Unabhängigkeit: „Wir haben auf bestimmte Umsätze verzichtet“
Warum Erfahrungen als Vermittler für die Unternehmensgründung wichtig und Mitarbeiter das neue Gold sind – darüber sprach Versicherungsbote mit Michael Franke und Katrin Bornberg. Auch zum Verkauf der ehemaligen Franke Bornberg Research GmbH bezogen die Rating-Experten Stellung. Im ersten Teil des Interviews aber geht es um Unabhängigkeit und Neutralität im Rating-Geschäft.
- Unabhängigkeit: „Wir haben auf bestimmte Umsätze verzichtet“
- „Ein Rating mit zu vielen Top-Noten ist schnell wertlos“
Versicherungsbote: Sie waren selbst eine Zeit lang Vermittler und stehen nun seit über 30 Jahren an der Spitze eines inhabergeführten Unternehmens. Welchen Einfluss hatte die Tätigkeit auf die Unternehmensgründung?
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Michael Franke: Ja – in einem „früheren“ Leben war ich Vermittler und kann mich deshalb gut in diese Tätigkeit hineinversetzen. Das ist eine Handschrift, die wir auch beibehalten haben – also die Erfahrung in diesem Bereich. Viele Mitarbeiter von uns haben ebenfalls diese Erfahrung. Und ich halte das für einen schwer zu ersetzenden Vorteil – wenn man etwas für eine Zielgruppe entwickelt und auch die gleiche Erfahrung wie diese Zielgruppe hat.
Außerdem ist es für Unternehmer gut, wenn man gelernt hat, unmittelbar von seinem Erfolg abhängig zu sein. Vertrieb funktioniert schwarz / weiß und unmittelbar. Wenn du keinen Erfolg hast, kannst du deine Familie und dein Team nicht ernähren. Das muss man aushalten können. Kein Unternehmen kommt ohne „Vertrieb“ aus.
Das Wort „inhabergeführt“ haben Poolchefs ja früher vor sich hergetragen wie eine Monstranz, weil sie darin eine besondere Vorstellung von ihrer Unabhängigkeit verwirklicht sahen. Was bedeutet für Sie „Unabhängigkeit“?
Über diese Frage kann man viel philosophieren. Aber wir haben eine eigene Philosophie, die wir von Anfang an vertreten haben. Und die war aus unserer Wahrnehmung auch etwas enger als die einiger Wettbewerber. Wir haben eine strikte Trennung durchgesetzt – was wirtschaftlich nicht einfach war damals.
Ich war als Vermittler durchaus erfolgreich. Und als ich ins Ratinggeschäft wechselte, habe ich praktisch wieder bei Null angefangen – das eine Geschäft war zu Ende, ein neues fing an. Das war 1996. Ich habe komplett mit der Vermittlertätigkeit aufgehört, was ein harter Cut war. Aber da war ich konsequent, obwohl ich eine Familie zu ernähren hatte. Vermittlung und Neutralität in der Bewertung gehen nicht zusammen.
Nicht Alle, die Versicherungsvergleiche anboten, haben diesen Cut so streng vollzogen. Aber ich wollte Ideen und Visionen umsetzen und keine Diskussionen über Interessenskonflikte. Unabhängigkeit ist ein starker Treiber für die Umsetzung ambitionierter Ideen. Auch als Ratingagentur haben wir die Tätigkeiten immer streng voneinander getrennt. Deswegen haben wir auf bestimmte Geschäftsfelder verzichtet und beispielsweise keine Beratung zur Produktentwicklung gemacht. Als wir das Geschäftsfeld Vergleichsprogramme angepackt haben, haben wir eine neue Company als technische Einheit gegründet, die Programme entwickelt. Rating-Geschäft und technisches Geschäft – das waren immer zwei Unternehmen: die ältere Ratingeinheit Franke und Bornberg GmbH und die technische Einheit Franke und Bornberg Research GmbH, die jetzt die fb research GmbH ist.
