Um es vorweg zu nehmen: Nein, dieser Artikel ist nicht gegen all die Vermittler gerichtet, die unzweifelhaft über viel Fachwissen verfügen und die ihre Kunden tatsächlich bedarfsgerecht und mit Fachwissen beraten - teilweise ganz ohne IHK-Ausbildung, aber mit viel Erfahrung.

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Die Branche will Verkaufsmaschinen

Nils Engelhardt ist Vorsitzender im IHK-Prüfungsausschuss der IHK Krefeld und schreibt in einem Leserbrief an das Versicherungsjournal: „Die Branche will keine Experten, sondern Verkaufsmaschinen“. In einem Artikel auf procontra weist Engelhardt darauf hin, dass allein der Prüfungsbestandteil „Gesprächsführung“ mit 60 Prozent gewertet würde. Dies hätte zur Folge, das er als Prüfer darauf achten müsse, ob der Prüfling:

  • eine angenehme Atmosphäre schafft
  • Blickkontakt hält sowie sich und seine Gesellschaft vorstellt
  • Empfehlungsadressen erfragt
  • u.v.m.

Bestanden ohne Fachwissen?

Für den Bereich Gesprächsführung gibt es maximal 60 Punkte, berichtet Engelhardt im procontra Artikel. Und dann kommt vom IHK-Prüfer eine wahrhafte Hammer-Aussage: Mit nicht schwer zu erreichenden 50 Punkten aus dem Bereich Gesprächsführung könne der Prüfling sogar 0 Punkte aus dem Fachbereich ausgleichen. „Sollte er im Schriftlichen nicht völlig verrissen haben - ist das bestanden“, empört sich Engelhardt.

Narkose und "tschüss"

Um das Prekäre der Aussage von Herrn Engelhardt zu verdeutlichen, stelle sich der Leser einfach vor, dass sein Herz-Chirurg vor einer anstehenden Operation eine angenehme Atmosphäre schafft, Blickkontakt hält, sich und sein Krankenhaus vorstellt und Empfehlungsadressen zu weiteren Herzpatienten erfragt. Möglicherweise schlafen Sie dann mit einem guten Gefühl bei der Narkose ein. Ob Sie daraus wieder aufwachen, dürfte hingegen fraglich sein, wenn der Chirurg in seiner Prüfung „0 Punkte aus dem Fachbereich“ hatte. Angst? Müssen Sie nicht haben, denn der Chirurg hätte seine Prüfung mit null Punkten aus dem Fachbereich nicht bestanden und würde folglich gar nicht an Ihrem Krankenhaus-Bett stehen. Aber im Versicherungsbereich ist es nach der Aussage von Engelhardt durchaus möglich, dass beim Kunden „freundliches Nichtwissen“ am Tisch sitzt.

Versicherungen am Bedarf vorbei

Man kann in diesem Zusammenhang sicher viele Fragen stellen, warum dies so ist. Fest scheint indes zu stehen, dass Engelhardt mit seiner Behauptung „Die Branche will keine Experten sondern Verkaufsmaschinen“ Recht haben könnte. Wie kann es sonst sein, dass

Ausbildung auf der schiefen Bahn

Wenn man die vorgenannten Tatsachen in Zusammenhang mit der Aussage von Herrn Engelhardt zur Gesprächsführung bringt, muss man sich die Frage stellen, was da in der Ausbildung zum Versicherungsvermittler schon seit vielen Jahren schiefläuft. Denn eigentlich müssten Versicherungsvermittler (ganz gleich ob Vertreter oder Makler) durch entsprechende Aus- und Weiterbildung in die Lage versetzt werden, den tatsächlichen Bedarf ihrer Kunden richtig und vollständig zu verstehen und zu ermitteln. Zusätzlich müssen die Vermittler über hinreichendes Fachwissen zu den entsprechenden Produkten verfügen. Die Ausbildungs- und Prüfungsrichtlinien müssen genau darauf ausgerichtet werden.

IDD Weiterbildungs-Verpflichtung

Die IDD-Umsetzung sieht 15 Stunden Weiterbildung pro Jahr für Versicherungsvermittler vor. Die Einzelheiten dazu sind in einer vermutlich im November 2017 kommenden Vermittler-Verordnung noch zu regeln. Es bleibt zu hoffen, dass dort klar geregelt wird, dass Produkt-Werbe-Veranstaltungen der Versicherer keine Weiterbildungen im Sinne der Verordnung sein werden. Erforderlich ist dagegen Weiterbildung zur richtigen Bedarfsermittlung im Sinne der Kunden; dies dürfte aus der Praxis eindeutig hervorgehen.

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Udo Rummelt

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