Forderungen aus Reformgesetz noch nicht abgegolten

Für gläubige Christen beginnt mit dem Gründonnerstag jene leidensgeprägte Zeit, in der sie des Martyriums von Jesus Christus gedenken. Aber das Mittelalter kannte auch eine Tradition für diesen Tag, die ganz und gar auf Weltliches zielte: In der Vergangenheit mussten zum Gründonnerstag oft Schulden und Pacht nebst Zinsen bezahlt werden. Und vielleicht dachte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an derartige Abgeltungsbräuche, als es ausgerechnet am Gründonnerstag den Entwurf eines Gesetzes zum umstrittenen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung endlich öffentlich machte – und damit nun auch eine amtliche Grundlage schuf für Stellungnahmen und Einwände.

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Denn die Absenkung der Abschlusskosten in der Lebensversicherung lässt, trotz Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) vom 1. August 2014, "zu wünschen übrig", wie der nun amtliche Entwurf zum Provisionsdeckel sehr direkt formuliert. Somit verwehrte aus Sicht des Ministeriums die Versicherungsbranche bisher auch Lösungen, um "bestehenden Fehlanreizen sowie exzessiven hohen Abschlussprovisionen und Vergütungen entgegenzuwirken". Der Gesetzentwurf setzt sich in dieser Sichtweise das Ziel, einzuholen, was die Branche den Versicherungsnehmern bisher schuldig blieb.

Weite Definition zielt auch auf Bestandsprovisionen

An zentralen Vorgaben des als „Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen“ betitelten Papiers hat sich wenig verändert: 25 Promille der Beitragssumme soll es künftig maximal als Provision geben, wenn Vermittler eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung an den Mann bzw. an die Frau bringen. Wenn der Vermittler bestimmte Qualitätskriterien erfüllt, sind hingegen bis zu 40 Promille erlaubt.

Täuschend ist jedoch der Eindruck, diese Vorgaben würden nur für Abschlussprovisionen gelten: Paragraph 7 Nummer 34c Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht gemäß Entwurf eine sehr weite Definition der „Abschlussprovision“ vor, die auch „sämtliche Vertriebsvergütung“ umfasst, die „an den Fortbestand eines Vertrages oder mehrerer Verträge“ anknüpft. Somit fallen auch so genannte Bestands- oder laufende Provisionen unter die Deckelung, wie der Versicherungsbote bereits berichtete.

Der Grund für diese strenge Deckelung aller Provisionszahlungen ist schnell auszumachen: Den Versicherern soll es künftig nicht möglich sein, Einbußen der Vermittler beim Vertragsabschluss einfach auf die Bestandsvergütung umzulegen. Wie im Vorfeld bekannt geworden, deckeln jedoch nicht nur die prozentualen Vorgaben Bestands- und Abschlussprovisionen. Stattdessen definiert der neu an Paragraph 50 anzufügende Paragraph 50a VAG zusätzlich: Die Bruttobeitragssumme entspricht „der Summe der zum Vertragsbeginn vereinbarten Prämien des jeweiligen Vertrages“, jedoch „begrenzt auf eine maximale Laufzeit von 35 Jahren“. Provision darf demnach nur für maximal 35 Jahre gezahlt werden.

Problematisch ist diese Regelung eines zusätzlichen Deckels für Beitragsjahre schon deswegen, da zur Stärkung der privaten Altersvorsorge als dritter Säule des deutschen Vorsorgemodells ausdrücklich empfohlen wird, bereits in jungen Jahren einen entsprechenden Vertrag abschließen. Denn zum einen sichert ein längeres Einzahlen der Vorsorgesparer einen solideren Kapitalstock. Zum anderen führt schon der Zinseszins-Effekt zu einer auskömmlicheren Rente, wenn zeitiger mit dem Vorsorgesparen begonnen wird. Bei zeitigem Beginn des Sparens jedoch fallen nicht selten mehr als 35 Beitragsjahre an – eine dahinter stehende Vermittlungsleistung jedoch soll in Zukunft nicht mehr durch entsprechende Provisionen für mehr Beitragsjahre honoriert werden.

Neues Qualitätskriterium: Geringere Makler-Unabhängigkeit?

Auch ein weiterer Kritikpunkt gegenüber dem Vorentwurf entschärft sich nicht: Insbesondere Makler als Sachwalter des Kunden geraten bei Zahlung erhöhter Abschlussprovisionen unter eine problematische Aufsicht der Versicherungsunternehmen, falls Vorgaben des Entwurfs umgesetzt würden. Müssen doch Versicherer „ein System“ einrichten, das „die Beurteilung der Vermittlung nach qualitativen Kriterien zulässt“. Die Einführung eines zusätzlichen Qualitätskriteriums durch den aktualisierten Entwurf wirkt im Kontext dieser Forderung besonders prekär:

Denn definierte in der alten Version des Entwurfs ein Paragraph 50a nur drei Kriterien, die maßgebend sind für höhere Provisionen – die Zahl der Verbraucherbeschwerden, die Stornoquote und die Zahl der Beanstandungen aufgrund einer Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben – werden nun auch „nachprüfbare Maßnahmen zur Gewährleistung einer hochwertigen und umfassenden Beratung im bestmöglichen Interesse der Kunden“ als viertes Kriterium gefordert. Was aber ist „hochwertig“ und „umfassend“ im Sinne des Kunden?

Die Vagheit derartiger Begriffe und das geforderte Kontroll-System in Hand der Versicherer lässt befürchten: Versicherungsunternehmen könnten in Zukunft mehr Kontrolle auf Vermittler ausüben. Anders nämlich als die Zahl der Verbraucherbeschwerden können weniger konkrete Kriterien nun selbst durch Versicherer definiert und überwacht werden aufgrund der Neuerung. Statt einer Vermeidung von Interessenkonflikten fände nur eine Verlagerung der Interessen zugunsten der Versicherer und zum Nachteil der Vermittler statt.

Zusätzlich geplant: Änderung der Gewerbeordnung

Gänzlich neu an dem Gesetzentwurf ist ein „Artikel 2“, dieser fordert Ergänzungen für den Paragraphen 34d Absatz 1 der Gewerbeordnung (GewO). Anscheinend hat das Ministerium gegenüber dem Erstentwurf Handlungsbedarf erkannt – laut Begründung bewirkt das ändernde Eingreifen, dass Provisionsdeckel auch auf „Vermittlerketten“ Anwendung finden, in denen Untervermittler beauftragt werden. Notwendig ist eine weitere Ergänzung des Paragraphen zudem für Fälle, in denen Akteure zwar im Inland Lebensversicherungen vermitteln, aber in anderen EU-Ländern ansäßig sind.

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Anders als die zusätzliche Aufnahme vager Qualitätskriterien ist eine solche Neuerung der neuen Entwurfsfassung durchaus nachvollziehbar, sofern sie tatsächlich das Bewirkte erreichen kann: Ein Provisionsdeckel nämlich, der durch Akteure aus dem Ausland oder durch Vermittlerketten umgangen würde, hätte geradezu fatale Auswirkungen auf einen fairen Wettbewerb im System der Lebensversicherung.

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