Jörg Kasten: Die Corona-Krise hat uns als Personalberater natürlich dazu gezwungen, gewohnte Arbeitsabläufe umzustellen. So besetzen wir ab und an absolute Top-Management-Positionen, ohne dass sich beide Parteien jemals Face-to-Face gegenübersaßen. Alles läuft rein virtuell ab – und das funktioniert. Denn digitale Bewerbungsgespräche bringen – vor allem bei etwaigen Vorgesprächen – entscheidende Vorteile mit sich, etwa in puncto Agilität und Schnelligkeit. Aber natürlich sind persönliche Treffen zu finalen Gesprächen auch künftig unerlässlich. Personalentscheider können zehn digitale Interviews geführt haben, ein persönliches Gespräch „Auge in Auge“ kann das niemals ersetzen. Nichtsdestotrotz ist es in dieser außergewöhnlichen Zeit aber eben manchmal sinnvoller, auf diese neue Variante zurückzugreifen und so vielleicht sechs virtuelle Gespräche zu führen, als ein Telefonat und zwei persönliche Treffen. HR-Abteilungen sollten daher lieber mehr digitale Gespräche führen, als physische Treffen unnötig aufzuschieben. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass sich digitale Recruitingprozesse in Teilen auch in der Post-Corona-Zeit stärker durchsetzen werden. Denn eines zeigt die Pandemie ganz deutlich: Es geht, wenn es muss!

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Manager wie Jeff Bezos und Elon Musk sind weltweit sehr erfolgreich, aber auch für ihre mitunter ruppige und unberechenbare Art bekannt. Sie gelten auch als hart gegenüber ihren Mitarbeitern und Wettbewerbern. Was sind das aus Ihrer Sicht für Managertypen? Und warum haben gerade sie so einen großen Erfolg?

Zunächst einmal: Sie sind beides Amerikaner und passen daher in ihr sozioökonomisches Umfeld – und das meine ich nicht zynisch. Es ist ganz einfach so, dass der US-amerikanische Führungsstil im Vergleich zum deutschen viel schneller und direkter ist. "My Way or the Highway" – so wird in den Vereinigten Staaten eine Haltung bezeichnet, die keine andere Meinung zulässt. Wenn Jeff Bezos oder Elon Musk eine Entscheidung treffen, hat das gesamte Team mitzuziehen. Es gilt das Top-Down-Prinzip. US-Führungskräfte erwarten von ihrem Team nicht weniger als höchste Flexibilität und Aufopferungsbereitschaft. Das wurde auch in der Corona-Krise wieder ganz deutlich.

Wie meinen Sie das?

Die Corona-Krise legt die Unwägbarkeiten des amerikanischen Wirtschaftsmodells für Angestellte erbarmungslos zu Tage. Im Land der Freiheit – die vor allem eine unternehmerische Freiheit ist – sind Arbeitnehmer einem permanenten Existenzrisiko ausgesetzt. Wenn Elon Musk also trotz der vor allem in den USA grassierenden Corona-Pandemie propagiert, weiter zur Arbeit zu kommen und etwaige kalifornische Lock-Down-Maßnahmen infrage stellt, werden die Arbeitnehmer das mitunter als mutigen und richtigen Schritt sehen, dem sie gerne Folge leisten. Sie bekommen andernfalls schlicht kein Geld – weder vom Arbeitgeber noch vom Sozialsystem. In Deutschland wäre diese kompromisslose Art der Führung undenkbar und Probleme mit den eigenen Mitarbeiten beziehungsweise dem Betriebsrat programmiert.

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Zudem ist es in den USA Usus, mit harten Bandagen gegen Wettbewerber vorzugehen. Man muss sich nur mal den Umgang der großen US-amerikanischen Technologie-Konzerne untereinander anschauen. Wenn man diesen als deutsches Unternehmen pflegen würde, wäre man – nonchalant gesagt – ruckzuck Geschichte. In Deutschland gilt der Gang vor ein Gericht als Ultima Ratio, in den Vereinigten Staaten ist er schon fast daily-business, getreu dem Motto „Let’s give it a try and see what happens“.

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