In der Bundestagswahl 2013 fand die Idee einer Bürgerversicherung keine Mehrheit. Wie kann aber das Gesundheitssystem derart reformiert werden, dass es eine Trennung von Kassen- und Privatpatient nicht mehr gibt? Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, plädiert nun erneut für gleiche Spielregeln für PKV- und GKV-Anbieter.

Anzeige

In den Solidaritätstopf sollen zukünftig bei der Bürgerversicherung neben den 73 Millionen gesetzlich Versicherten auch die PKV-Mitglieder einzahlen, fordert Baas im Interview mit Zeit Online. Dies würde auch Beamte in den Privatkassen betreffen und andere Gutverdiener. Private Krankenversicherer dürften für Neukunden dann nur noch – wie die Gesetzliche – eine Kernversicherung anbieten, deren Leistungen sich mit einer Zusatzversicherung erweitern ließen.

Laut Baas würde damit ein gemeinsamer Markt geschaffen, aus dem wahrer Wettbewerb entstehen könnte. Dies ist seiner Meinung nach mit dem aktuellen System nicht möglich. Ob die Privatversicherer dann auch von staatlichen Zuschüssen profitieren dürften, dazu machte der Kassenvorstand keine Angaben.

So funktioniert laut Baas die Chancengleichheit zwischen PKV und GKV

„Ein Hindernis sind die Altersrückstellungen der Privaten Krankenversicherung“, so Baas im Interview gegenüber ZEIT Online. Sein Lösungsvorschlag sieht vor, diese Altersrückstellungen in der PKV zu belassen und dem PKV-Mitglied den Wechsel zu ermöglichen. Wechselt dann ein PKV-Mitglied in die Gesetzliche Krankenversicherung, würde die GKV für dieses Mitglied jährlich einen bestimmten Betrag von der PKV erhalten, ähnlich einer Rente. So bliebe das Kapital bei den Privaten.

Für die Zusammenführung dürften dann keine neuen Mitglieder in die PKV nach dem jetzigen Modell aufgenommen werden. So würde sich das Geschäft nach und nach auflösen. Laut Baas besteht der Vorteil jedoch darin, dass PKV-Mitglieder in die Gesetzliche wechseln könnten, was momentan meist nicht möglich ist. Die GKV würde aus der Altersrückstellung der PKV dann eine Art „Rente“ für diese Mitglieder erhalten und kein Mitglied der Privaten würde enteignet, da die Entscheidung für oder gegen einen Wechsel allein dem Mitglied obliegt.

Begleitend zum Rückgang der Privatversicherten müssten die Gesetzlichen im Gegenzug den Arztpraxen mehr bezahlen. Für eine Praxis, die fest auf Privatpatienten baut, wäre der Systemwechsel sonst ein konkretes Problem. Im Zuge des Umbruchs könnte dann aber über alternative Vergütungsformen nachgedacht werden. So könnten, laut Baas, beispielsweise zukünftig Einzelleistungen vergütet werden statt der heute sehr pauschalierten Abrechnung nach einem schwer verständlichen Punktesystem. Mehr Geld in der GKV erhofft sich Baas davon, dass zukünftig Beihilfe-Tarife für Beamte auch in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sein sollen.

Gleiche Spielregeln für alle: das Aus für private Versicherungsunternehmen?

Warum aber ist eine Vereinheitlichung des Gesundheitssystems laut Baas dringend geboten? Die Private Krankenversicherung treibe viele Versicherte in die Altersarmut, argumentiert der Kassenfunktionär, da sich viele Ältere die im Alter hohen Beiträge nicht mehr leisten können. Aber auch ein Wechsel in die Gesetzliche sei ihnen nicht erlaubt. Dem Modell einer Bürgerversicherung erteilte Baas jedoch bereits in einem früheren Interview eine Absage - er plädiert für mehr Wettbewerb aller Anbieter statt einer Einheitsversicherung. "Die Bürgerversicherung kann die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung nicht lösen", hatte Baas vor der Bundestagswahl 2013 dem Spiegel diktiert.

Das Aus für die PKV müsste dies aber noch nicht bedeuten. In den großen Konzernen würde die Privatversicherung lediglich einen Teilbereich darstellen. Auch für die kleineren Versicherungsunternehmen würde eine Zusammenführung nicht das Aus bedeuten, da diese der Gesetzlichen in ihrer Rechtsform sehr ähnlich sind. So könnten in dem neuen System alle unter einheitlichen Rahmenbedingungen in einem gemeinsamen Markt arbeiten.

Anzeige

Kernversicherung plus Zusatzversicherung

Wieviel Flexibilität sollte aber ein einheitlicher Versicherungsmarkt zulassen? „Der Kern muss immer ein guter und umfassender Versicherungsschutz sein“, so das Fazit von Baas, „ein Wert in Deutschland, den wir gegenüber allen anderen Ländern haben.“ Der Kern sollte seiner Meinung nach immer mindestens 80 Prozent der Leistungen umfassen und solidarisch mitfinanziert werden. Um den Kern herum könnte es dann mehr Freiheiten für Anbieter geben.

Anzeige