Wer Versicherungen vertreibt, muss sich weiterbilden: eine entsprechende Pflicht brachte das IDD-Umsetzungsgesetz mit sich. Die aktuelle Aufsichtspraxis führt aber zu verschiedenen Problemen. Das berichtet Bildungsexperte Reinhardt Lügner in einem Interview mit versicherungsmagazin.de. Lüger ist unter anderem akkreditierter Auditor für die Brancheninitiative „gut beraten“ und nimmt Berater- und Prüftätigkeiten wahr. Zudem hat er einen Lehrauftrag an der HWR Berlin.

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Wer testet wen — und wenn ja, wie genau?

In dem Gespräch wird Lüger nach ersten Erfahrungen dazu befragt, wie die Aufsichtsbehörden die Weiterbildung prüfen. Dies könne man bisher nur für Versicherungsvermittler mit Gewerbeerlaubnis sagen, die von den örtlichen Industrie- und Handelskammern beaufsichtigt werden, erklärt der Experte. Der Grund: Für Vermittler ohne Erlaubnis und Angestellte der Versicherer sei die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Austausch mit den Versicherern zuständig. Sie kommuniziere bisher nicht, wie oft und mit welchem Ergebnis sie prüfe.

Aktuell werde in zwei Fällen geprüft, berichtet Lüger: zum einen anlassbezogen, etwa wenn Kundinnen und Kunden oder Wettbewerber sich beschweren und der Verdacht bestehe, Vermittler seien nicht ausreichend qualifiziert. Oder stichprobenartig, ohne bestimmten Anlass. „Allerdings gibt es da bislang keine einheitliche Meinung der Kammern, wie groß solche Stichproben sein sollten“, so Lüger.

Die unterschiedlichen Aufsichtsregimes führen aber grundsätzlich zu Missverständnissen, wie aus den Ausführungen hervorgeht. So hätten in einzelnen Fällen die IHKen nicht zwischen Vermittlern mit und ohne Erlaubnis unterschieden und von allen Nachweise verlangt — auch von jenen, die von der BaFin beaufsichtigt würden.

Verschiedene Standards zwischen einzelnen IHKen

Ein weiteres Erschwernis: Offenbar gibt es zwischen den einzelnen Kammern auch unterschiedliche Standards, welche Leistungen als Weiterbildung anerkannt werden und welche nicht. Insgesamt 79 Industrie- und Handelskammern gibt es in Deutschland. Und was bei der einen Handelskammer als legitime Weiterbildung durchgewinkt wird, kann bei der anderen durchfallen, wie nun auch wieder dieses Interview zeigt.

Lüger berichtet, dass einzelne Kammern Produktschulungen nicht anerkennen. „Offenbar sind sie der Meinung, dass es sich dabei lediglich um Werbeveranstaltungen der Produktgeber handelt und nicht um Bildung“, sagt er. Dabei sei auch Produktwissen für Vermittler und ihre Mitarbeiter unabdingbar, positioniert sich der Bildungsexperte.

Doch damit nicht genug: auch bei anderen Themen gebe es Konflikte. Umstritten seien etwa Seminare zu Hybrid-Lebensversicherungen, Zeit-Management oder allgemein Weiterbildungen zur unternehmerischen Kompetenz. Weil sich manche IHKen bei den Kriterien für Inhalte auf Anlagen der Versicherungsvermittlungsverordnung zur Sachkundeprüfung beziehen, wo nur Privatkunden im Fokus stehen, könne es sogar passieren, dass Weiterbildungen zu Gewerbethemen abgelehnt werden.

Wenig konkrete Vorgaben

Ein Grund für die unsicheren Standards: Die Vorgaben des Gesetzgebers sind äußerst vage. Laut der Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) müssen die zur Weiterbildung Verpflichteten gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde den Nachweis erbringen, dass sie durch die Weiterbildung „ihre berufliche Handlungsfähigkeit erhalten, anpassen oder erweitern“. Dabei muss die Fortbildung „mindestens den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeiten entsprechen und die Aufrechterhaltung der Fachkompetenz und die personale Kompetenz gewährleisten.“

Den IHKen werden aber wenig konkrete Vorgaben in die Hand gegeben, welche Qualitätskriterien sie nun laut Gesetzgeber anwenden sollen, um die Qualität einer Weiterbildung zu beurteilen. Im Zweifel legt also jede der 79 Handelskammern ihre eigenen Wertmaßstäbe fest.

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Was aber tun, wenn eine Weiterbildung tatsächlich nicht anerkannt wurde? Bildungsexperte Lüger rät Vermittlern, "mit den verantwortlichen IHK-Mitarbeitern ein Gespräch zu suchen und Argumente auszutauschen". Dort müsse überzeugend begründet werden, weshalb ein Seminar oder eine Veranstaltung für die berufliche Handlungsfähigkeit wichtig sei. Im Zweifel stünde immer noch der Rechtsweg offen.