebaut – das allein hat eine Millionen gekostet. Aber ist das Ziel, Millionär zu werden, immer erstrebenswert? Wichtiger ist, dass du in der Finanzbranche ein ordentliches Einkommen hast, um deine Kunden gut zu beraten. Also angenommen, du vermittelst jetzt Berufsunfähigkeitsversicherungen, Altersversorgung oder Private Krankenversicherungen – berätst du dann einen Kunden gut, wenn du weißt, du brauchst unbedingt die Provision für die nächste Miete oder für das Schulgeld der Kinder? Wie kannst du dann gut beraten? 90 Prozent bis 95 Prozent der Vermittler arbeiten noch auf Provisionsbasis. Ich bin überhaupt kein Gegner der Provisionsberatung. Aber ehrliche Beratung muss man sich leisten können – und zum Beispiel sagen können: „Hey, du warst jetzt beim Psychologen, da stellen wir die private Krankenversicherung für zwei Jahre erst einmal zurück.“

Ich bin überzeugt: Die meisten Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler sind sympathische Typen. Da gibt es nicht so viele, die einen Kunden schädigen wollen und sich sagen: „Ich mache jetzt PKV, weil ich zum Beispiel Porsche fahren oder eine Rolex haben will!" Sondern die Vermittler wollen ihre Familien ernähren und halt die nächsten Jahre auch mal in den Urlaub fliegen. Wenn diese Vermittler so wenig verdienen, dass sie aus der Not heraus vermitteln, wird das zu einem großen Problem. Aber wenn ich mir all das leisten kann – ich meine Familie ernähren kann und mal in den Urlaub fliegen kann – dann ist alles in Ordnung.

Siehst Du da auch einen Paradigmenwechsel in der Branche?

Naja: Dieses Ding – man muss unbedingt Millionär werden – ist, glaube ich, typisch 90er Jahre. Damals bin ich ja in die Finanzdienstleistung gekommen, zur Deutschen Vermögensberatung. Da hieß es: In sieben Jahren bist du Millionär. Warum also soll ich nach dem Abitur noch studieren? Für meine Eltern war das ein Desaster. Viele in der Finanzbranche hatten die Erwartung, schnell reich zu werden. Und das war nicht gut. Die klassischen Quereinsteiger hatten oft nicht viel hinbekommen. Da merke ich schon einen Paradigmenwechsel.

Und das finde ich super: Ich habe auch heute gute Kontakte zur Deutschen Vermögensberatung, die bei uns Maklern ja noch immer sehr verpönt ist. Aber auch zu jungen Maklern. Und da geht es wirklich nicht mehr um schnellen Reichtum. Da ist die Work Life Balance wichtiger, die Beratung der Zielgruppe, da geht es wirklich um die Freude an dem Job. Aber man will eben auch ordentlich Geld verdienen für die Familie. Bei älteren Maklern um die 40, 50 ist das noch wichtiger, die werben öfters mit Reichtum, das sieht man bei Instagram oder Facebook. Aber den jungen Maklern ist Reichtum nicht mehr so wichtig.

Wir haben schöne Sachen gehört, auch über die Eigenschaften, die man mitbringen muss, um mit Scheitern umzugehen – zum Beispiel Gelassenheit. Freunde spielten auch eine Rolle. Wie würdest Du diese Liste fortsetzen? Was braucht man, um erfolgreich mit dem Scheitern umzugehen?

Zum einen ist es auch eine Charakterfrage. Und es ist die Erkenntnis, dass ein gewisses Scheitern auch in unserer Branche dazu gehört. Ich kann ja nicht sagen: „Ich will Lehrer werden, aber nichts mit Schülern zu tun haben." Oder? Und ich kann auch nicht sagen: „Ich will Journalist werden, aber Schreiben macht mir keinen Spaß.“

