Der demografische Wandel führt bis 2040 dazu, dass vielen Bundesländern zusätzliche finanzielle Lasten entstehen. Demnach übersteigen die altersabhängigen Ausgaben die Einnahmen teils deutlich. Ausnahmen bilden boomende Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg, wo sich viele junge Menschen tummeln. Dagegen werden die heute wirtschaftsstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg von der demografischen Entwicklung eingeholt - sie werden dann folglich finanziell weniger gut dastehen. Das zeigt eine Studie, die am Montag vom Demografie-Netzwerk Population Europe und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin vorgestellt wurde.

Anzeige

Die Bundesländer altern - unterschiedlich

Ausgangspunkt der von Fanny Kluge erstellten Studie ist die Beobachtung, dass in verschiedenen Regionen die demographische Entwicklung sehr unterschiedlich sein kann. Hierzu tragen mehrere Faktoren bei: etwa die Arbeitsmarktsituation, aber zum Beispiel auch die vorhandene Infrastruktur oder das Betreuungsangebot für junge Familien.

So hatten zum Beispiel die ostdeutschen Bundesländer in den 90ern Jahren damit zu kämpfen, dass viele junge Menschen abgewandert sind, weil sie woanders besser einen Job fanden - und auch besser entlohnt wurden. Andere wiederum profitieren mit Blick auf die Altersstruktur von Wanderungsbewegungen: so etwa Großstädte wie Hamburg. Laut Statistischem Bundesamt beträgt das Durchschnittsalter in der Hansestadt 42,1 Jahre, in Sachsen-Anhalt hingegen 47,9 Jahre.

Die Altersstruktur wirkt sich aber auch auf die öffentlichen Finanzen von Ländern und Kommunen aus. Die Einnahmen beruhen stark auf der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter als potentielle Steuerzahler. Hingegen muss für jüngere und ältere Bevölkerungsschichten mehr Geld ausgegeben werden - etwa für die Bildung oder soziale Aufgaben. Bei den Ländern stammen die Einahmen vorrangig aus Steuern auf Einkommen, Konsum und Kapital.

Wie sich die demographisch bedingten Einnahmen und Ausgaben der Länder in den kommenden Jahren ändern, wurde mit den sogenannten Altersstrukturkostenprofilen des National Transfer Accounts-Netzwerks für Deutschland abgebildet. Der Fokus der Studie lag hierbei auf demographischen Parametern - nicht einberechnet wurden ebenfalls relevante Faktoren, die sich auf die Einnahmesituation auswirken, etwa eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen oder Lohnsteigerungen.

Bayern und Baden-Württemberg gehören zu den demographischen Verlierern

Hier wird die Altersstruktur in vielen Bundesländern dazu führen, dass sie bis 2040 zusätzliche finanzielle Lasten zu schultern haben. Einzig in Berlin und Hamburg übersteigen dann noch die altersabhängigen Einnahmen die entsprechenden Ausgaben, bei der Mehrheit reißt die Alterung der Bevölkerung hingegen Lücken in den Etat, berichtet der GDV anhand der Studie. Dagegen werden speziell die heute wirtschaftsstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg von der demografischen Entwicklung eingeholt. „Die Ausgaben für Ältere steigen besonders in Süddeutschland gravierend. In den nächsten Jahrzehnten vollzieht sich dort die gesellschaftliche Alterung, die anderswo bereits weiter vorangeschritten ist“, betont Studienautorin Kluge.

In vielen ostdeutschen Bundesländern ist die künftige Entwicklung hingegen weniger drastisch. Aus einem einfachen Grund: Diese haben zum Teil schon heute mit hohen demographischen Kosten zu kämpfen, da die Bevölkerung bereits einen vergleichsweise hohen Altersschnitt aufweist - und viele Hochbetagte in den Regionen zuhause sind. Weil diese Länder bereits heute tendenziell überaltert seien, halten sich die Auswirkungen in Grenzen, so ein Fazit der Studienautorin. Das treffe beispielsweise auf Thüringen und Sachsen-Anhalt zu (siehe Grafik).

Eine ungünstige Altersstruktur könnte die wirtschaftliche und finanzielle Situation in strukturschwachen Regionen weiter verschärfen. „Die demografische und wirtschaftliche Entwicklung bedingen sich teilweise“, sagt Andreas Edel, Leiter des Demografie-Netzwerks Population Europe. Strukturschwache Gegenden werden durch Abwanderung weiter geschwächt und verlieren an Attraktivität. „Wir müssen uns deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie wir den Teufelskreis aus alternder Bevölkerung und schrumpfenden finanziellen Ressourcen durchbrechen können“, so Edel.

Demographischer Ausgleich zwischen Bundesländern?

Doch wie auf die ungleiche Entwicklung in Regionen und Bundesländern reagieren? Im Grundgesetz ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als erklärtes politisches Handlungsziel formuliert (Art. 72 Abs. 2 GG). Studienautorin Kluge schlägt deshalb ein neues Förderinstrument für überalterte und strukturschwache Regionen in Ost und West vor. „Denkbar ist die Einführung eines demografischen Faktors in den Länderfinanzausgleich nach Auslaufen des Solidarparkts II.“ Zusätzlich könnten stark altersabhängige Ausgaben auf den Bund verlagert werden.

Doch es gibt auch Bundesländer, die stark von Wanderungsbewegungen profitieren. Soll heißen: Während junge Menschen in strukturschwachen Regionen ausgebildet werden und dort studieren, etwa aufgrund niedrigerer Lebenshaltungskosten, lassen sie sich dann in einem anderen Bundesland nieder, um zu arbeiten. Die Kosten für die Ausbildung aber haben die strukturschwachen Regionen. Diskutiert wurde diesbezüglich in der Politik des Öfteren, ob ein Bundesland wie Bayern nicht auch von gut ausgebildeten Fachkräften aus Sachsen und Thüringen profitiert hat.

Auch für solche Tendenzen könnte es laut Kluge ein Förderinstrument geben. Kommunen oder Länder, die junge Menschen ausgebildet haben, sollen einen Ausgleich erhalten von den Regionen, in die die Menschen nach Ende ihrer Ausbildung ziehen – ähnlich wie im Fußball. „Ausbildungsvereine erhalten eine Entschädigung, wenn junge Spieler zu einem anderen Klub wechseln, und werden auch an künftigen Transfereinnahmen beteiligt“, so Kluge.

Anzeige

Grünbuch „Alternde Gesellschaft II“, GDV

Anzeige