„Wollen wir Geld verdienen oder wollen wir Geld verdienen?!“ Schreit Mehmet Göker, 36, auf dem Balkon eines flachen Bürogebäudes heiser in sein Handy. Er tut unter der Sonne der türkischen Ägäisküste im Badeort Kusadasi das, was er in den ersten Jahre seiner erstaunlichen Karriere in Kassel getan hat: Er verkauft private Krankenversicherungen für deutsche Versicherungskonzerne.

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Göker wird mit internationalem Haftbefehl gesucht

Obwohl er ihnen Millionen schuldet. Und obwohl er seit September 2012 mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Die Parallelen zu „ The Wolf of Wallstreet“ sind verblüffend. Man könnte meinen, Scorsese hätte Gökers Geschichte als Vorlage genommen.

2010 „verlegt“ Göker seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei. Mehmet Göker – der einmal den größten Finanzkonzern der Welt haben wollte – kann heute nur noch nach Burkina Faso und Nordkorea reisen. Die haben, wie die Türkei, kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland.

Göker tut bescheiden, nennt die neue Firma liebevoll seine „23-Mann-Klitsche“ und sein Ziel: „Ein effizienter Vertrieb mit 100 Mitarbeitern". Seine Mitarbeiter wirbt Göker über Facebook. Er lockt mit großen Versprechen von Luxus und Reichtum ans Mittelmeer, heizt ein, beschimpft, lässt sich anbeten. Die Fluktuation ist hoch.

Strohmänner, Honorarberater und Strafanzeigen

Die großen Versicherer wie AXA und Alte Leipziger/ Hallesche und Co werden nicht müde zu verkünden, nie wieder mit ihm Geschäfte machen zu wollen. Erst im April hatte die Allianz einen Strafantrag gegen den umstrittenen MEG-Gründer Mehmet Göker gestellt. Laut einem Zeitungsbericht fordert die Allianz Vorschüsse in Höhe von 2 Millionen Euro von Göker und seiner MEG zurück – und spekuliert darauf, dass seine Villen in der Türkei gepfändet werden.

Das Eis seiner Scholle schmilzt. Doch er beteuert: Er ist unschuldig und alles andere als pleite. Und er, der Aussätzige, ist sich sicher: AXA, Alte Leipziger/Hallesche und Co werden weiter für sein Einkommen sorgen, ob sie wollen oder nicht. Er schaltet einfach einen Makler in Deutschland dazwischen. Er könnte Recht behalten. Sie brauchen Leute wie Göker. Sie leben von Leuten wie ihm. Damit die Versicherungen keinen Wind von der Sache bekommen, soll Göker zwei Strohmänner eingesetzt haben, die das Geschäft für ihn im Heimatland abrechneten.

Premiere auf dem DOKFest München

Zuletzt wurde bekannt, dass er als Honorarberater aktiv ist und ehemaligen Kunden hilft, von einem preisintensiven PKV-Vertrag in einen kostengünstigeren Tarif zu wechseln. Betroffen seien hiervon vor allem Verträge der Axa und der Allianz. Pro Wechsel kassiert Göker bis zu 1.500 Euro, das Geld rechnet er über Strohmänner ab.

Nach „VERSICHERUNGSVERTRETER – Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker“ (u.a. Helmut Schmidt Preis, Ernst Schneider Preis), 2012, zeigt der neue Dokumentarfilm des Grimme-Preisträgers Klaus Stern „VERSICHERUNGSVERTER 2 – Mehmet Göker macht weiter“ intime Einblicke in die Welt der Versicherungsverkäufer und Optimierer. Über einen Zeitraum von 18 Monaten ließ sich der einstige Liebling der Versicherungen bei seinen Aktivitäten - obwohl per Haftbefehl gesucht - begleiten. Am Sonntag, den 10. Mai um 20.00 Uhr, hat der Film Weltpremiere auf dem DOKFest München. Ab Mittwoch, den 13. April, ist der Film im Kasseler Bali Kino zu sehen.

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Seit einiger zeit plant der umstrittene Gründer des insolventen Finanzvermittlers MEG zudem seine Autobiographie zu veröffentlichen. Ursprünglich sollte das Buch bereits im Mai auf den Markt kommen. Inzwischen wurde das Erscheinungstermin auf den 13.07.2015 verschoben. Für so manche Versicherung könnte es unangenehme Enthüllungen geben. „Ich will alles erzählen, wie es nun einmal gewesen ist“, sagte Göker im Gespräch mit dem Handelsblatt.

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