Als vor rund sieben Jahren in Deutschland InsurTechs in den Blick gerieten, wurden damals InsurTechs und „klassische“ Vertriebswege mit persönlicher Beratung als erbitterte Konkurrenten beschrieben: Das lag auch am Anspruch der neuen Player, die etablierten Marktteilnehmer zu ersetzen. Heute beobachten wir viele Kooperationen. Hat sich da etwas im Selbstverständnis geändert? Brauchen beide – InsurTechs und Vermittler aus „Fleisch und Blut“ – sogar einander?

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Robin Latz: Selbstverständnis und Wahrnehmung haben sich verändert. Beide Seiten – InsurTechs und Makler – haben erkannt, wie sie voneinander profitieren können. Bei Friday sind wir früh auf Makler zugegangen, um zu schauen, wie wir die jeweiligen Stärken kombinieren können. Viele Makler verfügen über langjährige Erfahrungen und Expertise in der Branche und spielen eine wertvolle Rolle bei der Kundengewinnung und -bindung. Umgekehrt haben viele Vermittler erkannt, dass innovative Technologien und digitale Lösungen ihnen helfen, effizienter zu arbeiten und ihren Kunden bessere Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Wir beziehen Makler in unsere Entwicklungsprozesse mit ein und kooperieren schon jetzt mit renommierten Maklerpools, wie Blau Direkt, AMEXPool, Fonds Finanz, Netfonds oder DMU.

Robin Latz ist Country Head Germany bei FridayFridayWie kann ein digitaler Versicherer wie Friday von Versicherungsmaklern profitieren? Haben Sie schon immer auf Makler als einen Vertriebskanal gesetzt - oder hat auch bei Ihnen ein Umdenken stattgefunden?

Latz: Die Bedeutung von Maklern als Vertriebskanal war uns schon immer bewusst. Es gab bei Friday kein Umdenken in dieser Hinsicht. Zwar ist unser Geschäftsmodell entlang der gesamten Wertschöpfungskette digital aufgebaut. Aber im Vertrieb setzen wir auf den richtigen Kanalmix: Direkt, Vergleicher, Partner, Maklerpools und die Makler selbst. Denn die Vermittlung von Versicherungen ist nach wie vor auch ein "people business", bei dem der persönliche Kontakt zu den Kunden und eine individuelle Betreuung von großer Bedeutung sind. Makler haben eine starke Kundenbindung und ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Entgegen dem Klischee sind moderne Maklerbüros längst auch digitale Omnichannel-Zentralen mit Vergleichs-, Beratungs- und Verwaltungstools. Wie können denn Versicherungsmakler von Ihnen profitieren, wenn sie kooperieren?

Norbert Reimann: Friday ist 2017 als rein digitaler Versicherer angetreten. Das heißt: Die gesamte Organisation und sämtliche Prozesse wurden digital abgebildet. Dadurch erzielen wir viele Vorteile, wie Geschwindigkeit, Transparenz oder Flexibilität. Moderne Maklerbüros können davon profitieren, indem sie mit uns kooperieren. Norbert Reimann ist Leiter Maklervertrieb bei FridayFriday

Durch unsere vorhandene Infrastruktur fällt es uns leicht, den hohen Ansprüchen moderner Maklerbüros gerecht zu werden: Die Policierung kann in wenigen Augenblicken erfolgen und die Dokumente können direkt nach der Policierung bereitgestellt werden. Es gibt eine 24/7 Schnittstellenverfügbarkeit. Außerdem können Vergleichsrechner in die Systeme integriert werden, denn die Übertragung ist normiert, es gibt einen hohen Automatisierungsgrad.

So können Makler die Effizienz und Geschwindigkeit ihrer Prozesse erhöhen, während sie ihren Kunden eine breitere Palette von Produkten und Dienstleistungen anbieten können und dabei gleichzeitig die Beratungsqualität und den Kundenservice verbessern.

Sie wollen den Maklermarkt skalieren, also Erfolg anhand von Daten messbar machen. Auf welche Daten greifen Sie dabei zurück – und können kooperierende Versicherungsmakler auch persönlich davon profitieren?

Reimann: Um den Maklermarkt zu skalieren und Erfolg messbar zu machen, greifen wir auf verschiedene Datenquellen zurück. Anders als bei Vergleichsportalen geht es im Maklermarkt neben der Preis- und Leistungsposition gegenüber Wettbewerbern, die wir monitoren, auch darum Maklern effektive Kommunikationskanäle anzubieten. Daher haben wir dedizierte Kommunikationswege für Makler eingeführt (Telefon, Mail, direkte Betreuung). Aus diesen persönlichen Kontakten ergeben sich fortlaufend neue Datenpunkte zur Optimierung unserer Prozesse und Erhöhung unseres Automationsgrades, um einfache, sich häufig wiederholende Vorgänge noch schneller zu bearbeiten.

