Unternehmen und Arbeitgebende müssen sich schnell auf großangelegte Veränderungen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen einstellen. Denn die schon 2019 beschlossene Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union wurde zum 1. August 2022 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt. Somit gelten diese neuen Regelungen für alle Arbeitsverhältnisse auch in Deutschland, und zwar für alle Unternehmen aus allen Branchen.

Anzeige

Rebekka De Conno ist angestellte Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz & Partner mbB in Mönchengladbach.

Das hat unmittelbare Auswirkungen für die Gestaltung neuer Arbeitsverträge, und zudem sind bei Änderungen oder Anpassungen auch Altverträge betroffen. Im Kern geht es darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird.

Richtlinie gilt für alle Arbeitnehmenden in der Europäischen Union

Dafür sieht die Richtlinie unter anderem eine Erweiterung der Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses vor und enthält die Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, auf Mehrfachbeschäftigung, auf die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, auf das Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie zu Pflichtfortbildungen.

Die Richtlinie gilt für alle Arbeitnehmenden in der Union, die nach den Rechtsvorschriften, Kollektiv- beziehungsweise Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen ist.

Arbeitgebende treffen durch die neuen Regelungen eine Vielzahl weiterer Verpflichtungen. Dazu gehört die Unterrichtung über das Arbeitsverhältnis mit der Pflicht zur Unterrichtung unter anderem über die Personalien der Parteien des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsort beziehungsweise – falls die Tätigkeit nicht nur an einem Arbeitsort erbracht werden soll – der Hinweis darauf, dass der Mitarbeiter an verschiedenen Orten beschäftigt werden darf, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls Dauer und Bedingungen der Probezeit, Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, Dauer des bezahlten Urlaubs und zahlreiche weitere Elemente des Arbeitsvertrags.

Anzeige

Die Informationen müssen Arbeitnehmern individuell zwischen dem ersten Arbeitstag und spätestens dem siebten Kalendertag in Form eines oder mehrerer Dokumente schriftlich zur Verfügung gestellt werden. Bestimmte Informationen können individuell innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung mitgeteilt werden.

Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage schriftlich niederlegen

Ebenso werden Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen formuliert. Dazu zählen Informationen über die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Zusatzmaßnahmen bei Abrufverträgen, der Übergang zu einer anderen Arbeitsform und sonstige Mindestanforderungen wie kostenlos möglichst während der Arbeitszeit anzubietende Pflichtfortbildungen. Ebenfalls ist das für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden „einzuhaltende Verfahren“ und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage schriftlich niederzulegen.

Auch wenn viele Arbeitsverträge bereits bisher bei den Kündigungsregelungen einen Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform sowie die geltenden Kündigungsfristen erhalten haben, wird kaum ein Arbeitsvertrag eine Regelung aufgenommen haben, wonach die Kündigung wirksam ist, wenn der Arbeitnehmende die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nach den §§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) versäumt.

Anzeige

Ein Verstoß kann mit einer Geldbuße bis zu 2000 Euro einhergehen

Aus diesen Regelungen folgt ein erheblicher Anpassungs- und Umsetzungsbedarf für Unternehmen und Arbeitgebende. Sie sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn die EU-Regelung fordert die Mitgliedsstaaten auf, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für die Nichtbefolgung festzulegen. Die Neuregelung des Nachweisgesetztes sieht daher vor, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der eine der genannten wesentlichen Vertragsbedingungen nicht richtig, nicht vollständig und in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig niederlegt. Ein Verstoß kann dann mit einer Geldbuße bis zu 2000 Euro einhergehen. Dies kann je nach Anzahl der Arbeitsverträge und Verstöße zu einer erheblichen Summierung führen.

Die Regelungen in Deutschland finden sich vor allem im Nachweisgesetz (NachwG). Die Vorschrift verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Das Nachweisgesetz sieht für die Umsetzung der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen zwingend die Schriftform für den zu erbringenden Nachweis vor. Somit reicht es nicht aus, die Arbeitsbedingungen per E-Mail, PDF oder auch im Rahmen sonstiger digitaler Dokumente zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgebende muss das Nachweisdokument somit eigenhändig signieren.

Seite 1/2/

Anzeige