Nach § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes haben privat Krankenversicherte das Recht, in gleichartige Tarife des eigenen Versicherers zu wechseln, wenn diese billiger sind. Gerade für ältere Menschen kann das eine Option sein, explodierende PKV-Beiträge abzuwenden. Manche Versicherungen haben tatsächlich günstigere Tarife im Angebot, weil sie damit junge und gesunde Gutverdiener werben wollen. Eine neue Gesundheitsprüfung und gegebenenfalls einen Risikoaufschlag kann der Anbieter nur dann verlangen, wenn der wechselwillige Kunde nicht auf die Mehrleistungen besteht, die der günstigere Tarif beinhaltet.

Bisher stellten sich die Krankenversicherer stur. Kunden wurden nicht über die Existenz günstigerer Tarife informiert, bedeutet dies doch Beitragseinbußen. Schlimmer noch: Wenn Versicherte in eine andere Tarifgruppe wechseln wollten, ließen sich die Anbieter dreckige Tricks einfallen, um die Beitragszahler in den alten Tarifen zu halten. Etwa wurde der Wechsel in bereits geschlossene Tarife mit der Begründung abgelehnt, dies werde vom Gesetzgeber untersagt – eine bewusst verbreitete Fehlinformation, wie die Finanzaufsicht BaFin kritisiert.

Tarifwechselleitlinien sollen Private Krankenversicherung attraktiver machen

Doch nun kündigt sich in der Branche ein Bewusstseinswandel an. 25 private Krankenversicherungen haben sich den sogenannten „Leitlinien der privaten Krankenversicherung für einen transparenten und kundenorientierten Tarifwechsel“ angeschlossen, darunter Marktführer wie die Debeka, Signal Iduna oder Allianz. Bis spätestens 2016 sollen die neuen Leitlinien in die Praxis umgesetzt werden.

Die freiwillige Initiative unter Federführung des PKV-Verbandes soll genau das ermöglichen, wogegen sich die Versicherungen bisher oft verwehrten. „Im Sinne der Kunden sollen künftig klarere und verbindlichere Regeln für den Tarifwechsel gelten, noch über die gesetzlichen Anforderungen hinaus“, erklärt Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der Rating-Agentur Assekurata.

Beispielsweise wollen die Unternehmen alle 55 Jahre alten Mitglieder freiwillig auf andere, preiswertere Tarife im eigenen Unternehmen hinweisen, wenn die Beiträge steigen. Der Gesetzgeber verlangt das bisher erst ab dem 60. Lebensjahr.

Wechselwillige erhalten individuelle Beratung

In den Leitlinien verpflichten sich die Versicherungen, Anfragen von Versicherten auf einen Tarifwechsel innerhalb von 15 Arbeitstagen zu beantworten. Auch sollen die Unternehmen eine Telefonnummer und einen Ansprechpartner nennen, damit die Privatpatienten eine individuelle Beratung erhalten. „Leitlinie sind dabei der Bedarf und die Wünsche des Versicherten“, heißt es im Text.

Auch über mögliche Konsequenzen soll der Wechselwillige aufgeklärt werden. Zitat: „Das Versicherungsunternehmen weist den Versicherten darauf hin, dass abgewählte Leistungen später nicht mehr ohne weiteres erneut versichert werden können und daher nicht Ersparnis um jeden Preis, sondern möglichst Erhalt und Ausbau des bestehenden Leistungsniveaus bei der Tarifauswahl das Leitmotiv sein sollte.“

Darüber hinaus verpflichten sich die Unternehmen, dem Kunden Tarifalternativen vorzuschlagen. Doch die Formulierungen in den Leitlinien sind hierbei schwammig. Heißt es zunächst, Transparenz über die Tarifwelt können die Versicherungsunternehmen dem Versicherten dadurch verschaffen, dass sie ihm „das gesamte Spektrum an Tarifalternativen aufzeigen“, heißt es wenig später, auf „Basis eines Auswahlsystems“ können „geeignete Tarife für den Kunden“ ausgewählt werden. Diese Auswahl soll „verkaufsoffene und andere, bestandsstarke Tarife“ umfassen. Auswahlkriterien und -verfahren sollen durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiert werden.

Nun auch Beratung – im Sinne des Kunden?

Als positiv an der neuen Initiative ist zu bewerten, dass wechselwillige Privatpatienten zukünftig eine Beratung erhalten. Ob diese tatsächlich im Sinne des Kunden erfolgt, muss jedoch die Praxis zeigen. So ist zu befürchten, dass Versicherungsnehmer eben nicht „das gesamte Spektrum an Tarifalternativen“ empfohlen bekommen – sondern eine Auswahl, die dem Anbieter nützt. Eine Protokollierung des Beratungsgespräches ist nicht vorgesehen, so dass Versicherungsnehmer kaum eine Handhabe haben werden, um gegen schlechte Beratung vorzugehen. Immerhin verpflichten sich die Unternehmen, Kundenbeschwerden „umfassend und rasch“ innerhalb von 15 Tagen zu bearbeiten.

Ein Risiko könnte die neue Leitlinie für ungebundene Vermittler bedeuten. Es ist anzunehmen, dass die Versicherungen für das Beratungsgespräch einen Ansprechpartner nennen werden, der die Interessen des Unternehmens vertritt – in der Regel also einen Vertreter der Ausschließlichkeit. Könnte dies dazu führen, dass wechselwillige Kunden sogar schlechter beraten werden, weil der Beratende im Sinne des Versicherers handelt? Wer die Beratung durchführen soll, steht nicht in den Leitlinien. Es findet sich lediglich die Formulierung, „Das Versicherungsunternehmen nennt eine Telefonnummer oder einen Ansprechpartner.“

Optimistischer schätzt die Beratungsfirma Assekurata die neuen Leitlinien ein. Geschäftsführer Dr. Reiner Will verweist darauf, dass Auswahlkriterien und -verfahren für die vorgeschlagenen Tarife von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiert werden sollen. „Dies ist nicht trivial, denn bei einem umfangreichen Tarifwerk kann im Einzelfall eine intensive Prüfung notwendig werden“, betont Will. „Bewährt sich diese Vorgehensweise aber in der praktischen Umsetzung, erhält der Kunde so die Gewissheit, dass die Auswahl in seinem Interesse erfolgte und nicht willkürlich von seinem Versicherer zusammengestellt wurde.“