Die Franke und Bornberg Research GmbH kam erst später hinzu?
Die Franke und Bornberg Research GmbH haben wir im Jahr 2000 gegründet – das war die Zeit der Internetblase. Katrin Bornberg und ich haben das Unternehmen zusammen mit einem Techniker gegründet. Ursprünglich ging es uns darum, unsere eigenen Ratings technisch verfügbar zu machen und die gedruckten Atlanten abzulösen. Dann folgte eine Research-Datenbank für Versicherer und sukzessive haben wir in der Folgezeit die führende technische Vergleichs-, Analyse-und Abschluss-Plattform fb-xpert entwickelt, die heute zu zu fb research gehört.
Wodurch unterscheiden sich die Prozesse? Hat man, wenn man ein Rating durchführt, nicht schon einen Versicherungsvergleich?
Nein, hat man nicht. Zum Versicherungsvergleich gehört viel mehr dazu. Ein Rating ist immer eine aggregierte Aussage, die auf einer Vielzahl von Untersuchungsdetails basiert und mit Gewichtungsfaktoren und Mindestandards ausbalanciert ist. Nach bestimmten Kriterien und Prüfungsschritten vergeben wir eine Note ein Produkt oder Unternehmen. Das ist für eine Orientierung gut, aber für eine Kundenberatung nicht ausreichend, weil individuelle Faktoren bei jedem Kunden hinzu kommen.
Um Ihnen ein typisches Beispiel zu geben: wenn ich eine gute bewertete Berufsunfähigkeitsversicherung habe, sollte ich dennoch bei einem Beamten auf die Dienstunfähigkeitsklausel achten. Ich kann diese Dienstunfähigkeitsklausel aber nicht in das allgemeine Rating hinein nehmen – das würde Ergebnisse verzerren für alle, die nicht verbeamtet sind. Insofern gibt es weitere Faktoren, die je nach Kundensituation von Bedeutung sind. In den technischen Tools habe ich natürlich die Möglichkeit, ergänzend zum Rating weitere Filterkriterien oder Qualitätskriterien hinzuzuwählen.
Das betrifft aber nur die qualitative Seite. Die Prämienseite ist natürlich nochmal von einer eigenen Komplexität. Mit dem modernen Vergleichsprogramm haben wir den Vertrieb drastisch vereinfacht, denn kein unabhängiger Vermittler muss sich mehr durch dutzende Angebotsprogramm schlagen, um einen exakten Prämienvergleich zu bekommen. Heute rufen wir die Prämien vielfach über die Web-Services der Versicherer ab. Das ist zunehmend der Trend.
Aber das Thema Unabhängigkeit hat viele Facetten – oder das Thema Neutralität. Wir haben uns stets darum bemüht, das Geschäft, das wir betreiben, möglichst unangreifbar zu machen. Um ein weiteres Beispiel zu geben: Wir haben nicht nur die Vermittlung außen vor gelassen, sondern zum Beispiel auch die Beratung von Versicherern. Wir wollen nicht bewerten, was wir vorher mit entwickelt haben.
Man könnte sagen, dass uns dadurch eine Menge Geld durch die Lappen gegangen ist. Dafür haben wir aber durch unsere Unabhängigkeit in vielen Bereichen die Benchmark setzen können.
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Spannend ist: Große internationale Agenturen haben sich ja überhaupt nicht darum geschert. Diese geschachtelten Papiere, die Auslöser waren für die Finanzkrise, haben die Ratingagenturen zuvor mitentwickelt. Und natürlich haben wir auch gesehen, wozu fehlende Unabhängigkeit führen kann und wie sorglos die Zielgruppe bei Interessenkonflikten war – seien es Versicherer oder gerade auch Vermittler oder Makler. Denn wenn ich bei der Produktentwicklung berate und dies sogar ganz offensiv anbiete und gleichzeitig die Produkte bewerte, dann habe ich einen Interessenkonflikt – ganz klar.
