Reimann: Auf den ersten Blick mag es wie ein Widerspruch erscheinen. Tatsächlich halten wir jedoch viel von beiden Welten für gleichermaßen richtig und wichtig. Eine Versicherung ist langfristig ausgerichtet. Sie muss den Ausgleich innerhalb der Versicherten sicherstellen. Daher müssen die Grundlagen solide und verlässlich sein.

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Wenn es jedoch um die Entwicklung und Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen geht, kann sich ein schnell(er) anpassender und agiler Prozess als vorteilhaft erweisen. Agile Prozesse erlauben es uns, rasch auf Änderungen am Markt oder in den Kundenbedürfnissen zu reagieren und Angebote anzupassen.

Derzeit wird viel über künstliche Intelligenz diskutiert. Entsprechende Tools könnten theoretisch auch zu Versicherungsfragen „beraten“. Ist KI in Ihrem Hause bereits ein Thema? Könnte sie vielleicht sogar Makler obsolet machen?

Latz: Ja, künstliche Intelligenz (KI) ist bei uns ein wichtiges Thema. Sie hat das Potenzial, viele Bereiche der Versicherungsbranche zu revolutionieren. KI-Systeme können große Datenmengen analysieren und Muster und Trends erkennen, die für die Entscheidungsfindung relevant sind. Dadurch können wir Produkte und Prozesse bei Friday optimieren. Neben einem Zugewinn an Effizienz und Geschwindigkeit ermöglicht KI auch eine Erhöhung der Prozessautomatisierung.

Allerdings glauben wir nicht, dass KI die Rolle von Maklern ersetzen wird. Persönliche Beratung und eine enge Beziehung zu Kunden sind und bleiben nach wie vor wichtig. Sie können aktuell nicht vollständig durch KI-Systeme ersetzt werden. Vielmehr sehen wir KI-Systeme als Ergänzung und Hilfsinstrument unserer Mitarbeitenden.

Große Versicherer nutzen KI bereits, um Risiken und Tarife zu modellieren. Der Autohersteller Tesla bietet eigene Kfz-Versicherungen an und berechnet die Prämie anhand des Fahrverhaltens des Kunden, ohne auf klassische Tarifmerkmale zurückzugreifen. Müssen auch (digitale) Versicherer KI fürchten?

Latz: Nein, digitale Versicherer müssen KI nicht fürchten. Digitale Versicherer haben den Vorteil, dass sie bereits von Anfang an auf eine digitale Infrastruktur gesetzt haben. Dadurch können sie KI-Systeme besser und schneller in ihre Prozesse integrieren. Dabei ist es wichtig, Datenschutzbestimmungen und andere Regelwerke einzuhalten und die Transparenz und Kontrolle über die verwendeten Daten stets zu gewährleisten. Vertrauen ist ein hohes Gut. Die aktuellen regulatorischen Diskussionen werden einen sicheren Rahmen für die Kunden setzen. Kunden müssen verstehen können, wie ihre Daten gesammelt und genutzt werden.

Aktuell wird in der EU erneut ein Provisionsverbot diskutiert: vorerst nur für bestimmte Altersvorsorge-Produkte, aber Branchenbeobachter warnen, das könnte spartenübergreifend erweitert werden. Wie positionieren Sie sich als Digitalversicherer mit Direktvertrieb und Makler-Kooperationen zu einem möglichen Provisionsverbot?

Latz: Als Digitalversicherer mit einer Multikanalstrategie sehen wir uns gut positioniert, um auf ein mögliches Provisionsverbot zu reagieren. Auch wenn ein solches Verbot aktuell im Kontext von Lebenprodukten diskutiert wird und uns als Sachversicherer nicht unmittelbar tangieren würde, müsste eine solche regulatorische Änderung unseres Erachtens mit konkreten Lösungsvorschlägen verknüpft werden, welche die Interessen der Kunden, der Makler und der Versicherer gleichermaßen berücksichtigt.

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