Als die Allianz Versicherung gestern mitteilte, man wolle zukünftig nicht mehr in den „Klimakiller“ Kohle investieren, kam das einer kleinen Sensation gleich. Das Thema wurde in nahezu allen wichtigen Nachrichtensendungen besprochen, und Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen, sprach von einem „wichtigen Meilenstein“ für den Klimaschutz. Doch die Gründe, warum sich der weltweit größte Versicherer aus dem Kohlegeschäft zurückziehen will, sind nicht allein mit dem Umweltbewusstsein der Allianz-Führungsriege zu erklären. Kohle wirft derzeit schlicht zu wenig Rendite ab, das Investment in Windenergie ist lukrativer. Umso schöner, dass man sich nebenbei als gutes Gewissen der Versicherungsbranche inszenieren kann.

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Allianz-Chef Oliver Bäte bei seiner Präsentation zum Capital Markets Day 2015. Quelle: allianz.de Am Dienstag hat Konzernchef Oliver Bäte, seit 6 Monaten im Amt, einen ehrgeizigen 3-Jahres-Plan für die Allianz vorgestellt, dabei soll vieles auf den Prüfstand. Die Geschäfte sollen profitabler werden, die Kundenorientierung soll steigen. Das mag zunächst nach dem üblichen Sprech aus den Vorstandsetagen klingen. Doch für seine „Renewal Agenda“ hat sich der als „Mister Effizienz“ bekannte Bäte überraschende Vorbilder ausgesucht: Unternehmen wie der Taxidienst Uber oder den Immobilienvermittler AirBnB, die Erfolg haben, weil sie auf einfachste Kundenbedürfnisse auch überraschende Antworten gefunden haben. „Diese Unternehmen sind nicht so erfolgreich wegen ihrer Technologie, die kann man im App-Store herunterladen. Sie orientieren sich am Kunden“, erklärt der neue Allianz-Vorstand bei seiner Präsentation vor Investoren in München.

Digitalisierung, mehr Effizienz, Orientierung an Kundenempfehlungen

Was aber beinhaltet der neue 3-Jahres-Plan der Allianz? Ein Lieblingsprojekt von Bäte ist die Digitalisierung, die einen „direkten Kundenbezug, nicht nur vermittelt über Vertreter“ schaffe. Der Versicherer hatte bereits mehrfach angekündigt, alle Produkte bis 2018 auch im Netz anbieten zu wollen, vor allem die Vertreter des Konzerns betrachten dieses Vorhaben skeptisch. Aber ein neuerlicher Stellenabbau ist nicht geplant – zumindest vorerst nicht. Stattdessen sieht der Plan vor, die Größe des Vertriebsnetzes zu nutzen, um einen noch besseren Zugang zu den Kunden finden. Zwar will Bäte durch die Digitalisierung jährlich eine Milliarde Euro einsparen - dieses Geld aber umgehend reinvestieren.

Hierfür soll künftig ein Messinstrument mehr Gewicht erhalten, das „die Bereitschaft von Kunden misst, Allianz an Freunde und Kollegen zu empfehlen“, wie die Allianz in einer Pressemeldung berichtet. Der sogenannte „Net Promoter Score“ (NPS) sei zwar bereits im Unternehmen etabliert, soll zukünftig aber Einfluss auf den gruppenweiten Planungsprozess und die Vergütung der Vermittler erhalten. Wie dies genau aussehen soll, teilt der Versicherer nicht mit. Der Net Promoter Score wird mittels einfacher Kundenbefragungen ermittelt, zum Beispiel: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie die Allianz einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“

Dass dies auch mehr Druck auf die Vertriebsmitarbeiter bedeutet, lassen die ehrgeizigen Ziele hinter der Maßnahme vermuten. In der Pressemeldung der Allianz heißt es hierzu: „Ziel ist, dass zukünftig mindestens 75 Prozent der Geschäftseinheiten der Gruppe besser als der Marktdurchschnitt abschneiden. Der Anstieg dieser Kennzahl erlaubt es, geschätzte fünf Millionen Neukunden und 6,5 Milliarden Euro an zusätzlichen jährlichen Beitragseinnahmen zu gewinnen.“ Alle Geschäftsbereiche müssten profitabler werden, erklärt Bäte hierzu. Was aber, wenn diese Vorgaben verfehlt werden?

Verbesserung der Ertragsstärke

In der Summe stehen Ziele, die schwierig zu erreichen sein werden, aber nicht unmöglich sind. „Die Allianz will ihr Ergebnis je Aktie von 2016 bis 2018 um durchschnittlich 5 Prozent steigern. Die Gruppe peilt bis 2018 eine Eigenkapitalrendite von 13 Prozent an, bereinigt um nicht realisierte Kapitalgewinne und -verluste aus Anleihen sowie um andere Positionen“, heißt es hierzu in der Pressemeldung des Versicherers. Oliver Bäte ist bereit, in die übergroßen Fußstapfen seines erfolgreichen Vorgängers und Patriarchen Michael Diekmann zu treten – der ihm allerdings, das sollte man nicht vergessen, auch zahlreiche Baustellen vererbt hat, unter anderem den kriselnden Vermögensverwalter Pimco.

Für eine Verbesserung der Ertragsstärke sollen zukünftig auch die Aufwendungen für Verwaltung und Schadenregulierung reduziert werden. Im Schaden- und Unfallgeschäft strebt die Allianz eine verbesserte Schaden-Kosten-Quote von 94 Prozent an. Und in der Sparte „Leben“ soll die Eigenkapitalrendite zukünftig mindestens 10 Prozent betragen – in allen Geschäftseinheiten. International wird der Versicherer weiter expandieren, auch daran lässt Bäte keinen Zweifel. Für viel Aufsehen sorgte vor wenigen Tagen die Meldung, dass die Allianz gemeinsam mit dem chinesischen Suchmaschinen-Anbieter Baidu Versicherungen im „Reich der Mitte“ anbieten will.

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Anders als Michael Diekmann, dem mitunter hartes "Durchregieren" im Unternehmen nachgesagt wurde, sendet Bäte dabei auch positive Signale an die Mitarbeiter. Ein so genannter "Inclusive Meritocracy Index" (IMIX) soll neben der Leistung auch die Qualität der Mitarbeiterführung und Integrität innerhalb des Unternehmens messen. Dieser Wert soll bis 2018 von 68 auf 72 Prozent gesteigert werden, berichtet die Allianz auf ihrer Webseite. Bäte selbst beansprucht für sich, die Allianz ein wenig transparenter und menschlicher gemacht zu haben. "Als ich in der Finanzabteilung anfing, saßen die Mitarbeiter wie in einem Finanzamt auf vier Etagen hinter verschlossenen Türen", zitiert ihn Börse Online in einem früheren Interview. "Wir haben Türen mit Glasfenstern eingebaut."

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