Versicherungsbote: 2022 war kein Jahr wie jedes andere: Die Corona-Krise war noch nicht überwunden, da brach mitten in Europa ein Krieg aus. Wie hat sich das Krankenversicherungs-Geschäft der HanseMerkur im abgelaufenen Geschäftsjahr entwickelt? Haben sich die aktuellen Krisen ausgewirkt?

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Eberhard Sautter: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen mit Energiekrise, Inflation und Rezessionssorgen ist es der HanseMerkur 2022 gelungen, im Krankenversicherungsgeschäft ein sehr erfreuliches Geschäftsergebnis zu erzielen und ihren Erfolgskurs fortzusetzen. So wächst die HanseMerkur Krankenversicherung AG bei den Beitragseinnahmen der Voll- und Zusatzversicherung im 21. Jahr in Folge und verzeichnet in der Krankenvollversicherung einen herausragenden Neugeschäftsmarktanteil von 12,7 Prozent. Das zeigt, dass die Kombination aus smarten Produkten, sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und einem plural aufgestellten Vertrieb immer mehr Kunden von der HanseMerkur überzeugt. Mit der Markteinführung des Früherkennungsprogramms Krebs-Scan unterstreichen wir zudem unseren Anspruch, den Menschen medizinische Innovationen zugänglich zu machen.

…und wie hat sich das Geschäft im ersten Quartal 2023 gestaltet? Wo sehen Sie Chancen und Risiken für das laufende Geschäftsjahr?

Das erste Quartal 2023 hat sich in der Krankenversicherung weiter erfolgreich gestaltet und wir setzen unser Wachstum fort. Im Hauptgeschäftsfeld „Gesundheit & Pflege“ konnten die Beitragseinnahmen um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 480 Mio. EUR gesteigert werden.

Wir sind zuversichtlich, dass wir unser strategisches Mittelfristziel, bis 2025 in die Top 10 der deutschen privaten Gesundheitsversicherer aufzusteigen, bereits in diesem Jahr realisieren können. Als Enabler für moderne Versorgungsangebote wollen wir die Bedarfe der Menschen frühzeitig erkennen. Genau dies tun wir mit unserer neuen Zusatzversicherung Krebs-Scan, für die wir große Wachstumschancen sehen. Nach einer rund sechsmonatigen Pilotphase ist dieses Früherkennungsprogramm seit März bundesweit in allen Vertriebskanälen im aktiven Verkauf. In nur zwei Monaten haben sich bereits rund 5.500 Kunden für Krebs-Scan entschieden.

Innovationen auf den Markt zu bringen, heißt für uns als Versicherer auch die Pionierrolle zu übernehmen und auf Kritik eingestellt zu sein. Aber ohne Mut und besagten Pioniergeist, ist Fortschritt nicht realisierbar. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst – insbesondere im Zusammenhang mit Krebs-Scan, schließlich ist Krebs ein äußerst sensibles Thema. Die Nachricht einer Krebserkrankung verändert das Leben der Erkrankten und deren Angehörigen schlagartig und ist mit vielen Ängsten und Fragen verbunden. Es erfordert daher eine hohe Fachexpertise und besonderes Fingerspitzengefühl, an die Kunden heranzutreten und diese adäquat zu beraten.

Die Gesundheitskosten steigen, unter anderem aufgrund der hohen Inflation, der Demografie und der Reformen zur Verbesserung der Pflege. Wie gehen Sie als Krankenversicherer damit um? Müssen sich die Versicherungsnehmer zeitnah auf steigende Beiträge einstellen?

Steigende Beiträge aufgrund der demographischen Entwicklung gibt es in der privaten Krankenversicherung aufgrund des Kapitaldeckungsverfahrens nicht. Der Inflation und der gesetzlichen Leistungsausweitung können wir uns allerdings auch nicht entziehen. Allerdings wirken sich unsere sehr preis- und leistungsstabilen Kollektive in dieser Hinsicht positiv auf die Beitragsveränderungen aus. Dies schaffen wir vor allem auf Grundlage eines fairen und konsequenten Leistungsmanagements sowie eines modernen Tarifdesigns. Auch unser sorgfältiges Vorgehen bei der Annahme und der Risikobeurteilung sind hier zu nennen. Durch unser nachhaltiges Wachstum werden unsere Tarifkollektive zudem jedes Jahr weiter gestärkt, was sich wiederum günstig auf unsere KV-Beitragsentwicklung auswirkt.

