Rainer Dulger ist Geschäftsführer eines Familienunternehmens, dem Maschinenbauer Prominent GmbH: und seit November 2020 Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). In einem Interview mit der Webseite t-online.de fordert der 59jährige eine umfassende Sozialreform. Er warnt vor einem Zusammenbruch des Rentensystems, sollten diese ausbleiben.

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"Arbeit ist das Fundament des gesellschaftlichen Wohlstands"

Ausgangspunkt des Interviews ist die Debatte über die Vier-Tage-Woche. Hier plädiert Dulger für einen positiveren Begriff von Arbeit. Wenn er morgens das Frühstücksfernsehen anschalte, würden die Moderatoren häufig zählen, wie viele Tage es noch bis zum Wochenende seien. Er könne das nicht mehr hören, sagt Dulger. „Wenn uns ständig eingeredet wird, dass es uns mit weniger Arbeit besser geht, dann wollen das auch mehr Menschen ausprobieren. Dabei ist Arbeit das Fundament unseres gesellschaftlichen Wohlstandes. Sie finanziert unsere sozialen Sicherungssysteme, stiftet Sinn und gibt uns Halt – gerade in diesen Zeiten“, so der Arbeitgeberpräsident.

Bereits heute könnten Beschäftigte mit ihren Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten aushandeln, argumentiert Dulger weiter: Die Politik solle sich bei solchen Diskussionen raushalten. Gleichwohl sieht er die Notwendigkeit besserer Rahmenbedingungen, um das Arbeitskräftepotential in Deutschland auszuschöpfen. Vor allem eine „bessere und längere Kinderbetreuung“, weil viele Mütter noch immer in Teilzeit arbeiten müssten. Derzeit habe Deutschland aufgrund des Fachkräftemangels einen Arbeitnehmermarkt: Wer mit den eigenen Arbeitsbedingungen unzufrieden sei, habe gute Chancen, einen neuen Job zu finden.

"Wenn wir weniger arbeiten, wird Rente unfinanzierbar"

Eine Viertagewoche aber gefährde den Wohlstand: der ohnehin gefährdet sei. „Wenn in den nächsten zehn Jahren die Babyboomer-Generation in Rente geht, verlieren wir pro Jahr rund 400.000 qualifizierte Berufstätige. Die werden dann von Beitragszahlern zu Beitragsempfängern“, so Dulger. Aktuell würden zu wenige junge Menschen nachrücken. „Wenn wir dann aber noch weniger arbeiten, wird das Rentensystem in seiner aktuellen Form unfinanzierbar“, sagt der Unternehmer.

Neben Müttern gebe es weitere Zielgruppen, die angesprochen werden müssten, um inländisches Potential zu heben. So gebe es jährlich rund 50.000 Schulabgänger ohne Abschluss und etwa 30 Prozent der Studenten, die ihr Studium vorzeitig abbrechen würden, argumentiert Dulger. „Dieser Bildungsskandal aber wird hingenommen. Das dürfen wir doch nicht mehr zulassen!“, mahnt er. Die Bundesarbeitsagentur würde die Adressen von Studienabbrechern aus Datenschutzgründen zurückgreifen, sodass Unternehmen diese Zielgruppe nicht für Weiterbildungsangebote anschreiben könne.

In der Reform der Sozialsysteme sieht Dulger eine der wesentlichen Aufgaben, die neben der Bekämpfung des Fachkräftemangels angegangen werden müssten. „Aufgrund des demografischen Wandels werden wir absehbar in allen Sozialversicherungszweigen finanzielle Probleme bekommen. Wenn wir die Beiträge erhöhen, würde das den Wirtschaftsstandort Deutschland stark belasten, deswegen können wir das nicht machen“, sagt er. Auch mehr Steuergeld für das Rentensystem sei keine Lösung, weil das Geld dann für Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder auch Kinderbetreuung nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Notwendigkeit von ausgabensenkenden Strukturreformen der Sozialversicherung sei unumstritten.

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Der Arbeitgeberpräsident fordert, dass die Bundesregierung einmal im Jahr einen Bericht über die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung vorlegt. Hier fehle es an Zahlen und an einer ehrlichen Debatte. Zudem hält er eine Anhebung des Rentenalters für unvermeidbar. "Angesichts der alternden Gesellschaft führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen alle länger arbeiten. Sonst bricht das Rentensystem zusammen", so Dulger. Zudem unterstütze er den Vorschlag der CDU, die "Rente mit 63" sofort abzuschaffen.

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