Versicherungsbote: Macht sich die CDU/CSU für den Erhalt des dualen Systems in der Krankenversicherung mit den beiden Säulen „gesetzlich“ und „privat“ stark? Wie positionieren Sie sich zu der Idee einer Bürgerversicherung, wonach private Krankenversicherer nur noch Zusatzversicherungen anbieten dürfen?

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Karl Schiewerling, Jahrgang 1951, ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Arbeitsmarkt- sowie sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 2005 an. Foto: CDUKarl Schiewerling: Wir halten am bestehenden System fest und sehen keine Vorteile durch die Bürgerversicherung.

Die OECD plädiert dafür, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung der Bundesbürger zu koppeln. Wie positioniert sich die CDU/CSU zu einer möglichen Anhebung des Renteneintrittsalters – und wo ist aus Ihrer Sicht die Schmerzgrenze?

Zunächst ist das Renteneintrittsalter bis 2029 geregelt. Bis dahin wird es schrittweise angehoben und die Rente mit 67 eingeführt. Daran halten wir fest und beobachten die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Menschen. Das muss man zunächst einmal wirken lassen. Zu gegebener Zeit kann entschieden werden, welcher Anpassungsbedarf im Hinblick auf die weiter steigende Lebenserwartung besteht. Ich gehe davon aus, dass bei steigender Lebenserwartung auch das Renteneintrittsalter steigen wird. Es ist Teil der Finanzierung der Rente und der Generationengerechtigkeit. Es sollte aber nicht automatisch erfolgen, sondern im Lichte der Gesamtentwicklung entschieden werden. Notwendig sind darüber hinaus Ansätze für freiwilliges längeres Arbeiten, wie wir es mit der Flexirente ermöglichen.

Im Dezember 2015 waren 1.038 Millionen Bundesbürger auf Leistungen aus der Grundsicherung im Alter (SGB XII) angewiesen: eine Verdoppelung gegenüber 2003. Was kann und muss aus Sicht Ihrer Partei getan werden, um der Altersarmut entgegenzuwirken?

Trotz dieser Steigerung sind nur drei Prozent aller Senioren auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Viele davon haben kaum Berührungspunkte zur gesetzlichen Rentenversicherung, darunter auch beachtlich viele, die erwerbsgemindert sind. Das zeigt auch, dass wir an den Ursachen arbeiten sollten. Die angedachte Lebensleistungsrente hat insoweit einige Defizite. Wichtiger ist beispielsweise eine Absicherungspflicht für Selbständige, die keinem Pflichtversicherungssystem angehören. Im Bereich der Absicherung der Erwerbsminderung haben wir jetzt mehrere Schritte unternommen, die auch zu steigenden Erwerbsminderungsrenten führen. Schließlich muss man sehr differenziert schauen, was man im Bereich der Geringverdiener oder unserer Beschäftigten nachbessern kann. Altersarmut wird durch gute Ausbildung und durch eine durchgehende Erwerbsbiografie verhindert.

Wie positioniert sich die CDU/CSU zur staatlich geförderten Altersvorsorge, speziell zur Riester- und Basis-Rente? Zuletzt gab es auch aus den Reihen der Politik viele kritische Stimmen, Horst Seehofer bezeichnete das Modell gar als „gescheitert“.

Die Riester-Rente hat sicherlich ihre Probleme. Diese liegen teilweise in komplizierten Regelungen, teilweise in der Niedrigzinsphase und zu einem erheblichen Teil auch im Anbieterverhalten begründet. Dennoch ist sie nicht gescheitert. Immerhin haben wir 16 Millionen Verträge, von denen einige ruhen. Ermutigend ist, dass die Förderung insbesondere Geringverdiener erreicht. Deshalb lohnt es sich hier nachzujustieren. Das ist auch in der Vergangenheit schon geschehen, das Zulagenverfahren wurde bereits vereinfacht. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wollen wir die Förderung optimieren und ausbauen sowie Hemmnisse abbauen. So wird beispielsweise die Grundzulage angehoben, und die Beitragspflicht von betrieblichen Rieser-Renten abgeschafft.

Wie positioniert sich Ihre Partei zu einer Altersvorsorge-Pflicht für Selbstständige – und wie könnte diese gestaltet sein? Mindestens 700.000 Selbständige sorgen nicht für ihr Alter vor, so eine DIW-Studie. Dennoch haben diese Menschen im Alter Anrecht auf Grundsicherung und werden mit Steuergeldern aufgefangen.

Das ist in der Tat ein Problem. Gerade den Soloselbständigen droht Altersarmut, insbesondere wenn das Geschäft nicht läuft. Deswegen wollen wir für alle Selbständige, die nicht abgesichert sind, eine Versicherungspflicht mit Wahlfreiheit. Sie muss so ausgestaltet sein, dass die Besonderheiten der Selbständigkeit hinreichend berücksichtigt werden und gerade in der Gründungsphase niemanden überfordert. Das ist aber auch kein leichtes Unterfangen. Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, hier ein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Wie in der Rentenversicherung müssen alle anderen Versicherungsformen existenzgesichert und die Kapitalanlage mündelsicher sein.

Sollte die gesetzliche Rente zukünftig gestärkt werden, etwa durch Anhebung des Rentenniveaus? Wenn ja: Wie kann verhindert werden, dass angesichts der Alterung der Gesellschaft die Beiträge zur Rentenkasse zu stark steigen?

Das Rentenniveau ist eine relative und sehr theoretische Größe, die nicht viel darüber aussagt, wie die Renten zukünftig steigen. Es steht vielmehr in Abhängigkeit von den Beiträgen und Löhnen. Die Richtwerte, die wir bis 2030 für das Rentenniveau haben, werden eingehalten: nämlich dass 43 Prozent bis 2030 nicht unterschritten werden dürfen. Wir werden voraussichtlich dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung sogar bei knapp 45 Prozent liegen. Ich bin dafür es in etwa bei dieser Größenordnung zu stabilisieren, alles andere wird teuer für die junge Generation.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig. Die Antworten von SPD, Grünen, Die Linke, FDP und Piratenpartei werden im Laufe der nächsten Tage auf der Webseite des Versicherungsboten veröffentlicht. Die AfD wurde auch angefragt, antwortete jedoch nicht auf unsere Fragen.

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