Deutschland gilt nicht gerade als Paradies für Start-ups: Im Vergleich zu Ländern wie den USA, Großbritannien oder auch Israel liegt Europas größte Volkswirtschaft weit zurück, was Neugründungen angeht. In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen sogar eher verschlechtert, denn Inflation und Zinswende erschweren Neugründungen zusätzlich: Es ist schlicht teurer geworden, sich als Unternehmen eine Infrastruktur aufzubauen und in die Zukunft zu investieren. Laut dem Deutschen Startup Monitor 2023 des Rating- und Beratungshauses PwC sind die Themen Kapital und Cashflow hierbei die am häufigsten genannten Herausforderungen, mit denen sich deutsche Start-ups konfrontiert sehen. Den Unternehmen fällt es schwer, neue Finanzmittel einzuwerben. Hinzu gesellen sich Bürokratie, Fachkräftemangel und teils extrem hohe Mieten in den Ballungszentren.

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Auch die Bundesregierung sieht hier Handlungsbedarf, zumal es nicht zuletzt die Innovationskraft war, die den Ruf des Wirtschaftsstandorts Deutschland einst begründete. Doch bei den Zukunftstechnologien droht Deutschland derzeit abgehängt zu werden - das Faxgerät ist zum Symbol für ein Land geworden, das sich derzeit als träge und wenig agil präsentiert. Und so hat die Regierung eine Reihe von Instrumenten auf den Weg gebracht, um selbst in den Markt einzugreifen und Start-ups stärker zu fördern. Ein Baustein: der „Wachstumsfonds Deutschland“. Er soll es Start-ups erleichtern, Wagniskapital einzuwerben und Finanzierungsrunden erfolgreich zu gestalten. Unterstützt mit Mitteln des Bundes, oder etwas pointierter: mit Steuergeldern.

Allianz, Munich Re und Signal Iduna mit im Boot

Wie das „Handelsblatt“ jetzt unter Berufung auf vier Insider berichtet, konnte der „Wachstumsfonds Deutschland“ nun mit einer Milliarde Euro an Wagniskapital komplett gefüllt werden. Die zuständige KfW Capital – die Beteiligungstochter der staatlichen Förderbank KfW – habe die letzten Zeichnungen finalisiert. Doch auch das war kein schneller Erfolg. Die Vorbereitungen für den Wachstumsfonds seien bereits vor der Corona-Pandemie von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung angestoßen worden. Er sei zentraler Bestandteil des Gesamtprojekts Zukunftsfonds", das 2021 erstmals öffentlich kommuniziert wurde: Damals war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister hieß Peter Altmaier (CDU).

Für die Investitionen und Kosten des Zukunftsfonds hatte die Bundesregierung 10 Milliarden Euro neue Mittel zur Verfügung gestellt. Vor allem die kapitalintensive Skalierungsphase von Unternehmen soll mit den Geldern unterstützt werden: also nicht die Phase direkt nach der Gründung eines Unternehmens, sondern wenn sich dieses anschickt, zu wachsen, den Umsatz zu steigern und das Geschäftsmodell dauerhaft zu etablieren. Es sind vor allem die Phasen der Wachstumsfinanzierung, wo sich für deutsche Gründer nach wie vor Lücken auftun. Neben dem direkten Investment in Unternehmen ist auch geplant, die Infrastruktur zu verbessern, die es Start-ups erlaubt sich in Deutschland anzusiedeln. Insgesamt sollen 30 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 bereitgestellt werden.

Der „Wachstumsfonds Deutschland“ ist dabei als Fonds für Wagniskapital gedacht: Vereinfacht gesagt Kapital, mit dem sich Geldgeber an Unternehmen beteiligen und das auch in riskante Investitionen fließt. Laut Handelsblatt-Bericht stellt die Bundesregierung rund ein Drittel der benötigten Mittel zur Verfügung. Der Rest kommt von privaten Investoren. Hier seien prominente Größen aus der Versicherungsbranche engagiert, berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Insider. Mit dabei seien unter anderem die Allianz, Debeka, Generali Deutschland, Gothaer, HUK-Coburg, Munich Re, Signal Iduna, Stuttgarter Leben und Württembergische.

Auch patriotische Motive

Der „Wachstumsfonds Deutschland“ sei als Dachfonds angelegt, schreibt das Wirtschaftsmagazin weiter. Das Geld werde folglich in andere Wagniskapitalfonds investiert, die damit wiederum Start-ups unterstützen. Eingeweihte würden bezüglich der Motive vermuten, dass nicht allein geschäftliche Gründe die Versicherer zum Investment bewegt haben, sondern auch patriotische: Sie wollen zeigen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland eine Zukunft hat.

Wie schwierig die Zeiten für Start-ups sind, zeigt die Statistik. Allein im ersten Quartal 2023 haben 67 deutsche Start-ups Insolvenz anmelden müssen, berichtete das „Handelsblatt“ bereits im Sommer: doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Darunter waren auch einige zuvor hochgehandelte Hoffnungsträger wie der Ladesäulenhersteller Compleo Charging Solutions.

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Es liegt oft nicht allein am Geschäftsmodell, dass diese Unternehmen scheitern: Ihnen fehlt schlicht die Zeit und das Geld, um sich zu etablieren. Nachdem die Zinsen für Kredite infolge der Zinswende deutlich gestiegen sind, müssen die Unternehmen schneller rentabler werden, um trotz der hohen Zinslast in die Gewinnzone zu kommen. Dass mitunter Geduld gefragt ist, zeigt ein prominentes Beispiel: Nachdem der Mutterkonzern des Autoherstellers Tesla 17 Jahre lang keinen positiven Jahresgewinn ausweisen konnte, gelang ihm dies erstmals im Jahr 2020.

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