Außerdem plädiert Rürup für einen Abbau des Beamtenapparates. Soll doch für Lehrer*innen und soll in der öffentlichen Verwaltung zunehmend der Angestellten-Status den Status des Beamten ersetzen. Der Umbau dient laut dem Rentenexperten einer Stabilisierung der Alterssicherung gemäß österreichischem Vorbild.

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Beamtenpension versus Rente: Nahezu das Doppelte bei vergleichbarer Tätigkeit

Die Altersversorgung von Beamten ist in Deutschland im Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (BeamtVG) geregelt. Sie müssen für ihre Pension keine Beiträge einzahlen, sondern Ruhegelder werden hauptsächlich aus den laufenden Steuereinnahmen von Bund und Ländern finanziert. Laut dem Sechsten Versorgungsbericht der Bundesregierung 2017 erhielten Staatsdiener im Jahr 2015 eine Pension vor Steuern von durchschnittlich 2.940 Euro im Monat.

Von derartig hohen Bezügen können Altersrentner in der gesetzlichen Rentenkasse nur träumen: Gesetzlich rentenversicherte Männer erhalten im Westen 1.130 Euro Brutto-Altersrente, in Ostdeutschland 1.226 Euro (Daten für 2018). Für Frauen sieht es noch düsterer aus. Im Westen bekommen sie im Schnitt 647 Euro Rente, im Osten 962 Euro.

Ein Unterschied, der sogar dann gilt, wenn Beamte und Angestellte vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Das veranschaulichte letztjährig eine Kampagne des Sozialverbands VdK: Verdient eine Angestellte 2.656 Euro monatlich und geht nach 45 Berufsjahren in Rente, erhält sie 1.058 Euro monatlich als Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Hingegen: Verdient eine Beamtin mit gleicher Tätigkeit 2.656 Euro monatlich, erhält sie, nach nur 40 Dienstjahren, eine Pension in Höhe von 1.902 Euro – und damit „nahezu das Doppelte“, wie Deutschlands größter Sozialverband in einem Papier ausführt. Der Sozialverband nutzt die eigene Modellrechnung für eine Forderung: "Die Altersvorsorge muss gerechter für alle werden!"

Sinkendes Rentenniveau bedroht jeden 5. Rentner mit Altersarmut

Eine wichtige Ursache, weshalb die Beamten mehr Altersgeld erhalten: Die Pension orientiert sich am letzten Gehalt vor der Pensionierung. Für eine Beamten-Laufbahn aber ist dies in der Regel das höchste Gehalt. Als Pension erhalten die Beamten maximal 71,75 Prozent des Bruttolohns, den sie während der zwei Jahre vor dem Ruhestand bezogen haben.

Viele Staatsdiener freilich gehen weit zeitiger in Pension: Beamt*innen und Richter*innen im Schnitt mit 62,5 Jahren, Berufssoldat*innen sogar mit 54,1 Lebensjahren. Deshalb liegt das durchschnittliche Pensionsniveau der Staatsdiener derzeit bei 68,1 Prozent (der Versicherungsbote berichtete). Möglich machen den zeitigen Ruhestand aber großzügige Pensionen trotz des vorzeitigen Ausscheidens aus der Erwerbstätigkeit.

Gesetzliche Renten fallen hingegen weit niedriger aus, weil sie sich am Durchschnittseinkommen über das ganze Berufsleben hinweg orientieren. Hätte ein Ruheständler 45 Jahre immer den Durchschnittslohn vor Steuern erhalten und den entsprechenden Beitrag in die Rentenkasse eingezahlt, würde er aktuell circa 48,1 Prozent seines Durchschnittseinkommens erhalten. Und Renten aus der gesetzlichen Rentenkasse werden in Zukunft voraussehbar weiter sinken: Das Rentenniveau (und damit das Verhältnis der durchschnittlich gezahlten Renten zum Durchschnittslohn) liegt laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin in 2045 bei nur 43 Prozent. Jedem fünften Rentner droht laut Institut folglich die Altersarmut (der Versicherungsbote berichtete).

Beamtenpensionen als Problem für die Nachhaltigkeit

Für ein solches Szenario gelten Beamtenpensionen als zusätzliche Last. Denn diese Pensionen werden keineswegs aus dem Nichts bezahlt – in einer alternden Gesellschaft lasten sie schwer auf den Schultern der Steuerzahler. Nimmt doch auch die Zahl der Pensionäre stetig zu. Allein in 2018 wuchsen die Rückstellungen für Pensionsleistungen einzig des Bundes von 520,47 Milliarden Euro auf 567,01 Milliarden Euro an. Das bedeutet ein Plus von 46,54 Milliarden Euro bzw. 8,9 Prozent binnen Jahresfrist (der Versicherungsbote berichtete). In dieser Zahl sind nicht einmal die Rückstellungen der Bundesländer enthalten – obwohl die Länder sogar mehr Beamte beschäftigen als der Bund.

Aus Sicht von Kritikern ist es in diesem Kontext fatal, dass Beamtinnen und Beamte sich dem Kreislauf umlagefinanzierter gesetzlicher Renten entziehen können und dass dennoch großzügige Regeln Staat und Länder viel Geld kosten. Steuergelder für üppig erscheinende Pensionen werden somit in einer alternden Gesellschaft zu einem zusätzlichen Problem der Nachhaltigkeit.