…und welche Stellschrauben bieten sich aktuell in der privaten Krankenversicherung an, um Gesundheitskosten zu senken?

Wir ergreifen kontinuierlich Maßnahmen, um die Inanspruchnahme und die Höhe der Versicherungsleistungen zu dämpfen und damit die Beiträge zu verstetigen. So vereinbaren wir zum Beispiel mit Pharmaunternehmen verschiedene Rabatte. Auch fördern wir die Verordnung günstigerer Generika. Über Kooperationen mit spezialisierten Anbietern erreichen wir, dass Hilfsmittel preiswerter zu erwerben sind. Außerdem hat unser Gesundheitsmanagement für verbreitete chronische Krankheiten Programme aufgelegt, um die Versicherten zu informieren und zu gesundheitsförderndem Verhalten zu animieren.

Darüber hinaus profitieren Versicherte, die keine Leistungen zur Erstattung eingereicht haben, mit einer jährlichen Beitragsrückerstattung (BRE). Damit schaffen wir einen Anreiz, sich kostenbewusst zu verhalten und kleinere Rechnungen selbst zu begleichen. Unsere Vorsorge-Schecks, die leistungsfreie Versicherte im Rahmen der BRE erhalten, sorgen dafür, dass die Versicherten trotz ihres kostenbewussten Verhaltens wichtige Vorsorgeuntersuchungen ohne Verlust der BRE wahrnehmen können. Die Kosten der Vorsorge-Schecks werden, ebenso wie die BRE, aus den Überschüssen des Unternehmens finanziert und gehen damit nicht zu Lasten des jeweiligen Tarifs.

Die Gesellschaft altert. Zwar haben die privaten Krankenversicherer mit den Alterungsrückstellungen ein stolzes Kapitalpolster - und damit einen Vorteil gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen. Kann die Demografie für die PKV dennoch ein Risiko bedeuten: zum Beispiel, weil die Zielgruppe für das Neugeschäft schrumpft?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung in der PKV – bedingt durch das Kapitaldeckungsverfahren – nachhaltig und generationengerecht ist. Der demografische Wandel stellt damit – zumindest unmittelbar – kein Risiko für uns als Krankenversicherer dar.

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Ein durch den demografischen Wandel verursachter schrumpfender Zielmarkt bedeutet in erster Linie einen stärkeren Wettbewerb um potenzielle PKV-Kunden. Das führt zu Herausforderungen für die Versicherer und tendenziell zu Vorteilen für Kunden, die durch den verstärkten Wettbewerb von günstigeren Beiträgen oder besseren Leistungen profitieren können. Grundsätzlich bereitet uns der demografische Wandel im Hinblick auf das Neugeschäft aber weniger Sorgen als z. B. politisch herbeigeführte Regularien, die den Zugang zur PKV erschweren.

"Reformbedarf sehen wir vor allem in der Pflege"

Die Notenbanken haben den Leitzins angehoben, viele Anlagestrategen der Versicherer rechnen laut einer Goldman Sachs-Umfrage mit einem Comeback festverzinslicher Wertpapiere. Wie wirkt sich die aktuelle Marktsituation -steigende Zinsen, hohe Inflation, volatile Märkte- auf Ihre Anlagestrategie aus? Können Sie uns dazu einen Einblick geben?