Und als Vermittler, als Makler habe ich zwei Möglichkeiten. Entweder wünsche ich mir ein ruhiges Leben – ich möchte meine Kunden beraten und davon leben und sonst gar nicht so viel. Dann hast du auch mal Kunden, die verärgern dich, die kündigen einen Vertrag etc. – das nimmst du halt einfach zur Kenntnis. Ansonsten machst du deinen Job. Oder du willst Erfolg haben, Millionär werden, einen Porsche fahren. Dann bewegst du dich auf der Überholspur, dann gibst du richtig Gas. Aber dann hast du eben auch das Risiko. Je mehr Erfolg du willst, desto mehr Risiko gehst du ein. Aber dann hast du auch ein hohes Risiko, zu scheitern. Aber daran muss man sich gewöhnen. Wer ein hohes Risiko eingeht, wird auch häufiger einen Gerichtstermin haben, häufig auch mal Geld verlieren, häufiger auf falsche Ratgeber oder falsche Mitarbeiter setzen. Aber er sollte sich darüber nicht beklagen, sondern sich darüber klar sein, dass er ein höheres Risiko eingeht – und deswegen auch scheitern kann. Das gehört, verdammt noch mal, dazu.

Also gehen viele zu hohe Risiken ein, ohne die Konsequenzen zu tragen?

Ja. Ich habe es schon als Kind aber anders gelernt. Meine Eltern waren immer selbstständig, ich habe die zwei Seiten der Medaille eben auch als Kind mitbekommen, wenn man nach Erfolg strebt.

Also ich kenne noch die Zeiten, wo wir an Weihnachten nach Florida geflogen sind, eine Kreuzfahrt gemacht haben und – ja! Ein Jahr später hieß es: zu Weihnachten wird es dieses Jahr nur ein kleines Geschenk geben, weil irgendwas schief gegangen ist. Mein Vater war auch immer sehr extrem mit diesen Themen, daher kannte ich das schon früh. Natürlich ist auch die Familie wichtig, um erfolgreich mit dem Scheitern umzugehen.

Und die einen Rückhalt geben.

Und mit denen man sich austauschen kann. Wichtig ist auch der Austausch mit Kollegen, Freunden. Ich halte den Spruch für einen der besten überhaupt: „Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist.“ Wenn du Unternehmer bist und hast nur Beamte um dich herum oder Angsthasen, wird es schwierig. Sind in deinem Umfeld aber viele Selbstständige und viele Unternehmer, kannst du dich gut austauschen.

Ich habe manchmal auch Zeiten – das mag jetzt böse klingen – da läuft es bei mir nicht so gut; und dann unterhalte ich mich mit Freunden und merke, dass es denen viel schlimmer geht. Dann denke ich: „Buh, so schlimm ist es bei mir nicht.“ Das ist aber gar nicht böse gemeint, ich äußere das gegenüber den Freunden auch nicht. Aber die eigenen Erfahrungen mit anderen Erfahrungen abzugleichen, das kann helfen, einen zu erden.

Aber der Umgang mit Scheitern ist auch eine Typ-Frage. Ich bin gut in stressigen Situationen, also: ich mag auch mal Stress. Wenn man 20 Jahre selbstständig ist, lernt man auch aus schlechten Zeiten – dann reagiert man zack zack und weiß schneller, was zu tun ist. Damals 2007 und 2008, als das mit der Geldanlage schief ging, sagte ich mir: „Das will ich nie wieder haben!" Oder letztes Jahr, als Daniel und ich die Verantwortung der Geschäftsleitung abgaben und das scheiterte: Das war mit das Krasseste, was mir passiert ist. Aber mit der Zeit lernt man auch, was in solchen Situationen zu tun ist – und dass wir zum Beispiel das Ruder wieder an uns reißen müssen.

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Dass wir uns falsch entschieden haben, hat uns viel Reputation gekostet, auch bei den Mitarbeitern. Das muss ich natürlich auch sagen, weil: Mitarbeiter verlassen sich auf die Führungskraft. Und dann mussten durch die Fehler Mitarbeiter auch die Firma verlassen. Das war schon eine schwere Zeit, die mir bis heute leid tut. Aber auch das soll nicht noch einmal passieren. Also die nächsten fünf Jahre ist definitiv ausgeschlossen, dass wir das Ruder wieder aus der Hand geben.

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