Womit befeuern Versicherer den Klimawandel?

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Andreas von Angerer: Viele Versicherer versichern und finanzieren nach wie vor fossile Energien, die aus Sicht der Internationalen Energieagentur nicht benötigt werden, um die Energiesicherheit zu gewährleisten und die globale Erwärmung bei 1.5°C zu begrenzen. Dies betrifft z.B. alle neuen Öl- und Gasförderprojekte, die nach 2021 genehmigt wurden.

Wie will Inyova die Versicherer zu mehr Nachhaltigkeit zwingen?

Grundsätzlich „zwingt“ Inyova niemanden etwas zu tun. Als verantwortungsbewusste, wirkungsorientierte Vermögensverwaltung versuchen wir auf Risiken hinzuweisen, die aus unserer Sicht noch nicht (ausreichend) adressiert worden sind. Wenn Unternehmen diese Einschätzung nicht teilen, suchen wir bessere Argumente, die neben tiefgründigem Research und Experteninterviews auch auf einem ggf. anderen Blickwinkel (jüngere, klimabewusstere Generation, langfristige Wertentwicklung) basieren.

Warum sind Aktionäre überhaupt daran interessiert, dass Versicherer nachhaltiger werden sollen?

Wir wollen einen intakten, lebenswerten Planeten und gleichzeitig den langfristigen Erfolg der Unternehmen in unserem Anlageuniversum. Die Wirtschaft befindet sich in einer enormen Transformation. Versicherern kommt hier mit ihrer Risikoeinschätzung eine zentrale Katalysatorenrolle zu. Sie entscheiden mit, welche Projekte realisiert werden können, welche nicht. Die Klimakrise einzudämmen liegt dabei im größten Eigeninteresse der Versicherer selbst. Denn eine zu heiße Welt ist nicht mehr versicherbar.

Welche Erfolge konnte Inyova bereits mit seiner Strategie verzeichnen?

Zurich Insurance hat kurz vor der diesjährigen Generalversammlung relevante Verschärfungen seiner Öl- und Gas-Richtlinien angekündigt. Dies ist ein wichtiger Schritt, der auf den gemeinsamen Druck von NGOs, Klimaaktivistinnen, direkten Wettbewerbern, aber letztlich auch den Investoren zustande gekommen ist.

Warum stellt die Hauptversammlung eine geeignete Bühne für Engagement dar? Wird sie aus Ihrer Sicht vielleicht sogar zu wenig dafür genutzt?

Die Hauptversammlung ist die einfachste Gelegenheit, direkt mit den Entscheidungstragenden der Unternehmen in den Dialog zu treten. Gleichzeitig kann man alle anderen Anteilseigner über seine Bedenken informieren und ggf. auch die breite Öffentlichkeit, wenn auch Journalisten darüber berichten. Wir waren etwas überrascht, dass sich fast ausschließlich Kleinanleger und Aktivisten bei den Schweizer Unternehmen zu Wort gemeldet haben. In Deutschland nutzen auch die größeren Asset Manager die HV als Gelegenheit für öffentliche Statements an die Geschäftsführung und Aufsichtsrat.

Die EU hat Klimaneutralität bis 2050 beschlossen, Fachleute drängen auf eine schnellere Umsetzung bis 2035. Und ist nicht selbst dieses Ziel angesichts der deutlich wahrnehmbaren Klimaveränderung noch viel zu unter-ambitioniert?

Grundsätzlich gilt je schneller desto besser. Entscheidend sind die verschiedenen Kipppunkte im globalen Klimasystem, werden einige davon früher überschritten als bisher prognostiziert, könnte sich die Krise weiter beschleunigen. Wichtig ist es, nicht noch weiter in die Erderwärmung zu investieren, sondern klimaschädliche Technologien sobald wie möglich mit sauberen zu ersetzen.

Wie reagieren Sie auf das Problem des Greenwashing? Kommt es oft vor, dass Versicherer Greenwashing betreiben? Und wie reagieren Sie darauf als Interessensvertreter der Aktionäre?

Viele Unternehmen überbetonen die positiven Aspekte ihrer Tätigkeit und setzen sie nicht ausreichend in den Gesamtkontext. Dies ist auch Thema in den Engagement-Dialogen mit den Versicherungsunternehmen, wir wollen mehr Daten zu den negativen Aspekten, um das Verhältnis innerhalb ihrer Portfolios eindeutiger feststellen zu können. Leider fällt dieses bislang noch deutlich zu Ungunsten der grünen, sauberen Technologien aus (sei es bei den unterzeichneten Prämien oder den Investitionen in bspw. Green Bonds).

Könnte ein Greenwashing-Skandal eines Versicherers auch Auswirkungen auf seinen Produktvertrieb haben?

Grundsätzlich ja, aber es hängt davon ab, wie nah der Versicherer an den Verbrauchern ist und wie bekannt der jeweilige Marken- und Firmenname.

Welcher Versicherer ist Ihnen zuletzt besonders negativ aufgefallen? Und wer positiv?

Grundsätzlich sind die europäischen Versicherer deutlich progressiver als die US-amerikanischen. Innerhalb dieser Gruppe lag die Zurich Insurance interessanterweise bis vor Kurzem noch deutlich hinter ihren wichtigsten Wettbewerbern zurück, was ihr Klima-Engagement betrifft. Sie haben beim Versicherungsgeschäft keine ausreichenden Ausschlüsse vorweisen können und sich voll auf die Investment-Seite konzentriert. Dabei sollte beides harmonisiert sein. Dies ändert sich gemäß der Ankündigungen vor der GV jetzt hoffentlich. Positiv zu erwähnen sind – allerdings auch nur im Branchenvergleich, denn auch hier sind die meisten Richtlinien noch unzureichend – Axa, Allianz und Swiss Re.

Underwriter schließen ja schon mal Bereiche wie Rüstung oder Kernkraft aus dem Anlageuniversum aus. Genügt das nicht für einen nachhaltigen Ansatz?

Es ist wichtig, das Versicherungsgeschäft und die Investitionen miteinander zu harmonisieren. Ausschlüsse sind richtig bei Branchen, die keine Zukunft mehr haben (z.B. Kohle) und grundsätzlich nur negative Auswirkungen haben (z.B. Tabak). Ansonsten ist es wichtig, die Unternehmen zur Transition zu bewegen – hier kann die Drohung, Geschäftsbeziehungen zu beenden, wenn die Transition nicht erkennbar ist, ein probates Mittel als Eskalationsstufe sein.

Welchen Ratschlag würden Sie den deutschen Versicherern auf dem Weg geben? Wo lauern derzeit die größten Gefahren?

Aus unserer Sicht wird die Klimakrise und ihre Auswirkungen nach wie vor zu stark unterschätzt, auch in Bezug auf die Versicherungsbranche. Deshalb sollte die Branche schnellstmöglich ihren Beitrag dazu leisten, die nötige Transformation der Wirtschaft zu unterstützen. Versicherer haben Einfluss, diesen sollten sie nutzen. Idealerweise gemeinsam, mehr Kollaboration verbessert ihre Stellung, um proaktiv die Transformation zu beschleunigen.

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