Kurz nach zwei Uhr in der Nacht war die Tortur vorbei: Die EU-Finanzminister haben einem Rettungsplan für Zypern zugestimmt und so den Weg für milliardenschwere Beihilfen freigemacht. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades twitterte bereits wenige Minuten nach Mitternacht, die Verhandlungen hätten zu einem Ergebnis geführt. Wenig später akzeptierten auch die EU-Finanzminister den Vorschlag, den die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) ausgehandelt hatte. Nun steht einem Rettungspaket von 10 Milliarden Euro für Zyperns überschuldete Banken nichts mehr im Wege.

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Damit ist eine Pleite des Inselstaates vorerst abgewendet worden. Ob von einer „Rettung“ gesprochen werden kann, sei jedoch dahingestellt. Zypern wird harte Einschnitte akzeptieren müssen, manche Bürger werden viel Geld verlieren. Auch eine Rezession der zyprischen Wirtschaft scheint unabwendbar – sie könnte Ausmaße annehmen wie derzeit im kriselnden Nachbarstaat Griechenland. Zudem müssen sich die Sparer damit abfinden, dass sie für voraussichtlich 6 Monate nur eingeschränkt über ihr Geld verfügen können. „Die nahe Zukunft für Zypern wird schwierig“, sagte EU-Kommisar Olli Rehn.

Bank of Cyprus wird geschrumpft, Laiki Bank wird abgewickelt

Wie aber sieht der Rettungsplan im Detail aus? Hier die wichtigsten Maßnahmen des Paketes:

  • 1.) Das Geld der Kleinsparer wird nicht angetastet: Zypern muss sich mit bis zu 7 Milliarden Euro am Rettungspaket beteiligen – aber die ursprünglich angekündigte Zwangsabgabe für Sparguthaben unter 100.000 Euro ist nun vom Tisch. Der geplante Zugriff auf die Konten aller Bankkunden hatte in der letzten Woche einen europaweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst, weil die Euro-Gruppe damit mal eben die europäische Einlagegarantie für Sparguthaben unter 100.000 Euro in Frage stellte. Umso mehr werden nun die reicheren Sparer zur Kasse gebeten: Kunden der zyprischen Banken müssen einen Verlust von bis zu 40 Prozent ihres Vermögens fürchten. Davon betroffen sind nicht nur die sogenannten „reichen Russen“, mit denen in den letzten Monaten gegen eine Bankenrettung Stimmung gemacht wurde. Sondern auch mittelständische Unternehmen oder Familien, die einen Kredit für den Häuslebau aufgenommen haben.

  • 2.) Zerschlagung der Laiki Bank: Zypern hat zugesichert, seinen aufgeblähten Bankensektor zurechtzustutzen und deutlich zu verkleinern. Die Laiki-Bank, zweitgrößte Bank des Landes, soll nun komplett zerschlagen werden. Laiki-Konten mit Beträgen bis 100.000 Euro, die von der Einlagensicherung geschützt sind, werden an das größte Finanzinstitut des Landes überschrieben, die Bank of Cyprus. Einlagen über 100.000 Euro will die EU jedoch einfrieren lassen und in eine Bad Bank ausgliedern. Insgesamt könnte den Kunden der Laiki Bank so ein Verlust von 4,2 Milliarden Euro entstehen, berichtet Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Ob diese vollständig verloren sind, könne jedoch nicht abschließend gesagt werden, da auch bei der Abwicklung der Bad Bank noch Erträge für die Geldanleger möglich seien. Mit der Zerschlagung verlieren tausende Angestellte ihren Job.

  • 3.) Aufspaltung der "Bank of Cyprus": Dem größten Geldhaus Zyperns Bank of Cyprus bleibt zwar eine Zerschlagung erspart, aber auch sie soll nach dem Willen der EU-Entscheidungsträger schrumpfen. Sparer, Aktionäre und Anleihegläubiger müssen mit deutlichen Abschlägen rechnen, bis die Bank eine Eigenkapitalquote von circa 9 Prozent erreicht hat. Wie hoch der Verlust ausfällt, ist bisher noch nicht absehbar.

