Neue Risikogruppe: Menschen in Berufen mit "Kopfarbeit"

Je riskanter der Beruf, desto teurer der Versicherungsschutz – diese Formel prägte lange Zeit den Abschluss einer Berufs­unfähigkeits­versicherung insbesondere für körperlich Tätige. So wurden und werden Berufe auch, je nach Risiko, bestimmten Gruppen zugeordnet für die Prämienkalkulation. Rating-Experten testen Angebote häufig nach ebensolchen Einteilungen, wie beim Versicherungsboten nachzulesen, und unterscheiden zum Beispiel sechs Tätigkeits- und Berufsgruppen: Kaufmännische Berufe, Selbstständige, Studenten, Azubis, medizinische Berufe und Handwerker. Versicherer kalkulieren aber meist mit weiteren Kategorien, so dass eine solche Einteilung nur eine erste und grobe Orientierung vorgibt.

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In diesem Kontext hatten es in der Vergangenheit besonders jene Berufstätigen schwer, an günstige Tarife oder überhaupt an Angebote für einen BU-Schutz zu kommen, die in männlich dominierten Berufen mit schweren körperlichen Tätigkeiten arbeiteten – was umso mehr galt, je mehr sie bestimmte Risikoberufe ausübten. Der Fliesenleger oder der Bauarbeiter im Straßen- und Tiefbau sind oft zitierte Beispiele für Berufe, die einen besonders teuren BU-Schutz nach sich ziehen. Körperliche Tätigkeiten, so die Logik hinter der Tarifkalkulation, bergen besondere Risiken. Und diese Risiken sind umso größer, wenn nicht nur Unfallgefahren, sondern auch körperlicher Verschleiß droht: wie beim Fliesenleger, wo infolge des vielen Hockens oft der Rücken und die Kniegelenke leiden.

Zunehmend "Kopfarbeit" von Frauen betroffen

Hingegen galten „Kopfarbeiter*innen“ oder Menschen mit Bürotätigkeiten lange Zeit als dankbare Kunden für die Versicherer und bekamen gute Angebote für einen BU-Schutz. Ein Befund, der in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr ins Wanken geriet. Und auch der aktuelle "Report Berufsunfähigkeit" von Swiss Life legt nahe: Es ist nicht mehr so einfach mit der Kalkulation des BU-Risikos.

Denn immer mehr Menschen werden wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig. Das zeigt die Auswertung eigener Daten des Versicherers. Somit verlagert sich das Risiko auch immer mehr auf vermeintlich weniger riskante Berufe der „Kopfarbeit“, die zum Beispiel einhergehen mit kaufmännischen Tätigkeiten oder Verwaltungstätigkeiten.

Und auch das Verhältnis der Geschlechter kehrt sich um: Laut Report ist das Risiko für Frauen deutlich höher, aufgrund psychischer Ursachen ihren Beruf aufgeben zu müssen. Sind doch für 44 Prozent der Frauen BU-Leistungen durch eine psychische Erkrankung verursacht, jedoch nur für 28 Prozent der Männer. Besonders hoch ist das Risiko für junge Frauen unter 30 Jahren, aufgrund einer psychischen Erkrankung berufsunfähig zu werden: In dieser Altersgruppe ist mit 47 Prozent fast jede zweite Frau von psychischen Erkrankungen betroffen, falls sie eine BU-Leistung bezieht.

Psychische Erkrankungen: Mittlerweile häufigste Ursache für BU-Leistungen

Derartige Fakten des aktuellen BU-Reports gewinnen Bedeutung im Licht einer weiteren Feststellung: Mit 37 Prozent aller Leistungsfälle (Frauen wie Männer) stellen psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen mittlerweile den häufigsten Grund der Berufsunfähigkeit, für den Leistungen bei dem Versicherer geltend gemacht werden.

Die berüchtigten Erkrankungen des Bewegungsapparats hingegen, für die der Fliesenleger mit seinen Knieleiden beispielhaft ist, verursachen 24 Prozent aller Swiss-Life Leistungsfälle und landen damit nur auf Rang zwei der Gründe für eine Berufsunfähigkeit. Dritthäufigste Ursache für eine BU-Leistung sind, mit 14 Prozent der Leistungsfälle, Unfälle. Dahinter folgen Krebs und Herz-/ Kreislauferkrankungen.

Den Wandel hinter solchen Zahlen veranschaulicht der Vergleich über die Jahre: Bei BU-Leistungen aufgrund psychischer Erkrankungen gab es in den vergangenen zehn Jahren einen Anstieg um 40 Prozent. Denn im Jahr 2009 wurden noch 26,5 Prozent der BU-Leistungsfälle durch psychische Erkrankungen verursacht. Demnach zeigt sich über die Jahre eine immer größere Wahrscheinlichkeit, durch eine psychische Erkrankung erzwungen aus dem Berufsleben auszuscheiden.

37 Prozent aller Leistungsfälle werden nach aktuellem BU-Report der Swiss-Life durch psychische Erkrankungen verursacht: Rang eins der Ursachen für Berufsunfähigkeit.@Swiss-Life

Junge Männer verunglücken überdurchschnittlich häufig

Geschlechtsunterschiede stellt der aktuelle Report jedoch nicht nur für die Wahrscheinlichkeit heraus, aufgrund einer psychischen Erkrankung auf eine BU-Leistung angewiesen zu sein. Unterschiede für die Geschlechter zeigt auch die Unfallgefahr. Noch immer nämlich ist die Gefahr besonders für junge Männer präsent, aufgrund eines Unfalls aus dem Berufsleben auszuscheiden: 33 Prozent der Leistungsfälle werden bei jungen Männern durch Unfall verursacht. Das zeigt der Vergleich der Leistungsfälle für Versicherungsnehmer bis 30 Jahren. Bei jungen Frauen hingegen sind nur neun Prozent der Leistungsfälle durch Unfälle verursacht.

Wer aber aufgrund solcher Zahlen vorschnell auf ein unterschiedliches Risikoverhalten zwischen Frauen und Männern schließt, sollte bedenken: Das verarbeitende Gewerbe, der Bereich Verkehr und Lagerei sowie das Baugewerbe sind noch immer Männerdomänen, wie erst 2018 eine Publikation der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausführte. Und junge sowie leistungsfähige Männer werden häufig mit Aufgaben betraut, die zugleich aufgrund der körperlichen Anforderungen eine erhöhte Unfallgefahr bergen.

BU-Schutz: Notwendiger denn je

Grundsätzlich nutzt der Versicherer die eigenen Zahlen, um bei Vorstellung des eigenen BU-Reports erneut auf die Wichtigkeit des BU-Schutzes hinzuweisen. So äußert Amar Banerjee, Leiter der Versicherungsproduktion bei Swiss Life: „Mittlerweile muss jeder vierte Berufstätige während seines Lebens seine Erwerbstätigkeit einschränken oder sogar ganz aufgeben. Wer sich frühzeitig gegen das Risiko einer Berufsunfähigkeit absichert, handelt verantwortungsbewusst, um auch in schwierigen Zeiten finanziell selbstbestimmt leben zu können“.

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Eine Aussage, die gerade mit Blick auf zunehmend neue Gründe für Berufsunfähigkeit wie psychische Erkrankungen an Bedeutung gewinnt: Anders als noch vor Jahren betrifft die Berufsunfähigkeit auch mehr und mehr so genannte "Kopfarbeiter*innen", denen man früher „gute Risiken“ nachsagte ... weswegen die Inanspruchnahme eines BU-Schutzes für diese Berufs- und Personengruppen als wenig wahrscheinlich galt.

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