Die geforderte schriftliche Vereinbarung von Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte unterblieb in 54,4 Prozent der der Fälle, die Einnahmen für jede siebte Privatleistung entstanden sogar ohne Rechnung. So das Ergebnis bundesweiter Befragungen von 2.500 GKV-Versicherten. Durchgeführt wurden die Untersuchungen vom "Wissenschaftlichen Institut der AOK" (WIdO).

Die weitere Analyse ergibt, dass in der Arztpraxis privat zu zahlende Zusatzleistungen, auch als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bezeichnet, vor allem Patienten angeboten werden, die über ein höheres Einkommen verfügen.
WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber: “Ärzte werden offenbar auch als Verkäufer immer besser.“ Nach Aussage der Patienten ging die Initiative für IGeL meistens vom Arzt aus. Von den Befragten geben rd. drei Viertel an, nicht von sich aus nach einer solchen Leistung gefragt zu haben. Lediglich 28,9 Prozent der Interviewten bejahen dies.

Während in der unteren Einkommensgruppe (unter 1.000 Euro) nur jeder Sechste (16,9 %) Privatleistungen angeboten bekam, berichtet bei Einkommen über 4.000 Euro mehr als ein Drittel (38,8 %) der befragten Versicherten über entsprechende Erfahrungen in der Arztpraxis.
Die meisten IGeL-Angebote entfallen laut WIdO-Analyse auf Ultraschalluntersuchungen (Sonografien) (20 %), gefolgt von Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16,2 %) und Verordnungen von Medikamenten oder Heil- und Hilfsmittel (11,5 %). Auf diese drei Leistungsgruppen entfällt fast die Hälfte aller IGeL-Angebote.

Dabei bietet die Ärzteschaft private Zusatzleistungen mit unterschiedlicher Intensität an. An der Spitze liegen Augenärzte und Gynäkologen, sie bieten im Mittel 6- bis 7-Mal so häufig wie Allgemeinmediziner IGeL an. Es folgen Urologen, die fünfmal so häufig private Zusatzleistungen anbieten sowie Orthopäden und Hautärzte mit rd. dem vierfachen Angebot im Vergleich zum Durchschnitt der Allgemeinmediziner.

Besonders kritisch ist diese Entwicklung nach Ansicht von Dr. med. Gerhard Schillinger vom AOK-Bundesverband auch deshalb zu sehen, weil die Krankenkassen alles bezahlen, was einen nachgewiesenen Nutzen hat und medizinisch notwendig ist. Ärzte stellen zudem häufig auch Leistungen als „Individuelle Gesundheitsleistungen“ in Rechnung, die eigentlich Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind, für die deshalb niemand zusätzlich bezahlen muss.
Das gilt zum Beispiel für medizinisch notwendige Ultraschalluntersuchungen oder das Hautkrebsscreening. Viele angebotene IGe-Leistungen seien nicht nur unnötig, sondern können auch problematisch sein.

Die rechtlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Berechnung von Selbstzahlerleistungen für diese „individuellen Gesundheitsleistungen“ würden nicht einmal in der Hälfte aller Fälle korrekt eingehalten. So muss der GKV-Versicherte – wenn es rechtlich korrekt zugehen würde - bei der Inanspruchnahme individueller Gesundheitsleistungen vor Behandlungsbeginn schriftlich bestätigen, dass er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden. Ebenso muss der Patient eine Rechnung über die erbrachte Privatleistung erhalten, die detailliert die Leistungsbestandteile und deren Preis nennt.
Die schriftliche Vereinbarung erfolgte nach Aussage der Befragten jedoch lediglich in 45,6 Prozent der Fälle, 14,5 Prozent geben an, keine Rechnung erhalten zu haben.
Die Analysen zeigten auch, dass der IGeL-Markt das Arzt-Patienten-Verhältnis belaste, so Klaus Zok, Studienleiter im WIdO. Drei Viertel der befragten Patienten (76,9%) befürchten eine Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses zum Arzt, nur 17,9 Prozent erwarten eine Verbesserung der Arzt-Patienten-Beziehung.

Infoportal der AOK zu IGe-Leistungen

Anzeige