Grundrente „hat schon Berechtigung“, aber…

In dem Interview sagt Schäuble, dass es ihm lieber sei, Geld fließe in die Bildungspolitik als „in eine falsche Rentenpolitik“. Er wird daraufhin vom Interviewer mit der Frage konfrontiert, ob die soeben beschlossene Grundrente ein Fehler sei. „Ich will hier nichts gegen die Grundrente an sich sagen“, antwortet Schäuble. Diese habe durchaus Berechtigung, was die Anerkennung von Lebensleistung angehe.

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Was den CDU-Politiker aber an der Grundrente stört, ist die fehlende Bedarfsprüfung, wie aus seinen Ausführungen deutlich wird. So frage er sich, ob wirklich alle bedürftig seien, die Anspruch auf diese Leistung haben. „Meine Frau könnte wahrscheinlich auch Grundrente beziehen. Sozialpolitik sollte sich stärker um die wirklich Bedürftigen kümmern“, sagt der 77jährige. Man kann davon ausgehen, dass die langjährige Gattin Ingeborg Schäuble, Volkswirtin und langjährige Chefin der Welthungerhilfe, nicht auf das Rentenplus angewiesen wäre.

Genau auf diese Bedarfsprüfung soll Stand jetzt bei der Grundrente verzichtet werden: vor allem auf Drängen der SPD. Sie honoriere die Lebensleistung langjähriger Beitragszahler zur Rentenkasse mit geringem Einkommen, so das Argument: Anrecht hat unter bestimmten Voraussetzungen, wer mindestens 35 Beitragsjahre zur Rentenkasse vorzeigen kann. Diesen Senioren soll der - mitunter als demütigend empfundene - Gang zum Sozialamt erspart bleiben.

Geschaut wird stattdessen, welches Einkommen die Betroffenen inklusive ihrer Ehegatt*innen erzielen. Dabei sollen neben Mieten und Pensionen auch Einnahmen aus privater Altersvorsorge herangezogen werden. Von daher wäre es verwunderlich, wenn Schäubles Frau tatsächlich Grundrente erhalten würde.

Mütterrente und Rente mit 63 - „Fehler“

Wolfgang Schäuble greift in dem Gespräch aber weitere Grundsätze der aktuellen Rentengesetzgebung an. So wird er vom Interviewer mit der Frage konfrontiert, ob nicht auch die Mütterrente - ein Projekt, das auf Drängen der Unionsparteien durchgesetzt wurde - gegen das Prinzip verstoße, wonach sich Sozialpolitik um Bedürftige kümmern sollte. Auch das bereits eine diskutable Frage - Zielte doch die Mütterrente darauf, Zeiten der Kindererziehung beim Rentenanspruch mehr zu würdigen. Und damit eine wichtige soziale Aufgabe, die noch immer mehrheitlich den Frauen aufgebürdet wird.

Doch Schäuble macht in seiner Antwort deutlich, dass er kein Freund der Mütterrente ist - und auch nicht der Rente mit 63. Er entgegnet: „Die Kanzlerin und ich haben die Mütterrente nicht erfunden. Doch dann wurde es ein Schlager im Wahlkampf. Schließlich kam noch die SPD und forderte im Gegenzug für die Mütterrente die Rente mit 63. Da hat ein Fehler den andern nach sich gezogen“. Sein Fazit: Auf Dauer werde eine solche Rentenpolitik nicht gutgehen und die CDU müsse über solche Sachfragen nun reden.

Immer noch harter Sparmeister

Im Interview bestätigt der Bundestagspräsident seinen Ruf als Verfechter einer harten Sparpolitik. „Wir geben im Bundeshaushalt einen immer größeren Teil für Soziales aus“, warnt er. Die Annahme, die finanziellen Mittel des Bundeshaushalts seien unerschöpflich, sei jedoch ein Irrglaube. „Alles, was wir glauben, im Überfluss zu haben, ist nichts wert“. Ein Wert könne nur durch ein "Bewusstsein der Knappheit" entstehen, so Schäuble.

Schäubles Alternative? Das Rentenalter muss rauf, um steigende Kosten aufzufangen. "Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass sich bei einer steigenden Lebenserwartung auch die Lebensarbeitszeit erhöhen muss. Und ich habe mir damit immer viel Ärger eingehandelt", sagt Schäuble.

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In seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister von 2009 bis 2017 hat sich der CDU-Politiker stets für eine Politik der "schwarzen Null" ohne Neuverschuldung ausgesprochen - eine Politik, die in letzter Zeit vermehrt von Ökonomen kritisch hinterfragt wird, etwa durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. So habe das harte Sparen in Zeiten, als die deutsche Wirtschaft florierte, zum Investitionsstau etwa bei Digitaltechnik und Verkehrs-Infrastruktur beigetragen habe.

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