In der anhaltenden Niedrigzinsphase sind Versicherer immer mehr darauf angewiesen, auf alternative Kapitalanlagen wie Infrastrukturinvestments oder erneuerbare Energien auszuweichen. Jedoch muss dabei zukünftig die von Solvency II geforderte Kapitalunterlegung der Investments berücksichtigt werden. Weitere Herausforderungen bringen unter anderem die Internationalen Rechnungslegungsstandards, wie der IFRS 4 zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen, oder die Finanzierung der Zinszusatzreserve mit sich. Unter fachlicher Leitung von Prof. Dr. Andreas Richter (LMU München) luden die Versicherungsforen Leipzig daher abermals zum fachlichen Austausch und praxisnaher Diskussion rund um die Entwicklung und Umsetzung moderner Managementmaßnahmen im Kontext Finanzen und Risikomanagement.

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In den rund 25 Vorträgen, die über die zwei Tage verteilt in einzelnen Fachforen sowie im großen Plenum stattfanden, ging es im Hinblick auf Solvency II unter anderem um rechtliche Aspekte, den Umsetzungsstand, Herausforderungen im Rechnungs- und Berichtswesen und regulatorische Neuerungen. Auch Erfahrungsberichte – beispielsweise von VGH Versicherungen, VPV Versicherungen und der Versicherungskammer Bayern – zeigten, welchen Schwierigkeiten die Assekuranz im Bereich Finanzen und Risikomanagement gegenübersteht.

Eine erste Einführung gab Dr. Uwe Siegmund (R+V Versicherung) in seiner Keynote zum Thema „5 Jahre Finanzkrisen – Was haben wir gelernt?“. Er betonte, dass sich Unternehmen und Anleger vom risikolosen Zins verabschieden müssen, den es in der Realität schon nicht mehr gäbe. Sein Ratschlag: „Passen Sie die Passivseite an, der Kapitalmarkt passt sich nicht uns an!“

Konkreter wurde es im Vortrag von Dr. Stefan Korinek (Finanzmarktaufsicht Österreich). Er betrachtete kritisch die Vorbereitung auf Solvency II mit besonderem Blick auf die Governance. Solvency II sieht er als „neue Aufsichtswelt“, die zu weitreichenden Änderungen in der Assekuranz führen wird. „Was prinzipienbasiert begann, entwickelt sich zu einer Regulierungsflut“, konstatierte er. Um die Leitlinien zum Governance-System (Säule II) zu erfüllen, schlägt er die Einführung eines Compliance-Officers in den Versicherungsunternehmen vor.

Auch in den Fachforen war das Thema Solvency II und vor allem ORSA ein bedeutender Diskussionspunkt. In Erfahrungsberichten stellten beispielsweise die Provinzial NordWest und die Deutsche Rückversicherung ihren Umgang mit dem ORSA-Prozess vor. Im Vortrag von Dr. Alexander Metz (Deutsche Rückversicherung) wurden zudem die wesentlichen Unterschiede zu den MaRisk VA deutlich. Wird in den MaRisk-Vorgaben noch betont, dass die Geschäftsstrategie der Versicherer nicht Teil der Beaufsichtigung ist, muss diese im Rahmen der Mittelfristplanung beim ORSA dokumentiert und erklärt werden. Dieser Umstand zeigt, dass nicht nur die Abteilungen Aktuariat und Risikomanagement von Solvency II betroffen sind, sondern die Regelungen auch Konsequenzen für andere Abteilungen haben. Dies fand auch eine Studie der Versicherungsforen Leipzig heraus, deren Ergebnisse ebenfalls auf dem Messekongress „Finanzen und Risikomanagement“ vorgestellt wurden. Neben den Kernabteilungen Risikomanagement, Aktuariat und Rechnungswesen sind auch verschiedene weitere Bereiche im Unternehmen in das Projekt Solvency II involviert. Jedoch sind gerade die Abteilungen Interne Revision und Recht/Compliance, welche Schlüsselfunktionen bekleiden, seltener eingebunden als erwartet. Weiter referierten Franziska Bach und Torsten Karau (beide Versicherungsforen Leipzig), dass Anforderungen, welche die Säule III betreffen, bisher einen geringen Umsetzungsstand haben und für die ersten Berichte im Jahr 2015 noch einiges zu tun sei.

Auch das momentan viel diskutierte Thema Zinszusatzreserve wurde auf dem Messekongress erörtert. Dr. Christian Nagel (ERGO) und Martin Bienhaus (AXA Lebensversicherung) erklärten den Grundgedanken der Zinszusatzreserve, ihre Berechnung sowie die rechtlichen Grundlagen. Wie sich die zinsinduzierten Rückstellungen auf die Versicherungsprodukte, konkret bereits bestehende fondsgebundene Rentenversicherungen sowie Neubestand, auswirken, wurde anschließend diskutiert. Das abschließende Fazit der beiden ist eindeutig: Um die Herausforderungen der Niedrigzinsphase zu meistern, bedarf es einer klugen Balance rund um die Finanzierung der Garantien in den Beständen und der Risikofähigkeit für die Zukunft.

Einen Exkurs in die Unternehmenssteuerung in der Krankenversicherung gab Dr. Ralf Kantak (Süddeutsche Krankenversicherung). Neben den Marktentwicklungen, die auch andere Versicherer beschäftigen, wie Demografie oder Regulierungen, sind Krankenversicherungen mit der Reorganisation des Gesundheitssystems konfrontiert. Zudem bringt Solvency II Herausforderungen für die Unternehmenssteuerung mit sich. Fazit von Herrn Dr. Kantak war jedoch, dass man Solvency II lediglich als Leitplanke nutzen solle, die zentralen Steuerungsgrößen bleiben weiterhin die HGB-Kennzahlen.

Markus Deimel (Skandia Lebensversicherung) sprach in seiner Keynote sehr offen von den Erfahrungen der Skandia im Run-off in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die größte Herausforderung sieht er in der Betreuung der Stakeholder. Kommunikation sei der Schlüssel, um Ängste und Beunruhigungen zu zerstreuen – dies gilt sowohl für Kunden und externen Vertrieb, aber auch für Mitarbeiter und die Aufsichtsbehörden. Bestandserhaltung und das Stornomanagement identifiziert Deimel als wesentliche Aufgaben im Run-off. Einen Marktaustritt der Skandia sieht Deimel in naher Zukunft nicht, denn er ist sich sicher: „Alles hat ein Ende, außer der Lebensversicherungsbestand.“

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Als Fazit der Veranstaltung lässt sich festhalten, dass aktuelle Marktentwicklungen, wie z.B. Solvency II oder das angespannte Kapitalmarktumfeld, von den Versicherern Anpassung ihrer Geschäftsmodelle fordern. Damit steigen auch die Anforderungen an die Unternehmenssteuerung und das Risikomanagement. Gefragt sind pragmatische Lösungsansätze, die sich mit überschaubarem Aufwand realisieren lassen, die Anforderungen der Aufsicht erfüllen und darüber hinaus möglichst einen Mehrwert für die Versicherungsunternehmen schaffen.

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