Der Schwedische Staatsfonds hat Verwaltungskosten von nur 0,11 Prozent des eingesetzten Kapitals und kann die eingesammelten Gelder in Aktien und Fonds investieren, während bei der Riester-Rente große Teile in Anleihen einbetoniert sind - und laut umstrittenen Verbraucherstudien, etwa des Vereins „Finanzwende“, nahezu jeder vierte Euro in Verwaltung und Vertrieb fließt. Das hat auch die FDP überzeugt, die mit einer „Aktienrente“ nach Schwedischem Vorbild in den Wahlkampf zog. 2,5 Prozent des Bruttogehalts fließen in Schweden automatisch in eine aktienbasierte Alterssicherung, direkt über den Arbeitgeber. Auch deshalb ist ein keinem europäischen Land die Zahl der Aktionäre höher, wie Auswertungen der Versicherungsaufsicht EIOPA zeigen: nur zehn Prozent der erwerbstätigen Schweden sorgen nicht mit Aktien und Fonds vor.

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Noch gibt es keine konkreten Pläne für ein solches Modell in Deutschland: Selbst die 10 Milliarden Euro Startkapital für einen Kapitalstock bei der Rentenversicherung hat die Bundesregierung vorerst abgeblasen. Doch dass ein Staatsfonds wie in Schweden auch hierzulande einmal umgesetzt werden könnte, stößt in Vermittlerkreisen auf Unbehagen. Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) präsentiert nun innerhalb kurzer Zeit seine zweite Studie, weshalb sich ein öffentlich verantworteter Fonds für Deutschland nicht empfiehlt. Es handelt sich hierbei um das Forschungsinstitut des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater (BDV) und des Hochschulinstituts der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW). Es beruft sich auf seine Unabhängigkeit.

“Bürger haben unterschiedliche Präferenzen“

Stark vereinfacht hat das DIVA-Institut gefragt, wie die Bürgerinnen und Bürger bisher für das Alter vorsorgen: und daraus Aussagen über den -bisher nicht bestehenden- Staatsfonds abgeleitet. Die beliebteste Form der Altersvorsorge sei für 66,1 Prozent der Befragten die selbstgenutzte Immobilie. Mit 63,1 Prozent folge dicht darauf bereits die private Rentenversicherung mit Garantie. Auch der Abstand zu Aktien bzw. Aktienfonds (54,3 Prozent der Nennungen) sei nur moderat.

„Die Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger bei ihrer privaten Vorsorge sind sehr unterschiedlich und individuell“, schlussfolgert daraus Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA. „Die breite Streuung der Absicherungswünsche ist ein Indiz dafür, dass die Bürger bei der privaten Altersvorsorge auf ihre individuelle Situation blicken.“ Wer beispielsweise eine hohe gesetzliche Rente erwarte, sorge ergänzend eher mit Aktien und Immobilien vor: wer wenig Rente in Aussicht habe, hingegen mit einer Privatrente, die Garantien biete.

Ein zusätzliches Obligatorium in der privaten Altersvorsorge gehe folglich an den Interessen der Bürger vorbei, schlussfolgert Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater (BDV). „Vieles spricht dagegen, neben der gesetzlichen Rente eine zweite Pflichtversicherung für die Rente einzuführen - und das auch noch in der privaten Säule. Schon heute werden den Bürgern per Zwang fast 10 Prozent vom Brutto für die gesetzliche Rente abgenommen, mit Arbeitgeberanteil sind es aktuell 18,6 Prozent. Am meisten würde eine weitere Pflichtversicherung die Geringverdiener treffen, denn die haben schon heute zu wenig Netto. Und die anderen haben im Zweifel längst individuell privat vorgesorgt“, so Lach.

Man sollte die Bürger selbst entscheiden lassen, auf welche Art sie vorsorgen, kommentiert Lach weiter. Nur so bleibe die Individualität erhalten. „Ein Staatsfonds kann das nicht leisten, denn bei diesem würde nicht mehr der einzelne Bürger für sich selbst, sondern der Fondsverwalter für alle entscheiden, auf welche Art Vorsorge aufgebaut wird“, ist sich der Verbandsvertreter sicher. Fußnote: in Schweden können die Sparenden zwischen 840 verschiedenen Fonds entscheiden, die meisten davon privat verwaltet. Der Kapitalstock wurde zudem in den 80er Jahren eingeführt, um die Rentenbeiträge aus dem Umlagesystem zu entlasten.

Aber es ist doch gar kein Obligatorium geplant?

Hinzu kommt: In den bisherigen Debatten der Ampel-Koalition ist nicht von einem Obligatorium die Rede, also von einer Pflicht, Geld in einem öffentlich verwalteten Kapitalstock investieren zu müssen. Stattdessen wurde ein Opt-out-Modell vorgeschlagen. Die Beschäftigten sollen also widersprechen können, in einen solchen Fonds einzuzahlen. Bei Widerspruch müssen sie auch nicht daran partizipieren. Solange sie jedoch nicht widersprechen, zahlen sie automatisch in den Kapitalstock einen Teil ihres Gehalts.

Fehlende Pflicht: Kein Argument für den Staatsfonds aus Sicht des DIVA-Institutes. Heuser kommentiert: „Es bliebe nichts anderes übrig, als das Obligatorium, so wie die gesetzliche Rente, über die Arbeitgeber abzuwickeln. Gerade kleine Betriebe müssten dann die sonst von den Vermittlern übernommenen Beratungs- und Abwicklungsleistungen und -kosten der Vermittler übernehmen. Das würde viele überfordern.“ Bei der Umsetzung würde zudem das Subsidiaritätsprinzip verlassen: „Staatliche Fonds hätten vordergründig immer Kostenvorteile, weil bei einem staatlichen Obligatorium Werbung und Beratung wegfallen und der Staat zudem keine Eigenmittel nachweisen muss“. Die Privatwirtschaft käme so ins Hintertreffen.

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Entsprechend dem DIVA-Institut gelte es folglich, vom Staatsfonds abzurücken. Als Alternative bringt das Think Thank eine Stärkung der Riester-Rente ins Spiel. Hier könnten die Bürger entsprechend ihrer Präferenzen frei wählen: „Riester-Rente, Fondssparplan oder Wohn-Riester decken ein breites Spektrum ab“. Notwendig sei es, die Bruttobeitragsgarantie abzuschwächen oder abzuschaffen, sowie Zulagen und Förderbedingungen zu vereinfachen. Ist die Riester-Rente flexibler als ein Staatsfonds ähnlich Schweden, wo die Sparenden aus 840 Anlageoptionen aus Aktien und Fonds wählen können? Ein erfolgreicher, öffentlich verwalteter Kapitalstock würde nicht zuletzt Vermögensberatern weh tun: Sie sind mit die wichtigsten Neugeschäfts-Bringer für die Riester-Rente.

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