Schwere Zeiten für die traditionelle Lebensversicherung. Seit Jahren schon erhalten die Lebensversicherer keine ausreichend hohen Zinsen am Kapitalmarkt, um ihre Zusagen an die Kunden zu decken. Weil die Anbieter ihr Geld bevorzugt in vermeintlich sichere Anleihen wie festverzinsliche Wertpapiere stecken, können sie derzeit keine hohen Renditen erwirtschaften. Die klassische Lebensversicherung verliert zunehmend an Attraktivität – laut einer aktuellen Studie der ASSEKURATA Assekuranz Rating Agentur unter 67 teilnehmenden Versicherungsunternehmen bleibt das Vorsorgemodell auch zukünftig in schwierigen Gewässern (Die detaillierten Ergebnisse der Studie finden Sie im PDF-Dokument "Kurzpräsentation Überschussbeteiligung").

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„Die laufende Verzinsung von Lebens- und Rentenversicherungen fällt in 2012 im Marktdurchschnitt erstmals unter die 4 Prozent-Marke und damit auf den historisch niedrigsten Stand“, teilte Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der ASSEKURATA, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Köln mit. So betrage die durchschnittliche laufende Verzinsung über alle Tarifarten und -generationen hinweg derzeit nur 3,94 Prozent. Im Vorjahr durften Kunden noch auf eine durchschnittliche Verzinsung von 4,09 Prozent hoffen. Hier ist ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen: Von den 64 betrachteten Versicherern haben 50 ihre Verzinsung gegenüber dem Vorjahr gesenkt. Rainer Will schlussfolgert: „Damit setzt sich der in den beiden vorangegangenen Jahren zu verzeichnende Trend rückläufiger Deklarationen fort.“

Niedrigzinsniveau belastet Versicherer

Auch für das Jahr 2013 rechnet die Assekurata damit, dass die Lebensversicherer die Verzinsung für ihre Kunden weiter senken werden. Schuld an der Entwicklung ist unter anderem das schwierige Marktumfeld: Festverzinsliche Anlagen wie Staatsanleihen und Bankschuldverschreibungen, in die viele Lebensversicherer ihr Geld investiert haben, werden laut Prognosen auch in den kommenden Monaten nur niedrige Zinsen abwerfen.

Zudem entpuppen sich diese Papiere in Zeiten der Staatsverschuldung immer mehr als unsichere Anlage – und somit als Risiko für Versicherer wie für Kunden, etwa wenn die Gesellschaften in Staatsanleihen von kriselnden Ländern wie Italien und Frankreich investiert haben. „Es besteht ein Anlagenotstand. Es wird immer schwerer, eine auskömmliche Rendite zu adäquatem Risiko zu erzielen“, argumentiert Reiner Will.

Milliardenschwere "Altlasten"

Das größte Problem für die Versicherer sind jedoch die hohen Garantiezinsverpflichtungen der Bestandsverträge aus früherer Zeit. Knapp ein Viertel aller Verträge muss derzeit mit einem Garantiezins von vier Prozent bedient werden. Hierbei handelt es sich um Policen, die zwischen den Jahren 1994 und 2000 abgeschlossen wurden – damals waren die Geschäftserwartungen der Versicherer deutlich optimistischer.

Nun schränken diese hochverzinsten Verträge den finanziellen Handlungsspielraum der Anbieter deutlich ein, die Lebensversicherer müssen erstmals Verträge nachreservieren. Denn in der Lebensversicherung gilt das Prinzip der Gleichbehandlung – zu hoch verzinste Verträge gehen zu Lasten des Kollektivs und müssen gegenfinanziert werden. So sind die Versicherer verpflichtet, aufgrund des niedrigen Zinsniveaus eine sogenannte Zinszusatzreserve von geschätzten 1,5 Milliarden Euro zu bilden. Diese zusätzlichen Rückstellungen belasten wiederum die ausgeschütteten Überschussbeteiligungen, mit denen die Kunden Einbußen beim Garantiezins auffangen können.

Neuverträge weniger attraktiv

Im Neugeschäft sinkt die Verzinsung für private Rentenversicherungen, mit rund ein Viertel aller Neuverträge die wichtigste Tarifart, auf durchschnittlich 3,91 Prozent. Im Vorjahr hatte sie noch 4,07 Prozent betragen. Für einen langfristigen Mustervertrag mit 25 Jahren Laufzeit stellte die Assekurata sogar fest, dass es für Versicherungsnehmer bei einigen Anbietern schwierig werden könnte, den eingezahlten Betrag am Ende der Vertragslaufzeit herauszubekommen und die Inflationsrate auszugleichen.

Bei den Versicherern führen die erschwerten Bedingungen zu größeren Unterschieden bei der möglichen Verzinsung. Insgesamt lasse sich erkennen, dass die Spreizung der verschiedenen Renditegrößen am Markt bereits zunehme, sagt Reiner Will. Für Kunden wie Versicherer könne es folglich immer wichtiger werden, die verschiedenen Angebote miteinander zu vergleichen.

Gedämpfte Stimmung in der Branche

Insgesamt sehen die Lebensversicherer ihre Wachstumschancen für das Jahr 2012 neutral bis leicht positiv. Schlecht werden jedoch die Chancen für traditionelle Lebensversicherungen eingeschätzt – hier profitieren vor allem Bestandskunden von den fortbestehenden hohen Zinszusagen. Neukunden müssen jedoch niedrige Garantiezinsen und sinkende Überschussbeteiligungen akzeptieren, so dass viele Experten die konventionelle Lebensversicherung als Auslaufmodell betrachten.

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Es könnte zukünftig verstärkt einen Trend hin zu fondsbasierten Produkten geben, denn diese bieten die Chance auf eine höhere Verzinsung. Lebensversicherungen auf Fondsbasis haben jedoch einen entscheidenden Nachteil – das Kapitalmarktrisiko trägt zum Großteil der Versicherungsnehmer.

mw

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