Zunächst die gute Nachricht: Die Zahl überschuldeter Privatpersonen in Deutschland ist erstmals seit 2013 leicht zurückgegangen. 6,9 Millionen Menschen galten zum Stichtag 1. Oktober 2019 als überschuldet, so geht aus dem Schuldneratlas 2019 von Creditreform hervor. Das sind rund 10.000 Personen weniger als im vergangenen Jahr (minus 0,1 Prozent), wie die Auskunftei in einem Pressetext berichtet.

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Die schlechte Nachricht: Speziell bei den Senioren über 70 Jahre ist die Zahl der Überschuldeten stark angestiegen: um 118.000 Fälle auf nun 381.000 Personen. Das bedeutet ein sattes Plus von 45 Prozent. Damit galten 2,95 Prozent aus dieser Altersgruppe als überschuldet.

"Harte Überschuldung": Vier Millionen juristisch relevante Fälle

Für den Schuldneratlas hat die Auskunftei Daten des Statistischen Bundesamtes ausgewertet, das wiederum Umfragen in 559 Schuldnerberatungsstellen durchführt und diese Zahlen hochrechnet. In der Statistik gilt es zwischen „harter“ und „weicher“ Überschuldung zu unterscheiden:

Harte Überschuldung“ bedeutet, dass der Sachverhalt bereits juristisch relevant ist. Zum Beispiel, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen die Person betreibt, aber der Betroffene verweigert die gesetzlich vorgeschriebene Vermögensauskunft, ob sich eine Pfändung überhaupt lohnt. Auch Privatinsolvenzen werden der „harten Überschuldung“ zugerechnet.

Positiv: Die harten Überschuldungsfälle mit juristisch relevanten Sachverhalten reduzierten sich 2019 deutlich um rund 125.000 Personen (minus 3 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Dennoch betrifft diese harte Überschuldung noch die Mehrheit. „Deutschlandweit bleiben rund vier Millionen Menschen in einer harten und damit tieferen Überschuldungsspirale gefangen“, schreibt Unicredit. Auch der Langzeittrend ist wenig erfreulich: Von 2006 bis 2019 stieg die Zahl der harten Überschuldungsfälle um insgesamt 18 Prozent bzw. 611.000 Personen.

Die „weiche Überschuldung“ betrifft hingegen nachhaltige Zahlungsstörungen, die weniger intensiv sind: als Minimaldefinition gelten mindestens zwei, meist aber mehrere vergebliche Mahnungen mehrerer Gläubiger. Fälle mit geringer Überschuldungsintensität stiegen 2019 um ca. 115.000 Personen (plus 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr).

Junge Menschen weit häufiger überschuldet

Schaut man auf die verschiedenen Alterskohorten, so fällt auf, dass junge Menschen weit stärker von Überschuldung übertroffen sind: sowohl absolut und als zur im Verhältnis zur Gesamtzahl der eigenen Alterskohorte. Bei den jungen Personen zwischen 15 und 30 Jahren gelten 1,42 Millionen Menschen als überschuldet, das betrifft 12,13 Prozent. Positiv: Im vierten Jahr in Folge ging die Zahl der jungen Überschuldeten stark zurück, diesmal um 166.000 Personen (- 10,5 Prozent; 2018: - 4,4 Prozent; 2016: - 1,7 Prozent).

Bei den 30- bis 39jährigen muss sogar mehr als jeder Sechste eine Schuldenlast stemmen, mehr als in jeder anderen Altersgruppe (17,72 Prozent Betroffene). Dem entgegen sind bei den 70jährigen aufwärts 2,95 Prozent der Altersgenossen verschuldet (siehe Tabelle).

Überschuldungsquoten nach Altersgruppen 2016 bis 2019. Quelle: Schuldenatlas 2019, Unicredit

Trotz seltenerer Betroffenheit bleibe der Anstieg der Überschuldung bei Senioren "auffällig und besorgniserregend", schreibt Unicredit. Der Anstieg sei im Mehrjahresvergleich 2013 / 2019 mit 243 Prozent deutlich überdurchschnittlich – wenn auch von vergleichsweise niedrigem Niveau aus. Ein deutlicher Hinweis auf zunehmende Altersarmut, denn die Gesamtzahl aller überschuldeten Personen hat sich im gleichen Zeitraum „nur“ um rund fünf Prozent erhöht.

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