Versicherungsbote: Herr Knauff, seit mehr als zwanzig Jahren berichten Sie beinahe täglich von der Börse. Man hat den Eindruck, Sie fühlen sich auf dem Börsenparkett wohl. Woher diese Leidenschaft? Was macht den Reiz aus, die Finanzmärkte journalistisch zu begleiten?

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Mick Knauff: Oh ja, ich fühle mich absolut wohl in und an der Börse. Das spannende gerade am Finanzmarkt ist für mich im Prinzip, dass sich jeden Tag zu jeder Stunde etwas ändern kann. Die Börse lebt ja bekanntlich nicht nur von Unternehmensnachrichten, auch politische Gegebenheiten spielen eine immer größere Rolle. Dazu dann noch die Fantasien und Spekulationen auf eventuell kommende Ereignisse – das alles wird ja an der Börse gehandelt. Und gerade diese Mixtur lässt jeden Tag wieder neu und anders sein. Meine Leidenschaft und mein Auftrag besteht vor allem darin, diese komplexen Sachverhalte einfach und klar zu erklären.

Geld und Börse sind in den Köpfen der Mehrheit der Deutschen keine soliden Partner füreinander. Nur 18 Prozent der Bürger investieren in Aktien und Fonds, das Image ist schlecht. Ich nehme an, aus Ihrer Sicht ist das ein Missverständnis? Was kann gegen das schlechte Image getan werden?

Nun, es ist wohl wahr, dass die Börse in den letzten Jahren keinen allzu guten Ruf bekommen hat. Meiner Meinung nach aber vollkommen zu Unrecht! Es ist doch eher so, dass der Deutsche sich in den Zeiten 1999/2000 und dann noch mit der Lehmann Pleite im Jahr 2008, vielleicht durch Unwissen- und Unerfahrenheit, „die Finger verbrannt" hat. Wir Deutschen sind nie an den Aktienmarkt und die Börse herangeführt worden, dass ist bedauerlicherweise heute noch so. Wir sind erzogen worden zu einem Volk der Sparer. Was auch zu einer gewissen Zeit, als es noch Zinsen auf dem Sparbuch gab, vielleicht OK war. Die Situation heute ist durch die Nullzinspolitik der EZB eine vollkommen andere. Sparen auf der Bank bringt nichts mehr und Frau/ Mann müssen sich überlegen, wovon sie im Alter leben wollen und werden.

In vielen Medien-Beiträgen wird oft Bild der Börse als Casino gepflegt, das Investment in Börsen als Glücksspiel. Auch das ein Grund, weshalb die Deutschen ein Engagement an Börsen scheuen, sie gelten als sehr sicherheitsorientiert. Wie planbar ist der Erfolg an den Finanzmärkten?

Die Börse hat nichts mit einem Casino zu tun! Es geht nicht darum auf ein "paar Zahlen" oder "gerade und ungerade" zu setzen! Erfolg an der Börse ist planbar. Wenn ich heute in Unternehmen investiere und Aktionär werde, bei großen, internationalen Unternehmen, von denen ich weiss, dass sie schon Jahrzehnte existieren und auch Morgen noch Geld verdienen werden, dann ist mein Engagement planbar. Überlegen Sie doch, Unternehmen wie zum Beispiel BASF, Bayer, Fresenius oder auch Adidas, werden die wohl Morgen pleite gehen? Wohl kaum!

Medienmacher wie Finanzanlagenvermittler müssen auch Krisenmanager und -erklärer sein. Wie bringt man einen Anleger nahe, wenn sich die Geldanlage mal doch nicht so entwickelt wie gewünscht? Haben Sie Tipps?

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Die Börse ist in der Tat keine Einbahnstrasse, so schon Andre´ Kostolany. Aber: Wer wirklich an der Börse Erfolg haben will, muss auch Zeit und Geduld mitbringen. Es geht hier gerade nicht um das „schnelle Geld“, sondern um Langfristigkeit. Nur wer einen Anlagehorizont von mindestens fünf bis sieben Jahren oder länger mitbringt, wird Erfolg haben. Schauen Sie, wo der DAX im Jahr 2008 nach der Lehman Pleite stand, bei ca 4.000 Punkten. Und heute steht er bei 12.000 Punkten. Wenn Sie sich jetzt noch ein paar Charts der „Blue Chips“, der guten Unternehmen anschauen, wie Daimler, BMW oder auch der Pharmabranche, werden Sie erkennen, wie gut das Wachstum und auch die Renditen sind. Also, einfach mal nicht „Hin und Her“ handeln, sondern in Ruhe liegen lassen und nicht bei jeder kleinen Krise „kalte Füße bekommen“, Geduld zahlt sich letztlich immer aus.

