“Wir sagen Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück am 5. Oktober 2008 gemeinsam vor die Kameras traten, um diesen berühmten Satz zu verkünden, wurde vielen Bankkunden erstmals klar, dass eine Bankenkrise auch eine Bedrohung für das eigene Ersparte bedeutet. Es war auch jener Satz, der die Deutschen möglicherweise davon abhielt, einen Run auf die Finanzinstitute zu starten und ihre Bankkonten zu plündern. Doch was Zyperns Präsident Nikos Anastasiades viereinhalb Jahre später verkünden muss, könnte auch in Deutschland die Sparer verunsichern.

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Zyperns Kleinsparer müssen Zwangsabgabe zahlen

Die Banken Zyperns brauchen dringend Geld. Am Sonntag Abend erklärte Nikos Anastasiadis bei einer Fernsehansprache dem zyprischen Volk, welche Gegenleistung die EU für einen Rettungskredit erwartet. Aber nicht die Superreichen und Spekulanten sind es, die sich nun an den Kosten der Krise beteiligen sollen. Es sind vor allem Kleinsparer: Menschen, die ihr Vermögen in niedrig verzinste Geldanlagen wie Sparbücher und Festgelder investieren. Sie sollen fortan eine Zwangsabgabe auf ihr Vermögen zahlen. Hingegen bleiben riskantere Finanzprodukte wie Aktien, Investmentfonds oder Derivate von dieser Abgabe verschont.

Der Christdemokrat Anastasiadis ließ keinen Zweifel daran, dass ihm diese Regelung nicht behagt. Er habe die Bedingungen im Gegenzug für die internationale Hilfe akzeptieren müssen, sagte der studierte Rechtswissenschaftler, weil dem Inselstaat sonst die Pleite drohe. „Die gefundene Lösung ist nicht das, was wir wollten, aber es ist unter den gegebenen Umständen der am wenigsten schmerzhafte Ausgang.“ Von der Zustimmung seines Volkes machte Anastasiadis auch sein persönliches Schicksal abhängig. Er wolle den „politischen Preis“ für das in Brüssel beschlossene Maßnahmenpaket zahlen, sagte er.

Die Länder der Eurozone hatten in der Nacht zum Samstag ein zehn Milliarden Euro schweres Rettungspaket für Zypern beschlossen. Ursache für die finanzielle Schieflage ist unter anderem die Abhängigkeit der Wirtschaftsleistung vom Krisennachbarn Griechenland. Die Aufträge aus dem Nachbarstaat brachen ein, aber auch mit griechischen Staatsanleihen hatten sich zyprische Banken verzockt. Zudem belastet die Krise am Immobilienmarkt die Wirtschaftsleistung des Landes. Die Beteiligung der Sparer soll nun 5,8 Milliarden Euro betragen.

EU fordert einmalige Abgabe bis zu 9,9 Prozent auf Sparvermögen

Laut dem Beschluss der Eurogruppenländer müssen Sparer aus dem In- und Ausland mit bis zu 100.000 Euro Einlagen bei zyprischen Banken eine einmalige Abgabe von 6,75 Prozent zahlen, Kunden mit mehr als 100.000 Euro sogar 9,9 Prozent. Doch Zyperns Ministerpräsident bemühte sich, diese Zwangsabgabe kleinzureden. Die Verluste würden die Zinsen von zwei Jahren kaum übersteigen, sagte Anastasiadis, es handle sich zudem um eine einmalige Gebühr. Auch stellte der Politiker allen betroffenen Kunden eine Entschädigung in Aussicht. Sie sollen Aktien der zyprischen Banken erhalten und an den Einnahmen aus Erdgasverkäufen beteiligt werden.

Trotz dieser Beschwichtigungen ist die Angst nun groß, dass Sparer ihre Geldanlagen aus Zypern abziehen und sich das Land auf eine Kapitalflucht ohnegleichen wird einstellen müssen. Wer 100.001 Euro bei einer zyprischen Bank angelegt hat, muss nun immerhin mehr als 9.900 Euro abführen, obwohl die wenigsten Kleinsparer eine Mitschuld an der Finanzmisere tragen. In Zypern ist heute Feiertag, so dass die vollen Auswirkungen erst am Dienstag deutlich werden. Das Land überlegt, die Banken auch über den Montag hinaus geschlossen zu halten – dies sagt alles über die Brisanz des Vorhabens.

Umso dramatischer fielen die Worte aus, die Ministerpräsident Anastasiadis in seiner Fernsehansprache wählte. Zypern befinde sich im Notstand und durchlebe die schlimmste Krise seit der türkischen Invasion im Jahr 1974. Nun würde die Situation aber ebenso die Chance für einen Neuanfang bieten, machte Anastasiadis seinen Landsleuten Mut.

Riskantes Manöver mit ungewissem Ausgang

Als Problem könnte sich die Zypern-Rettung auch für den Euro erweisen. Erstmals tastet die EU die Sparguthaben von Bankkunden im großen Stil an, um einen Rettungsschirm zu finanzieren. In anderen Krisenstaaten wird dies kaum für Wohlgefallen bei der Bevölkerung sorgen. Und so warnen Experten vor den psychologischen Folgen.

"Dies ist ein riskantes Manöver mit ungewissem Ausgang", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, am Montag "Handelsblatt Online". Die geplante Zwangsabgabe für sämtliche Kunden zyprischer Banken könne "die Einleger in allen Krisenländern verschrecken und zum Räumen ihrer Konten veranlassen". Im schlimmsten Fall sei eine neue Bankenkrise zu befürchten, die sich nur durch eine „massive Intervention“ der Europäischen Zentralbank (EZB) verhindern lasse.

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Mit anderen Worten: Im schlimmsten Fall muss noch mehr Geld in die Hand genommen werden, um eine Katastrophe abzuwenden. Am Montag um 16:00 Uhr soll das zyprische Parlament über das Rettungspaket beraten.

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