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Wir messen auch systematisch die Resonanz auf unsere eigene B2C-Kommunikation – und lernen daraus. Künftig können wir uns vorstellen, diese Informationen mit kooperierenden Vertriebspartnern zu teilen. So können diese ihre Kundenakquise weiter optimieren und eigene Prozesse verbessern, um die eigenen Kunden noch besser betreuen zu können. Eine Win-Win-Situation, denn durch die Zusammenarbeit mit uns und den Austausch von Informationen können wir gemeinsam die Effizienz steigern und die Kundenzufriedenheit erhöhen.

Künstliche Intelligenz ist bei uns ein wichtiges Thema

„Agile Prozesse“ ist ein Schlagwort, das auch die Versicherungslandschaft prägt. Gefragt sind schnelle Reaktionen auf sich ändernde Wünsche und Anforderungen - das Konzept wurde allerdings schon in den 80er Jahren diskutiert. Warum sollen Prozesse agil sein? Steht dies im Widerspruch dazu, dass von Versicherern gleichzeitig Beständigkeit, Verlässlichkeit und Stabilität gefordert wird?

Reimann: Auf den ersten Blick mag es wie ein Widerspruch erscheinen. Tatsächlich halten wir jedoch viel von beiden Welten für gleichermaßen richtig und wichtig. Eine Versicherung ist langfristig ausgerichtet. Sie muss den Ausgleich innerhalb der Versicherten sicherstellen. Daher müssen die Grundlagen solide und verlässlich sein.

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Wenn es jedoch um die Entwicklung und Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen geht, kann sich ein schnell(er) anpassender und agiler Prozess als vorteilhaft erweisen. Agile Prozesse erlauben es uns, rasch auf Änderungen am Markt oder in den Kundenbedürfnissen zu reagieren und Angebote anzupassen.

Derzeit wird viel über künstliche Intelligenz diskutiert. Entsprechende Tools könnten theoretisch auch zu Versicherungsfragen „beraten“. Ist KI in Ihrem Hause bereits ein Thema? Könnte sie vielleicht sogar Makler obsolet machen?

Latz: Ja, künstliche Intelligenz (KI) ist bei uns ein wichtiges Thema. Sie hat das Potenzial, viele Bereiche der Versicherungsbranche zu revolutionieren. KI-Systeme können große Datenmengen analysieren und Muster und Trends erkennen, die für die Entscheidungsfindung relevant sind. Dadurch können wir Produkte und Prozesse bei Friday optimieren. Neben einem Zugewinn an Effizienz und Geschwindigkeit ermöglicht KI auch eine Erhöhung der Prozessautomatisierung.

Allerdings glauben wir nicht, dass KI die Rolle von Maklern ersetzen wird. Persönliche Beratung und eine enge Beziehung zu Kunden sind und bleiben nach wie vor wichtig. Sie können aktuell nicht vollständig durch KI-Systeme ersetzt werden. Vielmehr sehen wir KI-Systeme als Ergänzung und Hilfsinstrument unserer Mitarbeitenden.

Große Versicherer nutzen KI bereits, um Risiken und Tarife zu modellieren. Der Autohersteller Tesla bietet eigene Kfz-Versicherungen an und berechnet die Prämie anhand des Fahrverhaltens des Kunden, ohne auf klassische Tarifmerkmale zurückzugreifen. Müssen auch (digitale) Versicherer KI fürchten?

Latz: Nein, digitale Versicherer müssen KI nicht fürchten. Digitale Versicherer haben den Vorteil, dass sie bereits von Anfang an auf eine digitale Infrastruktur gesetzt haben. Dadurch können sie KI-Systeme besser und schneller in ihre Prozesse integrieren. Dabei ist es wichtig, Datenschutzbestimmungen und andere Regelwerke einzuhalten und die Transparenz und Kontrolle über die verwendeten Daten stets zu gewährleisten. Vertrauen ist ein hohes Gut. Die aktuellen regulatorischen Diskussionen werden einen sicheren Rahmen für die Kunden setzen. Kunden müssen verstehen können, wie ihre Daten gesammelt und genutzt werden.

Aktuell wird in der EU erneut ein Provisionsverbot diskutiert: vorerst nur für bestimmte Altersvorsorge-Produkte, aber Branchenbeobachter warnen, das könnte spartenübergreifend erweitert werden. Wie positionieren Sie sich als Digitalversicherer mit Direktvertrieb und Makler-Kooperationen zu einem möglichen Provisionsverbot?

Latz: Als Digitalversicherer mit einer Multikanalstrategie sehen wir uns gut positioniert, um auf ein mögliches Provisionsverbot zu reagieren. Auch wenn ein solches Verbot aktuell im Kontext von Lebenprodukten diskutiert wird und uns als Sachversicherer nicht unmittelbar tangieren würde, müsste eine solche regulatorische Änderung unseres Erachtens mit konkreten Lösungsvorschlägen verknüpft werden, welche die Interessen der Kunden, der Makler und der Versicherer gleichermaßen berücksichtigt.

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