Da liegt es nahe, zum Stopfen der Lücken auch in Richtung der Beamtenpensionen zu schauen und zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn zahlen Beamte ebenfalls für die gesetzliche Rentenkasse ein, könnte zum Beispiel laut Papier des VdK das Rentenniveau stabilisiert oder gar wieder erhöht werden. Auch der Anstieg der Rentenbeiträge würde gebremst. Zudem sinken hohe Ansprüche von Beamten im Vergleich zu den Angestellten, sobald eine Angleichung der Leistungen stattfindet. Diese Angleichung aber ist für den VdK auch ein Gebot der Gerechtigkeit – die Altersvorsorge „muss gerechter für alle werden“. Für die Forderung von Deutschlands größtem Sozialverband kann sich aktuell auch der Rentenexperte und ehemalige Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“ Bert Rürup erwärmen.

Rürup lobt die „relativ clevere Reform“ Österreichs

Das geht aus einem Interview hervor, dass der Wirtschaftsexperte am Sonntag der Süddeutschen Zeitung gab. Vorbild dieser Forderung ist Deutschlands Nachbar Österreich. Denn in Österreich zahlen alle Erwerbstätige in die Rentenkasse ein, auch Beamte und Selbständige. Zudem erfolgt bei unseren Nachbarn eine langfristige Angleichung der Beamtenpensionen an die Bestimmungen der Rentenversicherung.

Bert Rürup bezeichnet dies als „relativ clevere Reform“. Denn bei vergleichbaren Bruttolöhnen liegt die Rentenleistung zum Renteneintritt laut seinen Angaben für Österreicher im Durchschnitt etwa 40 Prozent höher als die eines deutschen Rentners. Zudem liegt das Rentenalter dort stabil bei 65 Jahren für Männer und derzeit 60 Jahren für Frauen. In Deutschland hingegen wird das Regelalter für eine abschlagfreie Rente hingegen schrittweise auf 67 Jahre angehoben, abgeschlossen ist dieser Prozess in 2031.

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Aus Rürups Sicht bietet sich das Österreicher Vorbild also an, „um langfristig zu sparen und um das allgemeine Rentensystem finanzieren zu können“. Eine solche Hinwendung zum Nachbarn Österreich erstaunt auch deswegen, weil Rürup zuvor kontinuierlich eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters forderte (der Versicherungsbote berichtete).

Lehrer sollen nicht mehr verbeamtet werden

Auch Rürup bemüht in der Folge ein Argument der Gerechtigkeit, um die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung zu begründen. Ergebe doch eine Angleichung der Systeme „Sinn, wenn man im Alter eine Gleichbehandlung haben will“. Freilich: Mehr Nachhaltigkeit soll nicht nur diese Angleichung der Rentenleistungen leisten, die aufgrund einer Übergangsphase selbst in Österreich erst 2040 abgeschlossen ist – erworbene Ansprüche der Beamten nämlich sind laut dem Experten „eigentumsrechtlich geschützt und müssen weiter bedient und finanziert werden.“ Auch in Deutschland wäre folglich mit einer langen Übergangsphase zu rechnen. Zudem empfiehlt sich laut Rürup grundsätzlich, den Beamtenapparat zu verschlanken und stattdessen vermehrt Angestellten-Verhältnisse zu nutzen.

Hierfür differenziert der Ökonom zwischen Beamten in hoheitlichen Funktionen und Beamten in Schuldienst sowie Verwaltung. Beamte in hoheitlichen Funktionen – etwa Richter, hohen Militärangehörige oder Sicherheitskräfte – müssen auch weiterhin ihren Beamtenstatus behalten. Hingegen sollte aus Rürups Sicht der Beamtenstatus bei Lehrern, Hochschullehrern und großen Teilen der öffentlichen Verwaltung wegfallen. Könne es doch nicht sein, dass „Lehrer an einer Schule unterrichten, von denen der eine Beamter und der andere Angestellter ist.“

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Politik: Die Zeichen stehen auf Verbeamtung

Freilich: Die Politik ist in dieser Hinsicht höchstens in Berlin gespalten: Während die Berliner CDU eine Verbeamtung fordert und die SPD sich auf einem Landesparteitag im Herbst letzten Jahres ebenfalls für die Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer aussprach, reagieren Linke und Grüne ablehnend – und Rot-Rot- Grün entscheidet im Sinne der Koalitionsdisziplin. So verweisen die Grünen ebenfalls auf die hohen Pensionslasten der Verbeamtung. Die Linke lehnt ebenfalls die Verbeamtung ab und fordert stattdessen bessere Arbeitsbedingungen und grundsätzlich mehr Personal. Berlin ist jedoch bisher das einzige Bundesland, das Lehrerinnen und Lehrer nicht verbeamtet, pointiert ein Artikel der Welt.

Ansonsten stehen die Zeichen im Zuge des Lehrermangels besonders im Osten eher auf mehr Verbeamtung – Staatsbedienstete erleben im Schuldienst ihre „Renaissance“. So soll es zum Beispiel die Verbeamtung für Sachsen richten, mehr Lehrerinnen und Lehrer ins Bundesland zu holen, wie der Mitteldeutsche Rundfunk berichtet – jährlich rund 1.000 Lehrer sollen zukünftig beamtet werden. Und auch die Landesregierung in Thüringen kündigte mit Kabinettbeschluss vom 28. Februar 2017 an, wieder mehr Lehrerinnen und Lehrer zu verbeamten. Im Kontext dieser Entwicklung scheint sich Rürups Forderung aktuell nicht zu verwirklichen. Das Interview mit dem ehemaligen Chef der Wirtschaftsweisen kann kostenpflichtig auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung abgerufen werden.

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