Verhandelst du noch, oder schläfst du schon? Beinahe acht Stunden saßen die Spitzen von Union und FDP in der Nacht vom Sonntag zum Montag zusammen, um über das weitere Vorgehen der Regierung bis zur Bundestagswahl zu beraten. Doch was im Kanzleramt beschlossen wurde, hatten viele Medien schon vorher prophezeit: Ein Kompromiss, der ein wenig nach Kuhhandel aussieht. Dies mag auch ein Grund gewesen sein, warum in den frühen Morgenstunden nicht die Parteichefs persönlich das Ergebnis vor der Presse verkündeten. Sie schickten stattdessen ihre Generalsekretäre vor.

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Die wichtigsten Beschlüsse: Das CSU-Betreuungsgeld soll nun kommen, wenn auch erst im August 2013. Auch zusätzliche Gelder für den Ausbau der deutschen Straßen setzten die Christsozialen durch. Die FDP kann ihren Wählern als Erfolg verkaufen, dass die Praxisgebühr abgeschafft wird. Und auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kann einen Mini-Erfolg verbuchen. Der vielbeschworene Kampf gegen Altersarmut soll noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden – mit einer sogenannten „Lebensleistungsrente“.

Den Beschlüssen ging ein monatelanger Streit der Regierungsparteien voraus, in denen Spitzenvertreter mehrfach die Projekte ihrer Koalitionspartner torpedierten. Etwa hatte FDP-Chef Philipp Rösler das Betreuungsgeld als zu teuer abgelehnt. Auch Ursula von der Leyens Idee einer Zuschussrente erteilte die FDP zunächst eine Absage. Wegen der Auseinandersetzungen war die Koalition wie gelähmt. Noch am Wochenende forderte CSU-Chef Horst Seehofer, die Regierung müsse nun Handlungsfähigkeit beweisen. "Es geht um die Regierungsfähigkeit der Koalition", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Die Beschlüsse im Detail: Was sich im kommenden Jahr ändern könnte

  • Abschaffung der Praxisgebühr: Die seit 2004 geltende Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro pro Quartal soll im kommenden Jahr abgeschafft werden. Als Termin nannte FDP-Generalsekretär Patrick Göring den 01. Januar 2013. Nach Berechnungen der Koalition werden die Bürger damit um zwei Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Eine Senkung der Krankenkassenbeiträge wird jedoch voraussichtlich nicht kommen.

  • Betreuungsgeld: Das Betreuungsgeld, ein Prestigeprojekt der CSU, wird im kommenden Jahr eingeführt. Allerdings ein paar Monate später als ursprünglich geplant. Ab dem 01. August 2013 erhalten Eltern für ihre Kinder im zweiten Lebensjahr 100 Euro, ein Jahr später 150 Euro. Es ist zudem geplant, dass die Eltern das Geld für die private Altersvorsorge des Kindes oder für ein Ausbildungskonto aufwenden können. Wird das Geld in die private Altersvorsorge gesteckt, zahlt der Staat sogar einen Bonus von 15 Euro im Monat. Die Opposition hat bereits angekündigt, gegen die Einführung zu klagen.

  • Haushaltssanierung: Bis zum Jahr 2014 soll der Staatshaushalt ohne neue Schulden auskommen. Weil die nun beschlossenen Maßnahmen Milliardengelder kosten, muss zukünftig anderswo gekürzt werden. Sonderausgaben für den Eurorettungsfonds ESM oder konjunkturell bedingte Mehrausgaben werden dabei allerdings herausgerechnet.
    Um das Sparziel zu erreichen, soll der Gesundheitsfonds der Krankenkassen zukünftig weniger Geld erhalten. Auch soll mehr Geld der Kreditanstalt für Wiederaufbauin den Haushalt zurückfließen. Alles übrige müsse bei der Haushaltsaufstellung geleistet werden, sagte Döring.

  • Einführung einer „Lebensleistungsrente“: Die Renten von Geringverdienern sollen aus Steuermitteln aufgestockt werden, wenn sie unter der Grundsicherung liegen. Allerdings ist diese Aufstockung an sehr strenge Voraussetzungen gebunden, die viele Ruheständler nicht werden erfüllen können. So müssen Geringverdiener mindestens 40 Beitragsjahre zur gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen und ebenfalls eine private Altersvorsorge, wenn sie von der Lebensleistungsrente profitieren wollen. Das bedeutet für viele Geringverdiener: Sie sollen noch mehr Geld für die private Alterssicherung beiseite legen, obwohl sie sowieso kaum mit ihren Finanzen über die Runden kommen.

    Der jetzige Kompromiss bedeutet keineswegs, dass das ursprüngliche Modell der Zuschussrente wie geplant umgesetzt wird. Nach Angaben der Koalition geht es nur um eine geringe monatliche Aufstockung, mit der die Rente 10-15 Euro über die Grundsicherung von derzeit 688 Euro im Monat angehoben werden soll.

  • Zusätzliche Investitionen in Straßenbau und die Infrastruktur: Erst vor einem Jahr war das Budget für den Straßenbau um eine Milliarde Euro aufgestockt wurden. Doch die CSU wollte noch mehr Geld für Infrastrukturprojekte. Verkehrsminister Peter Ramsauer darf sich über ein Plus von weiteren 750 Millionen Euro freuen.
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