Wie kann eine neuerliche Finanzkrise wie 2008 vermieden werden? Wirtschaftsexperten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kritisieren, Europa habe bisher zu wenig unternommen, um einen Crash des Finanzsystems zukünftig zu verhindern. “Auch fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise gelten viele europäische Banken als too big to fail. Die Sicherheit, dass in einer Notlage der Staat eingreifen muss, verleitet jedoch zu riskanten Anlage- und Wachstumsstrategien und schürt so die Gefahr neuer Finanzkrisen“, warnen die Banken- und Finanzmarktexperten Dorothea Schäfer und Benjamin Klaus. Auch die Vorschläge des Bundesfinanzministeriums, zukünftig ein Trennbankensystem einzuführen (der Versicherungsbote berichtete), würden demnach das systemische Risiko keineswegs eindämmen.

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Auch Trennbanken wären „too big to fail“

Die Wissenschaftler Klaus und Schäfer haben für den aktuellen DIW-Wochenbericht 18/2013 die vorliegenden Vorschläge für Trennbankensysteme untersucht. Keiner der aktuellen Vorschläge gehe nach Einschätzung der Wissenschaftler weit genug. „Die duale Aufspaltung ist nicht ausreichend. Viele der neu entstehenden Banken wären schon für sich genommen größer als jede Bank, die in den letzten ordentlich, das heißt ohne großen volkswirtschaftlichen Schaden, abgewickelt wurde. Erst recht gilt das, wenn sie in einer gemeinsamen Holding verbleiben“, so das Urteil der Wissenschaftler.

Für den Steuerzahler bedeutet dies nichts Gutes. Dass viele Banken aufgrund ihrer Größe, Komplexität und Vernetzung nicht mehr abgewickelt werden können, zwingt den Staat und den Steuerzahler in die Haftung. Geraten die Banken in eine Schieflage, müssen sie gerettet werden, um einen Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems zu verhindern. Diese Staatsgarantie setze dem Management der Banken jedoch falsche Anreize für hochriskantes Wachstum und weiteres fremdfinanziertes Größenwachstum der Banken. Weil der Steuerzahler einspringen muss, zocken die Banken weiter.

Umso wichtiger sei es, dass die europäische Bankenregulierung Verfahren zur geregelten Abwicklung von Großbanken nach einer Pleite entwickelt – möglichst, ohne dass der Staat in Mithaftung genommen wird. Mit einem Trennbankensystem sollen die Handelsaktivitäten von Geschäftsbanken abgespalten werden. Die Bundesregierung hat im Februar 2013 ihren Gesetzentwurf für die Aufspaltung der deutschen Universalbanken in Geschäfts- und Handelsbanken vorgestellt (der Versicherungsbote berichtete).

Trennbankengesetz bietet Schlupflöcher

Zwar werten die DIW-Wissenschaftler das Trennbankengesetz als ersten Schritt hin zu einer Reduzierung des Systemrisikos, so dass Banken auf eine abwickelbare Größe verkleinert werden können. Allerdings reiche dieser Schritt nicht aus. Bei einer Trennung der Banken nach den Plänen der Bundesregierung, die sich weitestgehend an den Vorschlägen einer EU-Kommission unter Vorsitz des finnischen Notenbank-Präsidenten Liikanen orientiert, würden aus den jetzigen Großbanken weit mehr als ein Dutzend schützenswerte, weil einlagentragende Banken mit Bilanzsummen von 300 Milliarden Euro und mehr hervorgehen. Zudem hätten oft auch die entstehenden Handelsbanken eine Größe, bei der es fraglich ist, ob die Restbanken tatsächlich abwickelbar sind. „Die duale Trennung kann nur als erster Schritt sinnvoll sein. Weitere Maßnahmen sind jedoch unumgänglich“, urteilt folglich Finanzmarktexpertin Schäfer.

Deshalb fordert Schäfer zusätzlich eine nicht risikogewichtete Eigenkapitalquote von mindestens fünf Prozent, die auch für Trennbanken gelten soll. Ziel ist es, das fremdfinanzierte Größenwachstum einzudämmen. Die nach dem Plan erlaubte Holdingstruktur dürfte ein zusätzliches Hindernis für eine Entflechtung im Falle einer Abwicklung sein.

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Als problematisch bewertet die Finanzmarktexpertin auch, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung - abweichend vom Liikanen-Vorschlag - den einlagentragenden Geschäftsbanken das Market Making, also das permanente Stellen von An- und Verkaufspreisen, grundsätzlich weiterhin erlaubt. „Damit könnte die Aktion ausgehen wie das Hornberger Schießen: Man hätte zwar ein Trennbankengesetz, aber keine Bank mehr, die unter dieses Gesetz fällt“, sagt Dorothea Schäfer. Denn die Banken könnten Eigenhandel in Market-Making umdeklarieren und damit der Abtrennung entgehen. Auch die Gefahr, dass eigentlich abzutrennende Geschäfte in den nach wie vor wenig regulierten Schattenbanksektor verlagert werden, sei realistisch.

DIW Berlin