In der deutschen Presse wird oft und gern suggeriert, die Rettungsmilliarden für das hochverschuldete Griechenland kommen direkt dem griechischen Volk zugute. Eine große Boulevardzeitung titelte mehrfach von den sogenannten „Pleite-Griechen“ und präsentierte wohlhabende Rentner, die ihre Gelder ins Ausland verschieben, um sich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ein schönes Leben machen.

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Auch seriöse Medien wie der Spiegel sind vor Vorurteilen nicht gefeit. Unter dem Titel „Die Armutslüge“ präsentierte das Hamburger Magazin am 15. April ein Cover, das einen griechischen Kleinbauern auf einem Esel reitend zeigte – er hatte einen schwarzen Balken über den Augen, so wie verdächtige Kriminelle in Medien unkenntlich gemacht werden. In den Lastkörben des Esels wehten Euronoten. „Insgesamt ein Titel, der an rassistischen Anspielungen deutlich stark genug für ein NPD-Wahlplakat gewesen wäre“, kommentierte der Journalist Michalis Pantelouris – und vermutete bewusste Stimmungsmache des Nachrichtenmagazins, um auch an den Stammtischen zu punkten. Die südlichen Eurostaaten würden pauschal unter Sozialbetrugsverdacht gestellt.

Wer aber profitiert tatsächlich von den Rettungsmilliarden für das klamme Griechenland? Die Globalisierungskritiker von Attac wollten es genau wissen und haben in mühevoller Kleinarbeit Zahlen und Daten aus den offiziellen Statistiken zusammengetragen. Das Ergebnis: Von den 207 Milliarden Euro an Hilfskrediten, die Europartner und der Internationale Währungsfonds bisher nach Athen überwiesen haben, flossen fast 160 Milliarden Euro an die Banken und Kapitalanleger im In- und Ausland. Nur ein Bruchteil sei tatsächlich dem griechischen Volk zugute gekommen. Dies geht aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Montag hervor.

Attac kritisiert: Ziel der Eliten sei Rettung des Finanzsektors

“Das Ziel der politischen Eliten ist nicht die Rettung der griechischen Bevölkerung, sondern die des Finanzsektors“, sagte Lisa Mittendrein von Attac Österreich der Süddeutschen Zeitung. Für die Aktivistin ist klar: „Unsere Regierungen retten die Banken und Reiche!“ So seien mindestens 77 Prozent der Hilfsgelder direkt oder indirekt dem Finanzsektor zuzuordnen. Davon hätte unter anderem die griechische Milliardärsfamilie Latsis profitiert, die große Teile der vom Staat aufgefangenen „Eurobank Ergasias“ besitze.

Laut dem Attac-Bericht steckte die Regierung in Athen allein 58 Milliarden Euro in die Aufstockung des Eigenkapitals griechischer Banken. 55 Milliarden Euro wurden für den Rückkauf auslaufender Staatsanleihen ausgegeben und elf Milliarden für den Rückkauf alter Schulden. Mit weiteren 35 Milliarden Euro habe man den internationalen Banken, Investmentfonds und Versicherungen die Teilnahme am Schuldenschnitt des Jahres 2012 schmackhaft gemacht.

Doch selbst die 47 Milliarden Euro, die tatsächlich im griechischen Staatshaushalt ankamen, wurden kaum zum Wohle der Bevölkerung investiert. Knapp 35 Milliarden Euro dieser Gelder musste Athen umgehend als Zinszahlungen an die Besitzer von Staatsanleihen weiterleiten, rechnet Attac vor. Auch habe Griechenland in den Jahren 2010 und 2011 mehr als 10 Milliarden Euro für Rüstungsprojekte ausgegeben, weil die Regierungen in Berlin und Paris darauf bestanden hätten, keine Aufträge bei europäischen Rüstungsfirmen zu stornieren. „Die weit verbreitete und von europäischen Politikern öffentlich vertretene Position, dass das Geld der sogenannten Rettungspakete den Menschen in Griechenland zugutekommen würde, ist damit widerlegt“, sagt die Aktivistin Mittendrein. Die einfachen Bürger würden nun die Zeche zahlen müssen - in Form einer brutalen Kürzungspolitik mit verheerenden sozialen Folgen.

Bundesregierung spricht vom „mittelbaren Nutzen“ der Rettungsgelder

Die Bundesregierung will die Kritik von Attac allerdings so nicht stehen lassen. Mittelbar hätten die Menschen in Griechenland sehr wohl von den Hilfskrediten profitiert, heißt es im Finanzministerium. Mit dem Hilfsprogramm habe man Athen die nötige Zeit verschafft, den Staatshaushalt zu sanieren, den Schuldenabbau einzuleiten und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zu steigern. Auch sei Berlin mit dafür eingetreten, dass private Gläubiger Griechenlands auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten.

Ähnlich argumentiert auch die Süddeutsche Zeitung in ihrem Artikel. „Was wäre eigentlich passiert, wenn die Staatengemeinschaft der Regierung in Athen 2010 nicht zur Hilfe geeilt wäre?“, fragt das Münchener Blatt. „Der Staat hätte von heute auf morgen die Zahlungen an Beamte, Rentner und öffentliche Einrichtungen – darunter Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten – einstellen müssen.“

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Die aktuellen Arbeitsmarktdaten für Griechenland bieten aber wenig Grund zur Freude. Wie das griechische Statistikamt ELSTAT berichtet, brach das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2013 erneut um 5,6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr ein. Auch das Baugewerbe schwächelt: die Baugenehmigungen gingen im März 2013 um -50,9 Prozent zum Vorjahresmonat zurück. Die Arbeitslosenquote kletterte im März auf einen Rekordwert von 26,8 Prozent.

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