Das hat nun eine Diskussion in Gang gebracht, ob die Touristik-Veranstalter im Falle einer Insolvenz ausreichend abgesichert sind. Ganze 110 Millionen Schadenssumme müssen Reiseanbieter laut Gesetzgeber in Deutschland absichern, um im Fall einer wirtschaftlichen Schieflage ihre Kundinnen und Kunden zu entschädigen. Und zwar alle Kunden: neben den Touristen auch die Hotelbetreiber. So ist es in Paragraph 651r des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.

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Wer bezahlt was - und wenn ja, wie viel?

Über die Entschädigung der Betroffenen ist nun eine Debatte entbrannt, wie der General-Anzeiger Bonn berichtet. Das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) drängt demnach darauf, dass die Summe von 110 Millionen Euro lediglich die Erstattung der An- und Vorauszahlungen von Kundengeldern begrenze. Nicht jedoch die Kosten, die notwendig seien, um betroffene Kunden aus dem Urlaub zurückzuholen. Diese müssten folglich extra bezahlt werden: mehr Geld stünde allen zur Verfügung.

Um diese Rechtsauffassung durchzusetzen, sucht das Ministerium derzeit das Gespräch mit dem zuständigen Versicherer von Thomas Cook Deutschland: die Zurich. Der Versicherer aber beharrt auf der Obergrenze von 110 Millionen Euro für alle Zahlungen. "Wir können die Zurich nicht zwingen, unsere Rechtsauffassung zu übernehmen“, zitiert der General-Anzeiger einen Sprecher des Ministeriums. Es müsse also Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Muss der Deckel korrigiert werden?

Das Statement des Sprechers klingt eher danach, dass die Politik auf die Kulanz des Versicherers hofft und nur eine geringe rechtliche Handhabe hat. Somit stellt sich die Frage, warum die Versicherungssumme überhaupt gedeckelt ist — und ob der Gesetzgeber nachbessern muss.

Besonders bitter gestaltet sich die Situation derzeit für die Kunden. Zunächst müssen die Kosten für die Hotels erstattet werden: vor allem für jene Leistungen, die bereits erbracht wurden sind. Im Kundentopf finden sich dann all jene wieder, deren Reise abgebrochen werden musste oder die doppelte Zahlungen leisten mussten: etwa, weil Hotel und Fluggesellschaften die Buchungen von Thomas Cook nicht mehr akzeptiert haben. Zusätzlich gesellen sich jene hinzu, die eine Pauschalreise bereits bezahlt haben und in Vorkasse gingen: sie nun nicht antreten dürfen.

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Die Ersatzansprüche werden dabei der versicherten Summe gegenübergestellt und entsprechend quotiert. Hier zeichnet sich ab, dass die Schadenszahlungen wohl nur einen Bruchteil der Verluste decken können. Allein 140.000 Reisende mussten laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) ihren Urlaub abbrechen und nach Deutschland zurückgebracht werden, weitere 660.000 Kunden melden Ansprüche an. Umso ärgerlicher war am Mittwoch die Nachricht, dass alle Deutschland-Töchter von Thomas Cook bis zum Jahresende ihre Reisen absagen müssen: auch Neckermann, Öger, Bucher Reisen und Air Marin.

...und wenn das Risiko keiner mehr versichern will?

Weil wohl viele Urlaubsbucher auf einen großen Teil ihrer Kosten sitzen bleiben werden, kommt nun auch die Frage auf, ob der Deckel von 110 Millionen Euro für die Insolvenz eines Reiseanbieters nicht zu niedrig ist — zumindest, wenn es einen taumelnden Branchengiganten wie Thomas Cook betrifft. Sollen die Reiseanbieter also verpflichtet werden, höhere Summen zu vereinbaren?

Hier gestaltet sich ein weiteres Problem: Es müssen sich erst einmal Versicherer finden, die solch eine hohe Summe auch absichern wollen. Bisher habe vor allem die Zurich die Insolvenzsicherung von Reisegesellschaften übernommen, berichtet der Bonner General-Anzeiger.

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Nun gebe es aber Gerüchte, dass sich der Versicherer aufgrund der negativen Erfahrungen mit Thomas Cook aus diesen Risiken zurückziehen will: kommentieren wollte dies die Zurich nicht. Ähnliche Probleme gibt es auch bei anderen teuren Absicherungen: etwa der Haftpflicht für Hebammen oder Krankenhäuser. Auch hier sind wenige Anbieter verblieben, die das Risiko überhaupt zeichnen, oft zu extrem hohen Preisen. Der Markt funktioniert nicht mehr.

"Höheres Schutzniveau wird mit höheren Kosten verbunden sein"

Zwar gibt es die Möglichkeit, besonders teure Risiken über Konsortien und Rückversicherungs-Lösungen abzudecken: Mehrere Versicherer schließen sich also zusammen, um die Kosten zu teilen. Auf diese Weise werden etwa die Risiken für Flugzeugabstürze oder Terroranschläge gedeckt. Doch das bedeutet auch, dass wohl Urlauber mehr zahlen müssen. "Ein höheres Schutzniveau wird sicherlich mit höheren Kosten verbunden sein, die unabhängig von der Konstruktion zukünftiger Sicherungssysteme die Reise für den Kunden verteuern werden", sagt Norbert Fiebig, Chef des Reiseverbands, dem "Hamburger Abendblatt".

Alternativ bieten sich weitere Lösungen an, wenn der Versicherungsmarkt keine Antwort findet. Laut General-Anzeiger bringt das Bundesverbraucherschutz-Ministerium einen Entschädigungsfonds ins Gespräch: Einzahlen müssten hier die Reiseveranstalter selbst. Und dann gäbe es noch die Frage nach der Staatshaftung. Hat nämlich die Bundesregierung eine EU-Richtlinie nicht adäquat in deutsches Recht übersetzt, müsste sie die Urlauber entschädigen. Hier kommt wieder die niedrige Summe ins Spiel: Die EU-Richtlinie zur Absicherung von Pauschalreisenden sieht keine generelle Deckelung der Ansprüche vor.

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Bitter: Wer eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen hat, dem nützt sie im Falle einer Insolvenz des Reiseanbieters nichts. Sie leisten, wenn die Gründe für den abgesagten Trip beim Reisenden selbst zu finden sind, etwa im Falle einer Krankheit oder eines Trauerfalls in der Familie. Ebenfalls kein Anspruch auf Ersatz haben jene, die nur einen Flug gebucht haben, aber keine Pauschalreise. Bedingung für Ersatzansprüche ist ein Insolvenzsicherungsschein, den Kunden bei der Buchung erhalten.

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