Das Oktoberfest ist eine bierige Veranstaltung: 7,3 Millionen Liter des hopfenhaltigen Getränkes wurden allein im Jahr 2019 ausgeschenkt, zudem 435.000 Brathendl verspeist und 79.000 Schweinshaxen gegessen. Für die Wiesenwirte bedeutet das die wichtigste Zeit des Jahres. Ein großes Festzelt macht auf der Wiesn zehn bis zwölf Millionen Euro Umsatz, so schätzt man zumindest, auch wenn im Schnitt nur 1,5 Millionen Euro Gewinn übrig bleiben, wie Wirte-Sprecher Toni Roiderer der TZ vor einiger Zeit vorgerechnet hat. Schließlich müssen Pacht, Blaskapelle, Personal, Reinigung sowie Auf- und Abbau des Zeltes auch bezahlt werden. Wie viel die meisten Wirte tatsächlich einnehmen während des Gaudis, ist ein gut gehütetes Geheimnis.

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Versicherungskonsortium behauptet: Die Wiesn fand statt!

Im Coronajahr 2020 aber musste die Wiesn ausfallen: Es wäre unzumutbar gewesen, wenn sich 6,3 Millionen Besucher auf engstem Raum tummeln und vergnügen, oft stark alkoholisiert, während weltweit eine tödliche Pandemie wütet. Oder fand sie doch statt, auch wenn es viele nicht bemerkt haben? Das zumindest soll die in Hamburg sitzende Deutsche Sport & Entertainment Versicherungsgemeinschaft DSE behaupten, schenkt man einem Artikel der Süddeutschen Zeitung Glauben. Die auf Veranstaltungen spezialisierte Versicherungsgemeinschaft argumentiere, auch 2020 habe es ein Oktoberfest gegeben: wie in den Jahren zuvor. Selbst wenn keine Zelte in München standen und keine Alkoholleichen versorgt werden mussten.

Konkret geht es darum, dass sieben Wiesnwirte bei dem Konsortium versichert sind: und die Assekuranzen nun nicht für den Ausfall des Oktoberfestes zahlen wollen. Unter anderem Michael F. Schottenhamel, Mit-Betreiber des ältesten Wiesnzeltes. Seit 1867 ist das Familienunternehmen schon beim weltweit größten Volksfest vertreten, hier sticht der Oberbürgermeister von München auch traditionell das erste Fass an, um mit einem “O'ZAPFT IS!“ die Wiesn zu eröffnen.

Im Jahr 2011 hatte Schottenhamel eine Veranstaltungsausfallversicherung bei den Hamburgern abgeschlossen: und andere Wirte überredet, sich ihm anzuschließen. Pro Jahr haben die Veranstalter zwischen 30.000 und 40.000 Euro für ihren Versicherungsschutz bezahlt, berichtet Schottenhamel laut „Süddeutscher Zeitung“. Versichert seien ohnehin nur einzelne Kosten, weil man sich einen Komplettausfall des Oktoberfestes nicht habe vorstellen können: Es gehe pro Zelt um Summen im mittleren sechsstelligen Bereich. Aber die Versicherer würden argumentieren, dass der Versicherungsfall gar nicht eingetreten sei: und lehnen eine Leistungspflicht ab.

Keine offizielle Absage?

Grund sei, so soll zumindest DSE argumentieren, dass es überhaupt keine offizielle Absage des Oktoberfestes gegeben habe. Zwar hätten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten, auf der auch zur Sprache gekommen sei, dass das Oktoberfest in diesem Jahr nicht stattfinden könne. Offiziell abgesagt, im Sinne eines Verwaltungsaktes, habe das Volksfest aber niemand. Also müsse man laut Versicherungsbedingungen auch nicht dafür eintreten.

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Ob die Versicherer-Gemeinschaft das tatsächlich ernst meint, ließ sich laut Süddeutscher Zeitung nicht herausfinden: Die Geschäftsführung habe keine Auskünfte erteilen wollen. Fest steht, dass die Wiesn-Wirte am Dienstag beim Landgericht München Klage eingereicht haben, um doch noch an ihr Geld zu kommen. Sollte sich bewahrheiten, dass das Oktoberfest 2020 nicht abgesagt wurde, so konnte in diesem Jahr immerhin ein Rekord gefeiert werden: Es dürfte die erste Wiesn gewesen sein, auf der keine einzige Maß Bier verkauft wurde. Wenn es auch ein trauriger Rekord ist.

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