Nie zuvor kamen Banken so billig an Geld: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank in Frankfurt (EZB) liegt bei null Prozent. Doch wenn Verbraucher von ihrer Bank Geld brauchen und das Konto überziehen, werden sie weiterhin teuer zur Kasse gebeten. Das zeigt eine Untersuchung der „Stiftung Warentest“, die für ihr Augustheft knapp 1.400 Banken untersucht hat. Der durchschnittliche Dispozins über alle getesteten Geldhäuser hinweg lag demnach bei 9,78 Prozent. Die Zahlen für die einzelnen Banken sind kostenpflichtig auf test.de einsehbar.

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Vor allem in der Provinz ist es teuer

Richtig teuer wird es vor allem dann, wenn Bankkunden in der Provinz auf ihren Dispo zugreifen müssen. So fordert die Raiffeisenbank Oberbayern Südost stolze 13,75 Prozent Überziehungszinsen. Nicht weit davon entfernt die Rosbacher Raiffeisenbank, beheimatet in der Rhein-Region nahe Windeck: Hier zahlen Kunden 13 Prozent Dispozins.

Weitere 26 Institute stellen ihren Kunden mindestens 12,5 Prozent für den Dispo in Rechnung. „Das finden wir übertrieben“, schreiben die Tester im „Finanztest“-Heft. Sie bemängeln, dass der Dispo gegenüber dem Vorjahr im Schnitt um magere 0,1 Prozent gesunken ist. Auch das größte deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank, berechnet ihren Kunden vielerorts mehr als zehn Prozent für den Dispo.

Dass Sparer in ländlichen Regionen besonders viel zahlen, ist kein Zufall. Die Banken bauen seit Jahren massiv Filialen ab und ziehen sich aus manchen Gebieten gänzlich zurück (der Versicherungsbote berichtete). Oft sind es Volksbanken und öffentliche Geldhäuser, die überhaupt noch ein breites Filialnetz auf dem Land unterhalten – sie haben dann quasi vor Ort eine Monopolstellung. Ein Service, den sie sich teuer bezahlen lassen.

Direktbanken oft billiger

Wer weniger für seinen Dispo zahlen will, muss oft auf ein breites Filialnetz und Ansprechpartner vor Ort verzichten. Erwartungsgemäß sind es vor allem die Direktbanken, die niedrigere Dispogebühren kassieren, betont „Finanztest“. Die Comdirect Bank berechnet zum Beispiel 6,5 Prozent für die Kontoüberziehung. Grundsätzlich ließen sich enorme Preisunterschiede zwischen den Instituten beobachten.

Einsamer Spitzenreiter mit Blick auf den Dispo ist dennoch ein öffentliches Institut. Die Deutsche Skatbank berechnet für ihr „Girokonto Flat“ exakt null Prozent Dispo, allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft. Auch für das Kontomodell „Trumpf“ fallen nur 4,17 Prozent an. „Finanztest“ hält einen Jahreszins von acht Prozent für angemessen – ein Wert, den kaum eine Bank erreicht.

Wenig Transparenz bei Gebühren und Zinsen

Wie auch in den Jahren zuvor bemängelt „Finanztest“ die Transparenz der Giro-Kosten. Positiv: Mittlerweile würden fast alle Geldinstitute ihren Dispozins auf der Webseite ausweisen, wozu sie aber seit einem Jahr auch gesetzlich verpflichtet seien. Lediglich fünf Volksbanken verstießen gegen das Gesetz: die Volksbanken Esens, Rathenow, Überwald-Gorxheimertal, die Raiffeisenbank Kaarst und die Föhr-Amrumer Bank. Hier konnten Tester trotz intensiven Suchens keine Angabe auf der Webseite finden.

Zugleich würden sich die Banken neue Tricks einfallen lassen, um Dispokosten zu verschleiern. Dabei greifen sie sogar auf Vorschriften zurück, die eigentlich für mehr Transparenz sorgen sollten: Seit Juni 2010 müssen Verbraucher nachvollziehen können, wie und wann sich die Zinsen ändern. Die Banken legen seitdem in einer Zinsanpassungsklausel fest, an welchen Referenzwert sie den Dispozins koppeln, oft der EZB-Leitzins oder der 3-Monate EURIBOR. Diese neue Regel nutzen Banken, um die genaue Höhe des Dispozinses zu verstecken: zum Beispiel dann, wenn im Preisverzeichnis steht „Referenzzinssatz + Aufschlag von x Prozent“. Andere machen ihn von der Bonität des Kunden abhängig.

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Ein weiteres Beispiel für Intransparenz: Finanztest beobachtet seit einigen Jahren, dass viele Banken spezielle Premiumkonten mit sehr niedrigen Dispozinsen und Extras wie einer goldenen Kreditkarte oder Versicherungen anbieten. Diese werden auch entsprechend beworben. Der Haken: Die Kontoführungsgebühr ist so hoch, dass selbst Kunden, die den Dispo regelmäßig nutzen, aufs Jahr gerechnet mehr bezahlen müssen als für ein Standardkonto mit deutlich höherem Dispozins.

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