Die HanseMerkur ist so aufgestellt, dass sie jeden Tag flexibel auf Marktentwicklungen reagieren kann. Mit der HanseMerkur Trust (HMT) und der HanseMerkur Grundvermögen (HMG) verfügen wir über eine hohe Expertise im Asset Management. Mit einem Ergebnis von 35,8 Mio. EUR vor Steuern erreichten die Asset-Management-Gesellschaften 2022 eine neue Rekordhöhe (+ 31,1%). Vor dem Hintergrund eines zinsdrehenden Marktes wird im laufenden Geschäftsjahr insbesondere die HMT verstärkt Drittgeschäft zeichnen. Generell gilt für die HMT, dass Aktienexposure niemals ohne Absicherung eingegangen wird. Weiterhin fühlen wir uns mit der Allokation der Assetklasse Alternatives (PD) gut positioniert, weil in der Assetklasse Alternatives immer noch sehr attraktive Renditen zu erzielen sind und hierdurch die Volatilität der Kapitalanlage reduziert werden kann.

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Die Bundesregierung bereitet eine umfassende Gesundheitsreform vor, auch wegen explodierender Kosten im GKV-System. Unser Eindruck: Die private Krankenversicherung spielt in der Debatte bisher keine Rolle. Welche Baustellen sollte der Gesetzgeber in der PKV angehen? Wo sehen Sie Reformbedarf?

Die PKV ist ein wichtiger und fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland und Innovationstreiber für das Gesamtsystem. Sie stabilisiert das Krankenversicherungssystem ohne jeglichen Steuerzuschuss. Mit jedem Euro der PKV-Wertschöpfung ergeben sich in der Gesamtwirtschaft zusätzlich 1,90 €. Ein praktisches Beispiel: Niedergelassene Ärzte generieren im Durchschnitt circa 55.000 EUR im Jahr an Umsatz mit Privatpatienten; dies entspricht dem Durchschnittsgehalt von 1,75 medizinischen Fachangestellten, die der Arzt davon bezahlen kann. Gleichwohl ist die große Mehrheit der Bürger in der GKV versichert, das spiegelt sich dann auch in der politischen Akzentuierung wider.

Reformbedarf sehen wir vor allem in der Pflege, die sinnbildlich für andere Herausforderungen im Gesundheitswesen steht: Der vorliegende Entwurf der Pflegereform löst die Finanzprobleme der Sozialen Pflegeversicherung nicht, sondern verschärft sie sogar. Es fehlt eine nachhaltige Finanzierungsstrategie für unsere alternde Gesellschaft. Dringend nötig ist ein Ausbau der privaten und betrieblichen Pflegevorsorge. Nur so kann eine kapitalgedeckte Demografiereserve aufgebaut werden.

Aktuell wird viel über den Fachkräftemangel diskutiert, auch bei den Versicherern und im Vertrieb herrscht ein hoher Altersschnitt: Makler beispielsweise sind im Schnitt Mitte 50. Und das, obwohl eine Ausbildung in der Versicherungsbranche sehr gut vergütet wird. Wie können junge Fachkräfte für die Versicherungsbranche gewonnen werden? Hat die HanseMerkur bereits Initiativen, um Nachwuchs zu werben?

Der Altersschnitt der Makler in der Versicherungsbranche ist insgesamt tatsächlich recht hoch. Eine jüngere Altersstruktur gibt es hingegen bei den strukturierten Vertrieben, von wo viele unserer Makler stammen. Wichtig zu betonen ist in diesem Zusammenhang: Der Maklerberuf gehört nicht zu den klassischen Ausbildungsberufen. Wir bilden Makler nicht aus, jedoch stetig weiter.

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Bezogen auf die klassische Berufsausbildung ist die Situation derzeit sehr gut. Erst 2022 haben wir eine Ausbildungsinitiative gestartet und seitdem deutlich mehr Plätze im Angebot. Jungen Leuten im Innendienst bieten wir hervorragende tarifliche Rahmenbedingungen, eine sehr individuelle Ausbildung und eine realistische Übernahmeperspektive an. Auch Berufserfahrenen haben wir als einer von Hamburgs Top Arbeitgebern eine Menge zu bieten. Hierzu gehören zum Beispiel eine 38-Stunden-Woche mit flexiblen Arbeitszeiten und Gleitzeit, individuelle Homeoffice-Regelung nach Absprache, 30 Tage Urlaubsanspruch, vielfältige Gesundheitsangebote und ein attraktives Vergütungspaket mit bis zu 14 Monatsgehältern.

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