„Ein Rating mit zu vielen Top-Noten ist schnell wertlos“
Sie geben mir das Stichwort: Interessenskonflikte. Die Verbraucherzentralen wollen Beratung und Verkauf strikt voneinander trennen. Eine gute Idee?
Man sollte unterscheiden, ob das in der Theorie oder der Praxis eine gute Idee ist. Wenn man es rein theoretisch durchdenkt, hat die Idee etwas Schlüssiges. Aber die Frage ist – was passiert mit dem Beratungsergebnis, wenn man dann den Staffelstab an den Verkauf übergibt?
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Wenn der Kunde die Beratung bezahlt, hat er immer noch kein Produkt.
Genau, und was passiert denn in der Praxis? Ich habe selbst erlebt, wie hinterher etwas ganz anderes heraus kommt als in der Beratung vorher. Ich halte die Trennung für ein bisschen schwierig. Sie ist auch ein bisschen konstruiert. Die beste Lösung für Verbraucher ist es, wenn man es mit qualifizierten Vermittlern zu tun hat, die Kundeninteressen zu ihren eigenen Interessen machen. Auf Sicht funktioniert das auch wirtschaftlich am besten.
Die Beeinflussung für das eine oder andere Produkt kommt ja daher, dass ich – je nach Produktart und Anbieter – immer eine unterschiedliche Vergütung bekomme. Dieser Anreiz fiele weg, weil jeder für die Vermittlung eines Produkts die selbe Summe bekommt.
Lassen sich denn Interessenkonflikte immer vermeiden? Die Verbraucherzentralen sind auch Anbieter kostenpflichtiger Verbraucherberatungen. Man könnte ihnen Interesse daran unterstellen, dieses Geschäftsmodell auszubauen.
Es ist dasselbe Thema. Ein Geschäftsmodell, das man selbst betreibt, sollte man nicht bei anderen bewerten. Darin steckt ein Interessenkonflikt. Deswegen haben wir uns stets um die Funktionstrennung zwischen der Bereitstellung der Technik und der eigenen Rating-Analyse bemüht. Natürlich kann man aber in jedem Ansatz Kritikpunkte finden.
Ein Beispiel: wovon lebt das Rating-Geschäft? Von der Siegel-Vermarktung. Man könnte nun sagen: wenn wir Siegel vermarkten, haben wir ein Interesse daran, dass möglichst viele tolle Ratings dabei herauskommen. In der Theorie scheint das schlüssig, aber ein Rating mit zu vielen Top-Noten ist schnell wertlos. Aber es gibt hier sehr unterschiedliche Philosophien. Ein Tipp: vergleichen Sie mal die Anzahl der Top-Noten bei den verschiedenen Ratinganbietern. Bei uns ist die Spitzengruppe im Rating traditionell vergleichsweise klein.
Das sind zumindest Indikatoren dafür, dass wir kein Interesse haben, möglichst breit zu gehen, sondern eine konsequente Orientierung zu liefern. Eine große Herausforderung haben wir allerdings in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Denn hier sind die Versicherungsbedingungen nach über 25 Jahren Ratingpraxis nahezu austrainiert? Wir haben unser Ziel erreicht und für eine durchweg hohe Qualität der Produkte gesorgt.
Ein Problem haben wir allerdings in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Denn was soll sich bei den Bedingungen noch groß ändern? Wir haben da einfach einen guten Job gemacht und für die Qualität der Produkte viel Druck ausgeübt.
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Zuletzt haben wir Stabilitätskriterien ins Rating aufgenommen, weil die Kalkulation durch den ständigen Preiswettbewerb immer dünner wird. Seit 2004 bewerten wir auch die Leistungspraxis der Versicherer, aber es stellt sich nur eine Minderheit der Versicherer diesem Verfahren. Gerne würden wir für mehr Orientierung sorgen und mehr Versicherer bewerten. Das geht aber nur, wenn uns die Unternehmen ins Haus lassen. Aber am Produkt, an den Bedingungen ändert das nichts – die haben mittlerweile vielfach ein hohes Niveau erreicht.
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