Wohngebäudeversicherung wird teurer

Wohngebäudeversicherungen funktionieren in der Regel nach dem Prinzip der Gleitenden Neuwertversicherung – Ziel dieses Prinzips ist es, den Versicherungsnehmer vor einer Unterversicherung seines Gebäudes zu schützen. So gibt es einerseits einen normierten Wohngebäude-Wert und andererseits einen Anpassungsfaktor, der sich ändernde Löhne und sich ändernde Baupreise abbilden soll.

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Grundlage ist der Versicherungswert 1914 – hierfür wird der Wert eines Wohngebäudes in Orientierung an historische Preise ermittelt. Obwohl historisch überholt, ermöglicht der Versicherungswert 1914 eine Standardisierung der Wertberechnung. Der Anpassungsfaktor hingegen orientiert sich am aktuellen Baupreisindex sowie am aktuellen Tariflohnindex. Beide Indizes werden durch das Statistische Bundesamt (Destatis) bekannt gegeben.

Der Baupreisindex geht zu 80 Prozent und der Tariflohnindex zu 20 Prozent in die Berechnung des Anpassungsfaktors ein. Wird der Versicherungswert 1914 mit dem Anpassungsfaktor multipliziert, ergibt sich daraus die Versicherungssumme, mit der ein Gebäude versichert ist. Das Jahr 2022 aber verheißt für den Anpassungsfaktor nichts Gutes – Lieferengpässe, Materialknappheit und gestiegene Energiepreise wirken sich verteuernd auf den Baupreisindex aus. Insbesondere Baustoffe mit einer energieintensiven Herstellung zeigen dies: gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2021 hat sich Stabstahl um 40,4 Prozent verteuert, Blankstahl um 39,1 Prozent, Betonstahlmatten verteuerten sich um 38,1 Prozent und Flachglas sogar um 49,3 Prozent. Insgesamt verteuerten sich die Preise für den Neubau von Wohngebäuden im Jahresdurchschnitt 2022 um 16,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, führt das Statistische Bundesamt aus – dies ist die höchste gemessene Veränderung gegenüber einem Vorjahr seit Beginn der Erhebung im Jahr 1958. Im Gebäudebau gibt es also einen Teuerungsrekord.

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Das wirkt sich auch auf die Indizes aus – und damit auf den Anpassungsfaktor. Der Faktor steigt für das Jahr 2023 um rund 15 Prozent. Folglich steigen auch Prämien, und zwar mindestens um 15 Prozent. Experte Nico Strecker von der Asspick Versicherungsmakler GmbH berichtet im Versicherungsbote-Interview sogar von Beitragssteigerungen in der Spitze von 30 Prozent je nach Tarifmodell.

Kostenpunkt Klimawandel

Nicht nur Energiekrise und Materialknappheit führen zu einer Verteuerung der Wohngebäudeversicherung. Darüber hinaus verursachen besonders extreme Wettererscheinungen aufgrund des Klimawandels immer höhere Schäden. Auswirkungen zeigen insbesondere Zahlen für das Unglücksjahr 2021, als Sturmtief Bernd eine Schadenlast von 8,2 Mrd. Euro für die gesamte Versicherungswirtschaft verursachte. In 2021 stieg die Schadenquote der Wohngebäude-Branche von 62,08 Prozent auf bedrohliche 99,74 Prozent; die Schaden-Kosten-Quote (bzw. Combined Ratio) kletterte von 89,50 Prozent auf 127,57 Prozent. Folglich überstiegen Schadenaufwendungen und weitere Kosten die Prämieneinnahmen deutlich. 37 Versicherer schrieben rote Zahlen.

Auch Hausrat leidet am Klimawandel

Doch damit nicht genug. Denn auch die Hausratversicherung leidet unter extremen Wetterereignissen, wie die Combined Ratio über 50 Unternehmen hinweg für 2021 zeigt. Lange war Hausrat das lukrativste Geschäft der Komposit-Sparte, in 2021 aber verschlechterte sich die Schaden-Kosten-Quote um 22,40 Prozentpunkte auf hohe 90,95 Prozent. So kam es auch, dass insgesamt 17 Hausratversicherer rote Zahlen schreiben mussten.

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Zwar ist diese Verschlechterung wesentlich auf Unwettertief Bernd zurückzuführen – in 2022 normalisierte sich das Geschäft wieder. Aber da extreme Wetterereignisse häufiger werden, geraten selbst Geschäftsbereiche unter Druck, die zuvor als „sichere Bank“ galten.

Unfallversicherung: Profitabel mit Nachfrage-Sorgen

Folglich gehört aktuell die Unfallversicherung noch zu den wenigen Sach-Zweigen, die nicht krisengeschüttelt sind. Auch im Krisenjahr 2021 war die private Unfallversicherung profitabel, mauserte sich aufgrund einer Schaden-Kosten-Quote von 78,89 Prozent sogar zum lukrativsten Komposit-Zweig. Allerdings stagniert in der Unfallversicherung die Nachfrage: von den 50 größten Unternehmen müssen 34 einen Bestandsschwund hinnehmen. Kommen keine jungen Kunden nach, nimmt dies Einfluss auf die Unfallwahrscheinlichkeit: ältere Menschen haben eine größere Unfallgefahr, die Schadenquoten könnten folglich auch hier steigen. Demnach übt der demografische Wandel Druck auf die Unfallversicherung aus.

Die Zukunft der Sachversicherung: Wappnen gegen Teuerungen

Wie aber sieht nun die Zukunft der Sachversicherung aus? Die Inflation trifft die Sachversicherung gleich doppelt: Prämien aus dem Vorjahr werden zur Deckung von Schäden und Kosten oft bei weitem nicht mehr ausreichen, zudem müssen Rückstellungen für bereits eingetretene Schäden teilweise drastisch erhöht werden. Die größten Sorgen hat sicher die Wohngebäudeversicherung: Hier wird es zu weiteren Prämienanstiegen kommen müssen. Ein Ende der Prämien-Rallye ist nicht in Sicht.

Aus Sicht von Makler Nico Strecker könnte die Einführung einer Selbstbeteiligung mit Nachlass helfen – der Experte sagt eine Zunahme von Selbstbehalt-Tarifen in der Wohngebäudeversicherung voraus. Ebenso empfiehlt er eine Bündelung von Risiken oder eine Kompensation aus anderen Sachsparten.

Für die Prävention bieten sich Möglichkeiten der digitalen Vernetzung an wie das smarte Zuhause – als Beispiel genannt seien sogenannte Wasserwächter, die Wasserleitungen überwachen und Hausbesitzer bei Leckagen warnen. Allerdings ist die Digitalisierung der Wohngebäude nicht nur Segen, sondern schafft auch neue Risiken. Diesbezüglich ist die Branche noch relativ unerfahren.

Überhaupt wird es vonnöten sein, Risiken im Portfolio gründlich zu analysieren, Spielräume zu erkennen und durch flexibles Produktdesign darauf zu reagieren. Das empfiehlt Stefanie Schriek, Versicherungsexpertin bei WTW Deutschland. Hierzu braucht es Qualität und Schnelligkeit – vom Monitoring über das Underwriting bis zur Rabattsteuerung. Aber auch hier kommt man um höhere Prämien nicht drum herum. Die Expertin schreibt: „Von der Unternehmensführung bis zur Vertreterin – alle müssen verstehen, wo die Reise hingeht und dass die Preise teilweise deutlich angepasst werden müssen.“

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Hinweis: Der Text erschien zuerst im kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 01/2023.

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