Wird das Provisionsabgabeverbot abgeschafft, so sieht der Interessenverband Vermittler und Verbraucher als gemeinsame Verlierer. „Insbesondere kleinere Vermittlerunternehmen werden damit nicht unerheblich in ihrer Existenz bedroht.“, so Christian Henseler, Mitglied des Vorstandes des SdV. Neben den in den vergangenen Jahren durch den verstärkten Verbraucherschutz ohnehin entstandenen Mehraufwendungen des Versicherungsvermittlers sollen nun durch einen zusätzlichen Wettbewerb unter den Vermittlern um die höchste Provisionsweitergabe an den Kunden die Verbraucherinteressen weiter gestärkt werden, so die Befürworter des Urteils. Die Verlierer dieses Wettbewerbes stehen schon heute fest, so Christian Henseler weiter: „Das Rennen macht dann nicht mehr die beste Beratung und das beste bzw. bedarfsgerechteste Produkt, sondern die größte Provisionsweitergabe.“

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Bisherige gesetzliche Vorgaben hatten stets das Ziel, für den Verbraucher mehr Transparenz in einer für ihn sehr komplexen Materie zu schaffen und ihm somit eine bessere Entscheidungsgrundlage zu geben. Aus diesem Grund hat der Vermittler beim ersten Geschäftskontakt über seinen Status zu informieren und anschließend die Beratung zu dokumentieren. Der Kunde erhält vor Abschluss der besprochenen Produkte sämtliche Unterlagen einschließlich des Produktinformationsblatts. Alle diese aus Verbrauchersicht sinnvollen neuen Regelungen fallen auch dadurch unter den Tisch, dass der potenzielle Versicherungsnehmer mit einem Provisionsanteil gelockt bzw. „gekauft“ werden kann.

Schwarzen Schafen würde es besonders leicht gemacht

Provisionen unter anderem für Lebensversicherungen werden diskontiert, das bedeutet bevorschusst bezahlt. Für eine Police mit 200 € Monatsbeitrag über 30 Jahre Laufzeit wird eine Provision von etwa 3.000 € bezahlt, was rund 4 % der Beitragssumme entspricht. Wird z. B. die Hälfte dieser Provision an den Kunden gezahlt, weil dieser droht, sonst anderweitig abzuschließen, steht der abgebende Vermittler mit 1.500 € im Risiko: Zahlt der Kunde nicht mindestens 2 ½ Jahre lang Beiträge, muss der Vermittler an die Versicherungsgesellschaft mehr zurückzahlen, als ihm nach Provisionsabgabe überhaupt verblieben ist. Zahlt der Kunde nach Erhalt der Provision gar nicht, bleibt der Vermittler sogar auf einem Verlust von 1.500 € sitzen.

So wird der Vermittler letztlich auch zum ungewollten Kreditgeber an den Kunden: Es besteht durchaus die Gefahr, dass Menschen, die durch überzogenen Dispokredit, ratenrückständige Konsumentenkredite und unbezahlte Rechnungen nirgendwo mehr Geld bekommen, schnell auf die neue Möglichkeit der Geldbeschaffung kommen und Vermittlern hohe Vertragsabschlüsse anbieten gegen eine entsprechende Beteiligung an der Provision. Letztlich würde es auch darauf hinauslaufen, dass ein Kunde einen Teil seiner staatlich geförderten Altersversorgung über den Umweg der Provision sofort wieder ausgezahlt bekommt. Damit würde die staatliche Förderung teilweise ad absurdum geführt.

Wir sind die einzigen in Europa – und das ist gut so?

Vielfach wird gegen das Verbot ins Feld geführt, dass Deutschland das einzige Land ist, in dem es ein solches Verbot gibt. Das widerstrebe den EU-Prinzipien, sagen die Befürworter der Abschaffung.

Dabei sei daran erinnert, dass auch bei der Einführung der EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie viele deutsche Besonderheiten berücksichtigt wurden und das aus gutem Grund. Die deutsche Versicherungslandschaft ist nun mal über die letzten Jahrzehnte anders gewachsen als in anderen Ländern und es ist daher gut so und im Sinne der deutschen Verbraucher, darauf Rücksicht zu nehmen. Es wäre ein Fehler, alles in ein einheitliches Korsett zu pressen. Das hilft niemandem und schadet mehr als es nützt, so die Überzeugung des SdV.

Das Verbot selbst steht möglicherweise gar nicht in Frage

Das ergangene Urteil bedeutet nun noch lange nicht, dass ab jetzt Provisionen weitergegeben werden dürfen. Das Urteil hat noch keine Rechtskraft. Das Gericht ließ die Berufung und die sogenannte Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Es gilt als wahrscheinlich, dass die BaFin davon auch Gebrauch macht.

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Bemerkenswert ist, weshalb das Gericht das Provisionsabgabeverbot für unzulässig erkannt hat. Das Gericht hält das Verbot der Provisionsabgabe für „zu unbestimmt“. Die Richter haben also gar nicht zu dem Verbot an sich Stellung genommen, sondern nur zu dessen mangelnder Regelungsgenauigkeit. Das dürfte im weiteren Fortgang des Verfahrens eine nicht unerhebliche Rolle spielen, denn im Umkehrschluss könnte es sogar so ausgelegt werden, dass das Verbot in seinem Kern überhaupt nicht beanstandet und damit letztlich bestätigt wurde.

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