  • 4.) Strenge Kontrollen des Zahlungsverkehrs: Ist eine Zwangsenteignung von Zyperns Kleinsparern auch vom Tisch – über ihr Geld frei verfügen können die Bankkunden deshalb noch lange nicht. Nach wie vor fürchtet die EU einen Bank Run und die Kapitalflucht der Anleger, sobald die Geldhäuser ihre Türen wieder öffnen. Deshalb sind strenge Kontrollen des Zahlungsverkehrs vorgesehen, die voraussichtlich mindestens 6 Monate Bestand haben werden. Bankkunden können nur Kleinbeträge von ihren Konten abheben, das Geld darf nicht ohne Weiteres ins Ausland transferiert werden. Zypern wäre in dieser Zeit eine Wirtschaft ohne funktionierenden Währungsverkehr – ein Umstand, der verheerende Auswirkungen auf den Einzelhandel des Zwergstaates und das Gewerbe haben könnte. Aktuell sind noch keine konkreten Maßnahmen zur Verhinderung eines Bank Runs beschlossen wurden, über die Wiedereröffnung der Banken verhandeln Troika und Zyperns Regierung im Laufe des Montags.

Eine Rezession Zyperns scheint unabwendbar

Doch was wird der Rettungsplan letztendlich wert sein? Für Zypern scheinen die negativen Aspekte zu überwiegen. Tausende Menschen werden ihren Job im Finanzsektor verlieren, infolge dessen auch die schwächelnde Binnenwirtschaft weiter einbrechen. Es ist zu befürchten, dass das Land in eine Abwärtsspirale gerät. Eine Abwärtsspirale freilich, die im Falle eines Staatsbankrottes und dem damit verbundenen Euro-Austritt noch drastischer hätte ausfallen können. Die Pleite des Landes ist aber nach wie vor nicht abgewendet, vor dem Hintergrund einer weiteren Schwächung des Landes sogar sehr wahrscheinlich – der jetzige Hilfskredit könnte sie auf lange Sicht lediglich hinauszögern. Zyperns Geschäftsmodell scheint unwiderruflich zerbrochen. Vorgesehen sind zudem deutliche Einsparungen im Staatshaushalt, die ebenfalls einen Abwärtstrend der Wirtschaft begünstigen werden.

Dennoch bemühten sich alle Beteiligten, die Ergebnisse der Verhandlungen als Erfolg zu verkaufen. „Wir haben einen Deal, der im Interesse der EU und des zyprischen Volkes ist“, sagte Zyperns Ministerpräsident Anastasiadis. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich erleichtert. „Ich bin froh, dass wir jetzt das erreicht haben, was immer unsere Position war“, sagte Schäuble gegenüber Pressevertretern. Noch vor Beginn der Verhandlungen hatte der CDU-Politiker den Druck auf Zypern deutlich erhöht. „Ich lasse mich nicht erpressen, von niemanden“, erklärte Schäuble in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt und drängte auf eine schnelle Einigung.

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Weitaus schwerer wiegt aber in der Causa Zypern der Vertrauensverlust in den Euro, der auf andere Krisenländer wie Italien, Spanien oder Portugal abstrahlen könnte. „Neunzig Prozent meiner Klienten sagen: „Finde einen Weg, um mein Geld hier rauszubringen!“, sagte Petros Valko, ein zyprischer Finanzberater, der Fonds über 100 Millionen Euro betreut, dem Guardian. „Ganz egal was die Regierung jetzt beschließt, die Wirtschaft Zyperns ist erledigt. Vertrauen war unsere wichtigste Ware, und diese wurde zerstört.“ Auch in anderen EU-Staaten? Nun muss befürchtet werden, dass auch in den Krisenländern die Geldanleger bei der kleinsten Störung beginnen, ihr Geld außer Landes zu bringen, um eine Zwangsenteignung zu vermeiden. „Der Fall Zypern wird dafür sorgen, dass Milliarden von Euro auf Wanderschaft gehen“, kommentiert Ulrike Hermann in einem besonders pessimistischen Kommentar für die taz. Ob dies wirklich geschieht, könnte auch davon abhängen, wie sehr die negativen Auswirkungen in Zypern für Investoren und Sparer in Grenzen gehalten werden.

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