Walter Riester gilt als Urvater der Riester-Rente: Doch sein Kind hat sich als Problemfall entpuppt. Zwar besitzen rund 16 Millionen Menschen einen solchen Vertrag, doch das Image ist wegen teils hoher Kosten und intransparenter Verträge angekratzt, Medien und Verbraucherschutz raten vom Abschluss ab. Die Fokusgruppe Private Altersvorsorge, eine Expertenkommission der Bundesregierung, empfiehlt zwar, bei einer möglichen Rentenreform das Riester-System im Kern beizubehalten: Sie empfiehlt aber auch, der Riester-Rente wegen ihres schlechten Rufs einen neuen Namen zu geben. So könnte auch der Name Walter Riester für das vermeintliche Scheitern des bisherigen Systems der privaten Altersvorsorge stehen.

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In einem Interview mit schwaebische.de hat sich der ehemalige Bundesarbeitsminister nun erneut zu der Kritik und dem schlechten Ruf an seiner Riester-Rente geäußert. Und auch, wenn er die Idee und das Konzept verteidigt, wird darin deutlich, dass Walter Riester einiges gern anders gemacht hätte, als die Riester-Rente Anfang der Nullerjahre in ein Gesetz gegossen wurde.

Riester-Reform: „Niemand konnte deutlich machen, wie“

Walter Riester wird im Interview mit der Frage konfrontiert, ob nun der Abschied von der Riester-Rente komme: durch seine Partei, der SPD, aber auch allgemein. „Darüber kann man reden“, sagt der 80-jährige. Ein Diskussionspunkt ist hierbei seit Jahren die 100-Prozent-Beitragsgarantie. Die Versicherer müssen garantieren, dass den Bürgerinnen und Bürgern zu Beginn der Rentenphase mindestens die eingezahlten Beiträge plus Zulagen zur Verfügung stehen. Das schmälert aber die Renditechancen, weil die Vorsorgeanbieter die Gelder überwiegend in festverzinsliche Anlagen investieren müssen: in Zeiten niedriger Zinsen konnten die Anbieter die Garantien kaum erwirtschaften, so dass sich mehrere Versicherer sogar aus dem Neugeschäft zurückgezogen haben.

Bereits in früheren Jahren hatte Walter Riester indirekt betont, dass es auch das Misstrauen gegenüber den Vorsorgeanbietern war, die ihn dazu veranlasste, eine 100-Prozent-Beitragsgarantie in das damalige Altersvermögensgesetz (AVmG) aufzunehmen. Um ein privates Altersvorsorgeprodukt als förderfähig zertifiziert zu bekommen, müssen die Anbieter diese Garantie zusagen: So ist es bis heute. „Wenn ich keine Nullrendite garantieren kann, muss ich doch an meinen Produkten zweifeln“, hatte Riester bereits in einem Interview vor zwei Jahren gewarnt. Davon rückt er im aktuellen Interview etwas ab - man könne auch über höhere Renditechancen bei gleichzeitig höherem Risiko reden.

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Gleichzeitig hat Riester aber auch eine Seitenhieb gegen die Reformvorschläge parat. „Dass die Riester-Rente neu diskutiert werden soll, das schwingt schon mehrere Regierungen durch und niemand konnte bislang deutlich machen, wie“, sagt er der Schwäbischen. Denn das Grundproblem bleibe ja ungelöst. Die gesetzliche Rente sei eben nicht ausreichend sicher, weil das umlagefinanzierte System in einer alternden Gesellschaft mit immer mehr Rentnern unter Druck gerät. Riester verweist darauf, dass die früheren Kohl-Regierungen eine Reform des Rentensystems versäumt hatten, obwohl sich die Probleme schon damals abgezeichnet hätten: „Reformstau“ sei das Wort des Jahres 1997 gewesen. Und Schröders rot-grüne Regierung habe sich als Reformregierung verstanden.

Vorbild Schweden: "Sozialistisches Vorhaben"?

Eine mögliche Reform sei damals die Anhebung des Rentenbeitrags gewesen, berichtet Walter Riester. Dafür habe es aber keine Mehrheiten gegeben, zumal der Rentenbeitrag höher gelegen habe als heute, bei 20,3 Prozent. Eine kapitalgedeckte Zusatzvorsorge sei die Lösung gewesen. Erneut betont Riester, dass er damals einiges anders machen wollte, aber am Widerstand gescheitert sei:

So sollte nach Riesters Vorstellung der Kapitaldeckel für alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtend sein. Und dabei spielt er indirekt auf die aktuelle Debatte um die Aktienrente an. Wie in Schweden, das als Vorbild galt, sollten die Bürgerinnen und Bürger zwischen mehreren Vorsorgefonds wählen können - und wer nichts mache, komme in einen öffentlich-rechtlichen Fonds. „Das hätte ich auch gemacht“, wird Riester nun zitiert. „Aber dafür hätte ich eine Mehrheit gebraucht, und die gab es nicht.“ Unter anderem führte damals die BILD-Zeitung eine Kampagne gegen die "Zwangsrente".

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Eine besondere Pointe: Wie Walter Riester nun erzählt, habe sich damals als erster Rezzo Schlauch von den Grünen gemeldet und das „sozialistische“ Vorhaben einer vermeintlichen Zwangsrente kritisiert. Tatsächlich war das schwedische Modell, das auch für die FDP zum Vorbild wurde, ein sozialdemokratisches Projekt: In Schweden wurde die kapitalgedeckte „Prämienrente“ 1998 unter der Minderheitsregierung von Ministerpräsident Göran Persson (SAP) beschlossen.

Mit einer Rentenpflicht wäre aus Sicht von Riester ein wichtiges Problem der heutigen Riester-Rente gelöst: die hohen Vertriebs- und Abschlusskosten. Eine obligatorische Privatvorsorge hätte nach seinen Vorstellungen beispielsweise über die Deutsche Rentenversicherung abgewickelt werden können, was die Vertriebskosten gespart hätte. „Ich kann die Kritik schon nachvollziehen“, sagt Walter Riester nun hinsichtlich des Vorwurfs, aufgrund der hohen Kosten, die die Versicherer berechnen, sei die Riester-Rente für viele Menschen unattraktiv. „Ich wäre nur froh gewesen, man hätte das damals schon gesagt."

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Dass die Riester-Rente seinen Namen trägt, war Walter Riester ursprünglich übrigens gar nicht recht. Die Idee sei nicht aus seinem Ministerium gekommen, sondern Folge der Berichterstattung in den Medien gewesen. Sein Staatssekretär und Pressechef hätten damals sogar geraten, juristisch gegen den Begriff „Riester-Rente“ vorzugehen, erzählt der 80-jährige nun der Schwäbischen. Man wisse ja nicht, was für Produkte unter den Namen verkauft werden könnten, hinter denen man eigentlich nicht stehen könnte.

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