Die Moral der Börse

Wie wichtig sind Emotionen auf dem Börsenparkett – und lassen Sie sich selbst davon beeinflussen? Ihr Moderationsstil und Rhetorik ist emotional geprägt (Jahresendrallye etc.). Oft hat man den Eindruck, Hektik und Panik sind häufige Begleiter auf dem Börsenparkett?

Emotion spielt sicher eine Rolle, allerdings früher mehr als heute. Die Technik, das Internet und der schnelle Handel über die Online-Plattformen haben hier viel dazu beigetragen, dass Hektik und Panik aus dem Börsensaal verschwunden sind. Alles ist nüchterner, transparenter und noch schneller geworden. Es wird auch nicht mehr „miteinander“ gehandelt, sondern nur noch über die „Maschine“. Dass mein Stil relativ emotional ist, liegt vielleicht eher in meinem Naturell begründet. Ich bin Rheinländer und versuche durch meine Stimmung und mit meiner Rhetorik, darauf hinzuweisen, dass es die Börse ÜBERHAUPT gibt. Denn wie schon festgestellt, wir haben in Deutschland immer noch zu wenig Aktionäre.

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...was ist die Moral der Börse? Auch das ein Grund, weshalb viele Bürger ein Investment scheuen: sie wittern Betrug und fehlendes Gewissen, Thema Finanzspekulationen mit Lebensmitteln etc.. Gibt es auch eine Art Ethik der Finanzmärkte?

Das kommt darauf an, was man genau unter Ethik versteht?! Die Märkte handeln alles, was zu handeln ist. Angebot und Nachfrage, dass uralte Ritual des Handels. Jeder will ein Geschäft machen, die Unternehmen nehmen das Geld der Aktionäre und die Aktionäre wollen dafür natürlich „etwas mehr“ zurück. Ob in Form von Aktiengewinnen oder auch Dividenden. Niemand leiht Ihnen heute Geld, um nicht in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren etwas mehr zurückzubekommen, oder? Also stellt sich die Frage der Moral eher für den Anleger selber, in welche Unternehmen er investiert. Der Markt ist groß genug um Gewinne auch mit Unternehmen zu machen, die nichts mit Waffen, Lebensmitteln oder Kinderarbeit zu tun haben.

Hand aufs Herz: Haben Sie selbst schon einmal mit einem Anlage-Tipp richtig daneben gelegen? Und wie haben Sie darauf reagiert?

Lacht….. Da muss ich die Hand nicht auf mein Herz legen, da bin ich ehrlich genug, auch zu mir selber. Natürlich habe auch ich schon daneben gelegen und mit Schmerzen und Verlust verkauft. Das gehört aber mit zum Lernprozess an der Börse. Je mehr man recherchiert und liest und sich mit einem Unternehmen beschäftigt, je mehr kann ich mich auch gegen Verluste schützen. Zudem kommt es auch immer drauf an, wieviel Rendite ich von meinem Investment verlange! Um es kurz zu sagen, fange ich an gierig zu werden, geht auch mein Spekulationsgrad in die Höhe und das Wagnis eines eventuellen Verlustes nimmt zu. Bleibe ich aber konservativ, vernünftig und ruhig, denke auf lange Sicht und investiere in die großen, internationalen Unternehmen, ohne eine Wahnsinnsrendite zu erwarten, so mache ich langfristig an der Börse auch weniger Fehler.

Die OECD hat wiederholt gewarnt, der anhaltende Niedrigzins bedroht Rentenfonds und Lebensversicherungen, speziell in Europa. Diese könnten gar Auslöser für eine neue Finanzkrise werden. Ihre Einschätzung – berechtigte Sorge? Kommt nach einer Dotcom- und Immobilien-Blase nun die Versicherungs-Blase?

Sicherlich ist die Niedrigzinsphase nicht unbedingt das, was wir uns hier in Deutschland erwarten. Aber was will EZB Chef Mario Draghi tun, um die angeschlagenen südlichen Länder vor dem Kollaps zu bewahren? Wir hier könnten auch durchaus mit Zinsen von 3- 3,5 % gut leben. Aber sicher nicht Spanien, Zypern, Italien, Griechenland oder auch Frankreich. Somit muss die EZB die Zinsen tief halten, was aber für mich noch nicht bedeutet, dass die Versicherer uns morgen „um die Ohren fliegen“. Die müssen ihren Kunden halt andere Wege anbieten, ihr Vermögen zu schützen und aufzubauen, denn das Thema Lebensversicherung ist sicher keine Alternative mehr.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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