Gemäß Paragraf 4 Nr. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG) sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler von der Umsatzsteuer befreit. Paragraf 4 Nr. 8 definiert weitere von der Umsatzsteuer befreite Tätigkeiten – zum Beispiel die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Geschäfte. Kann diese Umsatzsteuerbefreiung aber auch geltend gemacht werden, wenn ein Allfinanzvertrieb einem Vermittler Büro- und Organisationsboni oder Förderprovisionen zahlt? Hierzu musste das Niedersächsische Finanzgericht, mit Urteil vom 19.08.2021, entscheiden (Az. 11 K 190/19).

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Ein Vermögensberater klagte gegen das Finanzamt

Geklagt hatte ein selbständiger gebundener Vermögensberater, und zwar gegen zwei Steuerbescheide seines Finanzamts. Der Kläger arbeitet für einen Allfinanzvertrieb und vermittelt sowohl im Eigen- als auch Gruppengeschäft verschiedene Bankdienstleistungen, Investmentfonds und Versicherungsprodukte. Zudem wirbt er für Gruppengeschäfte neue Vermögensberater und Vertrauensleute an.

Im Rahmen eines mehrschichtigen Vergütungssystems wurde ihm in 2016 und 2017 sowohl ein Büro- und Organisationsbonus (BOB) als auch eine Förderprovision gezahlt. Beide Sonderleistungen wurden nach vermittelten Gruppenumsatz-Einheiten bemessen und setzten einen Gruppenumsatz von 6.000 Einheiten voraus. In seiner Umsatzsteuererklärung für 2016 und seinen Umsatzsteuervoranmeldungen für 2017 gab der Vermögensberater alle Leistungen als steuerfreie Vermittlungsleistungen gemäß Paragraf 4 Nr. 8 und Nr. 11 an.

Das Finanzamt verlangte Umsatzsteuern für die Sondervergütungen

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung aber sah es eine Mitarbeiterin des Finanzamts anders: Sie meinte, bei den gezahlten Büro- und Organisationsboni und den Förderprovisionen handle es sich um steuerpflichtige Leistungen. Denn die Vergütung erfolge hier nicht für die Vermittlung, sondern für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebs.

Das Finanzamt folgte der Auffassung der Prüferin und erließ entsprechende Umsatzsteuerfestsetzungen. Der Vermögensberater legte Einspruch ein. Dieser aber wurde zurückgewiesen: Letztendlich kam es zum Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht.

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Die Voraussetzungen: Wann greift die Umsatzsteuerbefreiung?

Das Gericht erklärte: Ob Voraussetzungen einer Steuerbefreiung erfüllt sind, hängt vom Inhalt der Tätigkeiten ab, für die geleistet wird. In der laufenden Rechtsprechung haben sich hierfür folgende Voraussetzungen herauskristallisiert:

  • Der Dienstleistungserbringer muss sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung stehen. Diese Verbindung könne freilich auch unmittelbarer Natur sein – zum Beispiel, wenn der Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des Versicherungsmaklers oder -vertreters ist.
  • Zudem muss die Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit umfassen – zum Beispiel, den Kontakt zu Kunden suchen und die Kunden mit dem Versicherer zusammenbringen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder Verhandlungstätigkeit bestehen.
  • Wichtig ist zudem: Die Tätigkeit muss sich auf ein einzelnes Geschäft beziehen, das vermittelt werden soll – die Vergütung muss demnach auf das einzelne Geschäft zurückzuführen sein.

Wie das Gericht urteilte

Wie aber verhält es sich nun mit dem Büro- und Organisationsbonus (BOB)? Im Grunde lässt sich keine verallgemeinernde Aussage treffen. Stattdessen zeigt das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts: Es kommt auf Bedingungen an, zu denen die Vergütung gewährt wird.

Administrative Tätigkeiten für Dritte sind nicht von der Umsatzsteuer befreit

Die typischerweise mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebes einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der Kontakte zu den Versicherungsvertretern gehört laut Gericht nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters. Das trifft zumindest immer dann zu, wenn die Tätigkeiten nicht für das eigene Vertriebsgeschäft erfolgen. Als Beispiel: Werden durch den Vermögensberater Mitarbeiter geschult, die dann eigenständig für den Allfinanzvertrieb vermitteln, wäre die Vergütung nicht absetzbar.

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Auch würde ein Vermögensberater Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn er Bonuszahlungen dafür erhält, Vertriebsmitarbeiter anzuwerben für den Allfinanzvertrieb. Dies wollte das Finanzamt unterstellen: Die Behörde behauptete, die Bonuszahlungen würden für das erfolgreiche Anwerben neuer Bewerber und den Aufbau eines Strukturvertriebs gezahlt. Hierfür jedoch gab es laut Gericht "keinerlei Anhaltspunkte".

Belohnt wurde das Vermitteln von Produkten anstatt das Anwerben von Beratern

So bekam im verhandelten Fall der klagende Vermögensberater Recht – und zwar aufgrund der Bedingungen, zu denen die Boni gezahlt wurden. Die Kläger-Partei des Vermögensberaters pointierte es folgendermaßen: Der Kläger könne "unendlich viele neue Vermögensberater" anwerben, er erhielte hierfür von dem Unternehmen "keinerlei Zahlung". Stattdessen wurden die Boni nur dann bezahlt, wenn im Rahmen des Gruppengeschäfts eine bestimmte Anzahl von Finanzprodukten vermittelt wurde. Sie waren also eine zusätzliche Erfolgsvergütung für die Vermittlung von Finanzprodukten – und deswegen von der Umsatzsteuer befreit. Eine Revision des Finanzamts wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist auf der Webseite der Justiz Niedersachsen verfügbar.

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