Allianz-Chef Oliver Bäte unter Beschuss
Seit Mai 2015 ist Oliver Bäte Chef von Europas größtem Versicherer Allianz SE – und bisher schien es, als mache er alles richtig. Doch nun brodelt es in den eigenen Reihen. Laut einem Zeitungsbericht sind führende Manager der deutschen Allianz-Töchter unzufrieden mit der Art und Weise, wie Bäte den Konzern umbaut. Bäte erfährt erstmals einen schroffen Gegenwind.
Bisher schien es, als könne Oliver Bäte ohne Probleme die großen Fußstapfen ausfüllen, die ihm sein Vorgänger Michael Diekmann hinterließ. Seit Mai 2015 ist der 51jährige Chef von der Allianz SE, dem Flaggschiff der europäischen Versicherungsbranche. Für das Jahr 2016 peilt Bäte einen Konzerngewinn von 10,5 Milliarden Euro an – aufgrund des schwierigen Marktumfeldes ein beachtliches Ergebnis. Und auch die Aktionäre konnten sich freuen: Bäte erhöhte die Dividende um 6,6 Prozent.
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Doch hinter verschlossenen Türen soll es bei der Allianz brodeln, immer mehr führende Manager des Konzerns mit seinem Führungsstil unzufrieden sein. Das berichtet Versicherungskorrespondent Herbert Fromme in der Süddeutschen Zeitung (Freitag). Die Manager werfen dem Konzernchef vor, die Allianz sprunghaft zu führen und Entscheidungen zu fällen, die dem Konzern langfristig schaden könnten. Vor allem zwei Themen stehen hierbei im Mittelpunkt: die Frage, wie mit dem Bestand an klassischen Lebensversicherungen umgegangen werden soll. Und ob Bäte die Digitalisierung des Konzerns zu schnell und unbedacht vorantreibt.
Gerüchte: Will Bäte den Lebensversicherungs-Bestand in Run-off überführen?
Laut Fromme hält sich in der Allianz das Gerücht, Bäte und Finanzchef Dieter Wemmer könnten die klassischen Lebensversicherungs-Bestände in die Abwicklung geben. Das heißt, ein großer Teil bestehender Lebensversicherungen könnte in eine eigene Gesellschaft überführt oder gar an einen „Bestandsverweser“ wie die Heidelberger Leben verkauft werden. Das Neugeschäft für diese Tarife würde dann komplett eingestellt.
Tatsächlich ächzt die Allianz im derzeit schwierigen Marktumfeld unter einer hohen Zahl hochverzinster Altverträge aus den 90er Jahren, die den Sparern noch Zinsgarantien von 3,5 bis vier Prozent versprechen. Es wird immer schwerer, diese Garantien zu erfüllen, auch müssen derartige Verträge mit viel Eigenkapital hinterlegt werden.
Erst kürzlich hat der Konkurrent Ergo deshalb bekanntgegeben, große Teile des LV-Bestandes in den Run-off zu schicken. Auch Allianz-Vorstand Wemmer habe im kleinen Kreis Zweifel geäußert, ob die klassische Lebensversicherung noch tragbar sei, wenn das Zinstief anhalte, berichtet Fromme.
Doch Widerstand kommt vor allem von den deutschen Allianz-Töchtern. Leben-Chef Markus Faulhaber und Deutschlandchef Manfred Knof fürchten einen Imageverlust bei deutschen Sparern, sollten Bestände tatsächlich in ein Run-off überführt werden. Das könnte eine verheerende Signalwirkung auf deutsche Kunden haben und das Neugeschäft behindern, so das Argument.
Und so beeilt sich auch Bäte, derartigen Spekulationen eine Absage zu erteilen. Einen Verkauf von LV-Beständen in Deutschland und Europa schließt der Konzernchef aus - vorerst. „Wir überlegen in manchen anderen Regionen, ob wir alte Bestände verkaufen können“, zitiert die Süddeutsche den Manager, Beispiele seien Südkorea und Taiwan. Aber in Europa sei kein Run-off geplant. Dies würde sich finanziell ohnehin kaum lohnen.
Streit um Digitalisierung – und Machtkampf?
Ein weiter Streitpunkt betrifft die Digitalisierungs-Offensive, die Bäte in Windeseile vorantreibt. Doch geht das zu schnell? Die Süddeutsche zitiert den hochrangigen Manager einer Landesgesellschaft, der anonym bleiben will. Demnach treibe die Allianz SE die Digitalisierung voran, ohne Initiativen der Landesgesellschaften zu sammeln und aufzugreifen.
Hierbei geht es vor allem um zwei Plattformen, die es europaweit Kunden und Maklern erlauben soll, Geschäfte der Allianz zu platzieren – online per Mausklick. Die Landesgesellschaften würden dann deutlich weniger mit den Kunden in Kontakt treten als bisher, sie wären quasi nur Produktlieferant. Demnach treibe die Allianz SE die Digitalisierung voran, ohne die Interessen der Deutschland-Töchter zu berücksichtigen.
Auch die zentrale IT der Allianz sorgt für Kritik: das sogenannte Allianz Business System (ABS). Die hauseigene Tochter AMOS arbeite zu teuer und die weltweit vertriebene Unterplattform „Absi“ würde schlicht nicht funktionieren, berichtete ein Manager gegenüber der Süddeutschen. So seien die Kosten für die IT stark angestiegen. „Darüber gibt es mit fast allen Landesgesellschaften mächtig Ärger.“
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Bei der Auseinandersetzung geht es um mehr als technische Fehler und Reibereien. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Bäte und die Allianz SE ihre Landesgesellschaften entmachten wollen. Der Mutterkonzern verneint. Oliver Bäte verweist im Gespräch mit der Süddeutschen auf die Notwendigkeit, die IT weltweit zu harmonisieren. "Best practice" reiche heute nicht mehr aus - nur wenn die Abstimmung aller Systeme gelinge, könnten die Gesellschaften wieder selbst entscheiden. Die hohen Kosten begründet er mit den gestiegenen Sicherheitsanforderungen an IT-Prozesse, die weltweit umgesetzt werden müssten.